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9 DDR-Platten, die man auf dem Schirm haben sollte


Eine schwer subjektive Liste, die keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit erhebt – here we go.

Als die Mauer fiel, damals vor 35 Jahren, war plötzlich alles nichts mehr wert. Der Trabbi nicht, auf den man lange Jahre hatte warten müssen, die heiß ersehnte Wohnung im Plattenbau nicht, die volkseigenen Betriebe nicht und erst recht nicht die Produkte des VEB Deutsche Schallplatten Berlin mit seinem Label Amiga. Im Rückblick kann man feststellen, dass im Spannungsfeld zwischen real existierendem Kulturbetrieb und einem trotzigen, mal ignorierten, mal Stasi-überwachten Underground doch auch ziemlich klasse Musik entstanden war. Diese Musik erschien bei der alternativlosen Amiga, aber oft auch gar nicht oder erst nachdem die Mauer gefallen war. Eine schwer subjektive Liste, die keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit erhebt, aber trotzdem nicht ganz auf die Puhdys verzichten kann.

Urst wichtig

O.S.T. – DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1973)  

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Der Kult, den es bis heute um den Heiner-Carow-Film gibt, entstand zum einen deshalb, weil er in der DDR nicht mehr gezeigt wurde, als die Hauptdarsteller:innen Angelica Domröse und Winfried Glatzeder in den Westen abgehauen waren, zum anderen am wundervollen Liebesfilm selbst – und nicht zuletzt an Songs wie „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“, die zwar die Puhdys einspielten, aber von der Filmmusik-Legende Peter Gotthardt geschrieben wurden und ein diffuses, aber weit verbreitetes Gefühl von Ausbruchssehnsucht in Form gossen. 

4 Sterne

Klaus Renft Combo – KLAUS RENFT COMBO (1973)

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Es war doch nur Bluesrock. Aber es machte die Staatsmacht unheimlich nervös. Rock’n’Roll als großes Freiheitsversprechen, als wandelnde Verweigerungshaltung, als Normbrecherin, das funktionierte Anfang der Siebzigerjahre noch ganz gut überall auf der Welt. Aber vielleicht nirgendwo so prächtig wie in der DDR, die sich auf Normen verstand und zwei Jahre nach diesem Debüt genötigt sah, die Klaus Renft Combo zu verbieten und zwangsaufzulösen, so dermaßen sägten die Gitarren an den Nerven der Obrigkeit. Yeah, das war Rock, der sich traute „Arsch“ zu sagen, wie in der frühen Single „Zwischen Liebe und Zorn“, die nicht auf diesem Debütalbum enthalten ist, aber eine Haltung auf den Punkt bringt, die sich auch hier durch die poetischen, aber jederzeit auf die Realitäten beziehbaren und so dann doch schwer politischen Texte von Gerulf Pannach zieht.

5 Sterne

Pankow – AUFRUHR IN DEN AUGEN (1988)

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Ob Pankow tatsächlich die Rolling Stones der DDR waren, soll mal dahingestellt bleiben. Aber tatsächlich transportierte keine andere Band das Unbehagen mit dem grauen, provinziellen Alltag des Landes so ungebrochen in den offiziellen Kulturbetrieb. Allein das Wort „Aufruhr“ besaß die Macht, Kulturfunktionäre in Panik zu versetzen, und im schnoddrigen Vortrag von André Herzberg schwang immer die hochgezogene Oberlippe von Sid Vicious mit. Im grandiosen „Langweile“ schließlich wurde unverhohlen wie selten das SED-System beschrieben: „Das selbe Land zu lange geseh‘n / Die selbe Sprache zu lange gehört / Zu lange gewartet, zu lange gehofft / Zu lange die alten Männer ­verehrt.“

5½ Sterne 

VA: Kleeblatt No 23 – DIE ANDEREN BANDS (1988)

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Kurz vor seinem Ende stellt das Land fest, dass es da noch Musik jenseits des offiziellen Kulturbetriebs gibt. Die Ratlosigkeit manifestiert sich im Titel der Amiga-Compilation: DIE ANDEREN BANDS zeichnete vor allem aus, dass sie die zum Auftreten eigentlich nötige offizielle Spielerlaubnis nicht besaßen. Von den vier hier vertretenen werden Feeling B Geschichte machen als Vorläufer von Rammstein, Sandow bis heute tapfer Underground bleiben, während man von Hard Pop und WK 13 nie wieder etwas hörte. Der Begriff „Die anderen Bands“ aber überlebte die DDR und steht bis heute für ihren Underground. Und Sandow hätte sich mit ihrem „Born In The G.D.R.“ (1988), der nicht auf dem Kleeblatt-Sampler vertreten war, eigentlich einen eigenen Eintrag auf dieser Liste verdient.

5½ Sterne

Weltniveau

Manfred Krug – DAS WAR NUR EIN MOMENT (1971)

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So wunderweich tropft die Musik, die sich nicht entscheiden kann, ob sie schon Chanson sein möchte oder doch lieber Swing bleiben will, und dann setzt Manfred Krugs Stimme ein, und aus jeder Pore dieses Gesangs tropft die selbstbewusste Botschaft: Das ist ein Star. Ein Tom Jones mindestens, ein Manilow, ein Sinatra gar, ach was: ein Krug. Günther Fischer legt mit seiner Band, mit vielen Trompeten und Posaunen, ein bisschen Bossa und unheimlich viel Musikalität einen versierten Jazz-Teppich aus, auf dem sich der Schauspieler Krug inszenieren kann als großer Verführer und Versteher, als moderner Mann und altmodischer Charmeur. So mausgrau die DDR sein mochte, so lebendig sind diese Songs, so lustvoll und im besten Sinne hedonistisch und damit eben auch ein klein wenig rebellisch.

6 Sterne

Gerhard Gundermann – MÄNNER, FRAUEN UND MASCHINEN (1988)

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Es dauerte bis zum Biopic von Andreas Dresen, dass der singende Baggerfahrer aus der Lausitz endlich seine gesamtdeutsche Würdigung als einer der großartigsten Rock-Lyriker deutscher Sprache erhielt. Sein Debütalbum mit Klassikern wie „Hoy Woy“, einer Hymne auf – of all places –Hoyerswerda, war eine selbstbewusste Feier von Klassenbewusstsein und Arbeiterstolz, die aber in der späten, längst bleiern gewordenen DDR zur oppositionellen Haltung geriet.

4½ Sterne

Ornament & Verbrechen – ON EYES (1990)

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Die Band, von der in der DDR sehr viele gehört hatten, ohne sie je gehört zu haben. Eher Idee als Band, eher Phänomen als Projekt, Legende allein schon wegen des Namens. Später entwickelten sich aus Ornament & Verbrechen solche Bands wie Tarwater oder To Rococo Rot, aber schon hinter der Mauer hatte die Formation um die Brüder Robert und Ronald Lippok mit selbst gebauter Elektronik und Punkattitüde experimentiert, beständig die Besetzung gewechselt, Kassetten aufgenommen und bei Ausstellungen und in besetzten Kellern gespielt. Erst 1990 konnten O&V, denen man immer anhörte, dass sie die Neubauten und Throbbing Gristle kannten, ein erstes reguläres Album herausbringen. Selten klang Avantgarde so unverstellt und selbstverständlich.

4½ Sterne

Schau

Die Sputniks + Franke-Echo-Quintett – DIE FRÜHEN JAHRE (1982)

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Welche Faszination die Beat-Musik in den frühen Sechzigerjahren besaß, bewiesen Hunderte von Amateurbands, die sich in der DDR gründeten und – meist instrumental – den britischen Vorbildern wie The Shadows nacheiferten. Zu den bekanntesten zählten Die Sputniks, die allerdings die kulturelle Eiszeit nach dem 11. ZK-Plenum 1965 wie die meisten Beatbands nicht überlebten, und das Franke-Echo-Quintett, dessen Bandleader Dieter Franke die planwirtschaftlich bedingte Knappheit an coolen Instrumenten konterte, indem er als Elektromechaniker E-Gitarren aus Mandolinen fertigte. 1982 veröffentlichte Amiga, die politischen Wogen waren geglättet, eine Split-LP mit beiden Bands. Die waren, wie es der Klappentext formulierte, „klingende Repräsentanten einer Übergangsperiode, die freilich schon vom Tagesschlager wegführte“. Äh, ja, wahrscheinlich irgendwie auch, aber wie das Franke-Echo-Quintett mit durchgedrehten Bläsern das „Ungarische Hirtenlied“ verhackstückt, ist einfach ziemlich geil.

4 Sterne

Wenzel – STIRB MIT MIR EIN STÜCK (1986)

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Im Untertitel steht „Liebeslieder von Wenzel“, und das ist auch ganz richtig so. Aber Hans-Eckardt Wenzel hat keine „Flugzeuge im Bauch“ wie jemand zwei Jahre zuvor auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, sondern diese Liebeslieder erzählen von Verzweiflung, Rotweinsuff, von Herbstlaub und einsamer Nacht. Und berichten damit auch vom radikalen Rückzug in die ganz private Selbstzerstörung, die als Reaktion auf die Verhärtung des real existierenden Sozialismus retrospektiv auch als politischer Akt interpretiert werden kann. 1990 wird Wenzel zusammen mit Steffen Mensching und dem allerletzten Defa-Film „Letztes aus der Da Da eR“ ein Land zu Grabe tragen. Hier gelingen ihm bloß so dunkelschöne Liebeslieder, wie es sie bis dahin und seitdem kaum in deutscher Sprache zu hören gibt.

5 Sterne

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