Peace


Um das gleich zu Beginn abzuarbeiten: Wir sind etwas zerknirscht. Wurden Peace aufgrund der Stücke ihrer „Delicious“-EP in unserer Februar-Ausgabe noch unter der Rubrik „Kein Thema“ abgeheftet, bleibt uns nach dem ersten Hören ihres Debütalbums IN LOVE nur die Rolle rückwärts. Und so verkünden wir also mit etwas Schamesröte im Gesicht, dass diese Band durchaus ein Thema ist – im Hinblick auf das Popjahr 2013 wohl sogar ein recht wichtiges.

Das sehen auch die Kollegen vom britischen „NME“ so, die Peace bereits auf ihrem Cover platzierten – stolze Titelzeile: „finest british debut of the year“. Was hat es also auf sich mit dieser Band mit dem hippieesk-plakativen Namen?

Auch wenn im schwer rückwärtsgewandten Popzirkus der Nullerjahre das Zitieren und Kopieren der musikalischen Vergangenheit längst zum Standard geworden ist, scheint es dennoch eine besonders ausgeprägte und, nun ja, „unschuldige“ Form von Nostalgie zu sein, die die Band aus Birmingham umtreibt. Beim Interview mit dem Musikexpress wird diese Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die in den Augen von Sänger Harry Koisser und dessen Bruder Sam ganz einfach „aufrichtiger, eleganter und einfacher zu leben“ war, besonders deutlich.

Ob es nun die Skepsis ist, mit der die Band dem Internet gegenübersteht, Harry Koissers muffeliger Hippieledermantel samt Kunstfell, die blonde Robert-Plant-Gedächtnismatte von Schlagzeuger Dom Boyce oder das Paisley-Hemd, in dem Leadgitarrist Doug Castle beim Mitternachtsgig auf der Bühne des Berliner Magnet-Clubs steht – all das könnte in seiner naiv-offenherzigen Symbolträchtigkeit nicht tiefer in der Vergangenheit verhaftet und nicht weiter von den Posen kontemporären Hipstertums entfernt sein.

So wirkt denn auch das Album des Quartetts im Vergleich zu den ausgefuchst-konzeptionellen Debüts von Django Django oder Alt-J fast ein wenig aus der Zeit gefallen. Auch wenn Peace mit Stücken wie „Wraith“ beweisen, dass man etwa den funkig angehauchten Groove der Foals durchaus im Repertoire hat, sind die zwei bestimmenden Koordinaten von IN LOVE doch ganz andere: Ein gehöriger Schuss 60er-Jahre-Psychedelia verbindet sich dort auf schlüssige Weise mit jener „klassischen“ Brit-Pop-Soundästhetik, wie sie von Bands wie Ash oder Kula Shaker in den 90ern gepflegt wurde.

Aber da ist noch viel mehr: Die Stone Roses schimmern immer wieder durch, in „Waste Of Paint“ wird eine süßlich-hallige Gitarre, wie wir sie von The Cure so gerne hören, in einen monströsen Sixties-Groove eingebettet, bevor die Band mit „Toxic“, das eine tolle B-Seite des Strokes-Debüts IS THIS IT sein könnte, doch noch im 21. Jahrhundert ankommt.

„Wir haben versucht, die Songs so unbewusst und einflussneutral wie möglich auszuarbeiten, um uns dadurch eine gewisse Natürlichkeit zu bewahren“, sagt Koisser und bringt damit den Phrasenmäher natürlich auf Hochtouren. Dennoch: Wenn es derzeit eine Revival-Band gibt, der man die „Natürlichkeit“ im Sound und im Auftreten wirklich gerne abnimmt, so sind das wohl die herrlich unbedarften Peace.

Albumkritik S. 88

Die Namenswahl kam bei Bekannten weniger gut an: „Es gab niemanden, der einfach nur sagte: Oh, cool! Jeder hatte etwas daran auszusetzen.“

Für den Radiosender BBC 1 coverte die Band Justin Biebers „Beauty And A Beat“.

Der Hype in Britannia ist noch nicht zu Peace durchgedrungen. „Wir waren auf dem Land und haben unser Album aufgenommen. Da bekommt man nicht viel mit“, sagt Bassist Sam Koisser.

Klingt wie: The Move, The Stone Roses, Ash