Schmu-Gaze?


Nix da. Der Gitarrentrend ging tatsächlich zur ultimativen Zerstreuung.

Weil ein Trend erst dann existiert, wenn er als Behauptung oft genug an die Öffentlichkeit getragen wird, und Trends das Geschäft derer beleben, die für das Verkünden solcher Trends zuständig sind, und so eben auch der MUSIKEXPRESS, werden wir einen Teufel tun und etwa nicht behaupten, dass Shoegazing 2009 ein Trend war. Selbstverständlich war es das! Wir haben den im Ursprung wenig schmeichelhaft gemeinten Genrebegriff, den britische Kollegen Anfang der 90er erfunden haben, in diesem Jahr folgerichtig in ca. drei Dutzend Plattenbesprechungen fallen lassen, um zu beschreiben, was zahlreiche junge Bands so treiben und antreibt. Also war er da. Und ist da. Und wird eher noch ein gutes Stück größer. Versprochen.

Es gab mit Bands wie u. a. The Pains Of Being Pure At Heart, A Place To Bury Strangers, The Big Pink, The Twilight Sad, Darker My Love, Deastro, The Horrors (auf ihrem zweiten Album) und am Ende des Jahres bitte nicht schon vergessen: Glasvegas mehr als eine Handvoll frischer Bands, die sich nicht gleich schütteln muss wie nasse Hunde, wenn Musikjournalisten sie mit diesem Etikett bedenken. Denn a) stimmt das ja mit dem Shoegazing und b) haben sie (zumindest anfangs) auch was davon, als Vertreter eines klar auszumachenden Trends.

Vielleicht das Schönste an diesem Shoegazing-/Nu-Gaze-Trend ist, dass er wenig geeignet ist, be- oder gar zerredet zu werden. Er bietet kein Gesicht, er ist ein Schauspiel ohne Hauptrolle, Shoegazing ist flüchtig wie der Wind und packt dennoch dort, wo es zur konzentrierten Entfaltung kommt, am besten live, zu wie ein Sturm. Zu poetisch, zu pathetisch? Pustekuchen! Shoegazing ist so. Und obendrein der Sound zur ultimativen Zerstreuung, weil zu einem guten Stück aus Lärm gemacht. Merke: Lärm reinigt den Kopf wie Dreck den Magen! Und dass die Produzenten lieh harmomebedürftige Menschen sind), heute wie damals tatsächlich viel auf ihre Füße (wo die Effektgeräte Schlange stehen) schauen oder auch an die Decke, denen jedenfalls die Posterboy-Attitüde vieler inzwischen aus dem Trendkrussel ge-fallenen Britrocker sehr fremd ist, liegt vor allem daran, dass sie gerade selbst davon fliegen mit ihrer Musik.

Ein tolles Genre: Musiker und Publikum treffen sich in der gleichen, durchaus metaphysischen Erfahrung. Und nach dem Konzert weiß tatsächlich keiner, welche Augenfarbe der Sänger hat.