EM-Eröffnungsfeier: Bunter Bocelli und Bono als digitaler Dschinn
Während der italienische Tenor-Sänger im Stadion für Emotionen sorgte, kam die offizielle Hymne des Turniers (fast) komplett aus dem Computer.
Die Fußball-Europameisterschaft 2021 ist offiziell eröffnet. Das Turnier, das zum 60. Jubiläum in gleich mehreren Nationen ausgetragen wird, startete am Freitag (11. Juni) im Stadio Olimpico in Rom mit einer pompösen Einführungsfeier.
Während eine Militärkapelle mit stolzen Pferden auf dem Rasen „Wilhelm Tell“ von Gioachino Rossini anstimmt, spielen Schlagzeuger wie Marionetten an Seilen befestigt und vom Stadiondach hinabgelassen. Bunte Bälle mit Nationalflaggen schweben in der Luft. Italienische Folklore, kein europäisches Kultur-Mash-Up.
Ohne Kitsch geht es nicht
Im Anschluss bringt Tenor-Sänger Andrea Bocelli im Azzurra-Zwirn und mit seinem sicher schon Hunderte Male gesungenen „Nessun dorma“ von Giacomo Puccini (aus der Oper „Turandot“) die 14.000 Menschen, die ins Stadion gelassen wurden, zum Aufstehen.
Da tropft auch dem Fußball-Puristen die Träne aus dem Knopfloch, ist das Stück doch schon in zahlreichen Casting-Shows (Stichwort Paul Potts) zu hören gewesen. Dazu stehen Gladiatoren fast bewegungslos hinter ihm in Stellung, eine Ballerina steigt in die Luft. Ohne Kitsch geht es eben nicht. Der konzentrierte Prunk olympischer Eröffnungszeremonien geht UEFA und FIFA ja seit jeher ab.
Der mit Spannung erwartete Auftritt von Bono und The Edge mit DJ Martin Garrix, der als virtuelle Präsentation angekündigt wurde, überrascht mit einem zunächst abwesenden Bono. Aus einem Playstation-Stadion unterhalten der fröhlich Gitarre schwingende Edge und der grinsende holländische DJ am Keyboard, während der U2-Sänger nur vom Band zu hören ist. „We Are The People“.
Später fällt er dann doch ins Bild, wie ein mosaikartiger Dschinn oder vielmehr die Alice-im-Wunderland-Grinsekatze digital ins Szenario geschnitten.
Zusammen im Stadion
Immerhin wird das Lied nicht vom bräsigen Stadion-Sound erniedrigt. Der pathetische Text adressiert zwar nur nebenher die in Pandmie-Zeiten erwünschte Euphorie im Stadion, aber angesichts einer Welt aus Kontaktverboten appelliert es schon rührend an ein Gefühl, das eben zum Fußball dazugehört: sich gemeinsam in den Armen liegend bei Siegen zu jubeln oder bei Niederlagen zu trösten.
Passend dazu die eingeblendeten Bilder von feiernden Fußballspielern und glücklich kickenden Kindern. Geschenkt, dass sich The Edge mit seiner Gitarre nur freundlich agil im Takt der Keyboard-Parts bewegt. Das ist dann doch reichlich hüftsteif und vorsichtig.
Es passt aber womöglich zu einem Turnier, von dem niemand weiß, ob es wirklich europaweit für die dringend benötigten positiven Emotionen in Krisenzeiten sorgt, oder möglicherweise vom Coronavirus doch gezeichnet wird.