Mark Knopfler
Name: Knopfler Vorname: Mark Geburtstag: 12.8.1949 Geburtsort: Glasgow Augenfarbe: Blau Unveränderliche Kennzeichen:
Schütteres Haar, zeitweise Stirnband. Unaufdringliches Benehmen, schwieriger, weil zu ruhiger Gesprächspartner, Hifi-Freak und seit 1977 der einzige plektrumlose Gitarrenheld der Rock-Neuzeit. Gefragter Produzent, Gastgitarrist und Filmmusik-Komponist. Uneingeschränkter Kopf der Dire Straits, die sich zur Zeit auf der längsten Welttournee ihrer Geschichte befinden.
ME/Sounds: Ich habe noch nie von einer derart langen Tour gehört. Ihr wollt wohl gewaltsam einen neuen Rekord aufstellen…
Knopfler: „Nein, nein. Das war uns gar nicht bewußt zu Anfang. Es ist das gleiche wie mit Wembley: Wir wollten bestimmt keinen neuen Rekord für die meisten Konzerte in Serie dort aufstellen. Obwohl es natürlich ein tolles Gefühl ist, ein gutes Heimspiel zu geben – so wie für jedes Fußballteam. (Lachen) Wir wollten einfach ungern im Stadion spielen. (Stattdessen spielten sie in der kleineren Wembley Arena.) Wir hätten 80.000 Leute ins Stadion packen können, aber ich dachte, es sei besser, lieber zehnmal für 8.000 Leute zu spielen. Zu guter Letzt wurden’s dann 12 Gigs – und wir hätten noch ein paar drangehängt, wenn nicht Kanada auf dem Tourplan gestanden hätte.
Es ist dufte, den Rekord in Wembley zu halten, denn wie Fußballer Alan Ball jetzt sagen würde: ,Das ist der Traum eines jeden Schuljungen, nicht wahr?‘ (Lacht) …
Ist das wirklich die längste Tour?“
ME/Sounds: Eine andere Frage taucht in diesem Zusammenhang auch noch auf: Wie sieht euer Privatleben aus bei solch einer Mammut-Tour? Are the wives okay, when the guys go away for a year and a half?
Knopfler: (Singt) “ Are the wives okay, when the guys go away?“ – an dieser Zeile ist was dran. (Lacht) Nein, es ist natürlich nicht okay. Lourdes (Marks Frau) ist hier; sie schläft noch. Es ist das gleiche Problem: Wenn wir vier Abende am gleichen Ort spielen, dann ist alles klar. Heißt es aber nach dem Gig, nichts wie rein in den Bus, dann funktioniert das nicht so gut. Wenn ich mir dann Lourdes so anschaue im Bus, dann kriege ich das Gefühl, als ob ich sie mit Gewalt mitschleifen würde. Aber wenn wir ein paar Tage in einer Metropole wie Paris sind, ist es natürlich großartig, einfach super. Du kriegst ein anständiges Zimmer mit ’nem Doppelbett und kannst dir’s für eine Weile gutgehen lassen.“
ME/Sounds: Okay, etwas anderes: Waren die drei folgenden Songs „Brothers In Arms“, „Ride Across The River“ und “ The Man ’s Too Strong“ auf eurem letzten Album eigentlich Teil eines zusammenhängenden Konzepts, einer Suite oder etwas in der Art? Die Hauptthemen Krieg und Folter ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Songs.
Knopfler: „Du hast recht. Ich wollte eine wirklich ernsthafte, tiefschürfende Platte machen (lacht), auf der es noch mehr Stücke in dieser Richtung geben sollte. Aber es ist nichts daraus geworden. Ich verwarf die ganze Idee mehr oder weniger und schrieb die anderen Songs erst gar nicht. Es wäre irgendwie zuviel des guten gewesen.“
ME/Sounds: Kannst du ein Urteil über die Qualität deiner eigenen Texte abgeben? Die drei genannten Songs scheinen viel lyrischer als zum Beispiel „So Far Away“ oder „Why Wrong“, in denen du eher die konventionelle Boy/Girl-, Sunshine/Rain-Thematik aufgreifst.
Knopfler: „Für manche Songs brauche ich viel länger als für andere. „Brothers In Arms“ war solch eine schwere Geburt; andere wieder gehen ruck-zuck. Ich wäre ein Lügner zu behaupten, man könne nur im Schweiße seines Angesichts und von Agonie gequält gute Songs schreiben; manchmal ist es geradezu lächerlich einfach.
Wenn etwas so einfach ist, geht es natürlich meist im Handumdrehen – aber du mußt das Ganze ja schließlich noch aufnehmen. Und das ist dann der springende Punkt. Das kann in so einem Fall ewig dauern, viel länger als man dachte. Ein aus dem Ärmel geschüttelter Song ist im Studio oft ein harter Brocken. Oder umgekehrt!“
ME/Sounds: Ich erinnere mich an ein Interview mit Jerry Wexler, in dem er über seine Produzententätigkeit für Communique sprach und betonte, daß er das Dire Straits-Rezept in keinster Weise beeinflussen wollte. Fühlt ihr euch eigentlich gezwungen, nun für immer dem typischen Dire Der Schauplatz: die Terrasse des Intercontinental Hotels in Budapest, mit Blick auf die wogenden Buda-Hügel und das malerisch darin eingebettete königliche Schloß.
Der Künstler: im grauen Anzug, die Augen hinter dunklen Sonnengläsern versteckt, das Haar etwas gelichtet, aber noch immer wirr und ungekämmt. “ Bin gleich o. k.“, murmelt er, während er angestrengt gestikulierend versucht, Kaffee zu bestellen. Doch so ganz o.k. ist er eigentlich nie, wenn es um Interviews geht.
Dies war mein drittes Treffen mit dem Dire Straits-Boß. Und wenn es diesmal etwas unkomplizierter verlief, dann nur, weil ich es bis dato gelernt hatte, mich von den langen Pausen und seinem Zeitlupentempo nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Um einen lebensnahen Eindruck dieses Interviews zu bekommen, sollte der Leser eigentlich einige Tage (und Nächte) durchmachen, dann ein paar Valium einpfeifen und sich schließlich dieses Interview laut vorlesen.
Als ich am Budapester Flughafen ankomme, will mich die Visa-Dame nicht einreisen lassen. Anscheinend verheißt das Wort „Journalist“ auf meinem Anmeldeformular nichts Gutes. Ob ich denn eine offizielle Einladung der ungarischen Regierung habe? Natürlich habe ich nicht. Mit einem Kollegen bespricht sie das Für und Wider. Schließlich knallt sie mir einen anderen Anmeldewisch vor die Nase. „O.k., füllen Sie das aus und vergessen Sie diese Journalisten-Geschichte!“ Also schreibe ich “ Werbung“ in das Kästchen für den Beruf.
“ Sehr gut.“, sagt sie und- nachdem sie das Formular mit dem offiziellen Stempel abgesegnet hat- fügt hinzu: „Und jetzt fehlen uns nur noch zwei Karten für das Konzert. Alles klar?“ (sl) Straits-Soundzu huldigen?
Knopfler: „Ich habe nicht das Gefühl, als wäre ich dem auf irgendeine Weise verpflichtet. Ich bin verpflichtet, so gut wie möglich zu spielen. Immer. Wirklich immer! So wie jeder in der Band. Aber das ist auch schon alles. Ich würde diese Verpflichtung falls sie existierte – als sehr beengend empfinden. Sicher, gewisse Leute halten diese Methode für eine Möglichkeit, einen Haufen Geld zu scheffeln. Aber im Musikgeschäft erkennst du ziemlich schnell, welche Leute es um jeden Preis schaffen wollen; und wenn sie eine Masche gefunden haben, die sich gut verkauft, tönen sie lauthals (amerikanischer Akzent): ,Das ist es Alter! Mach so weiter! Hell, you just keep doin‘ what the hell you ‚re doin‘! Das interessiert mich nicht die Bohne.“
ME/Sounds: Ist das „Band-Gefühl“ noch so stark wie am Anfang?
Knopfler: „Ich empfinde es stärker denn je. Nur so können wir locker an eine Tour wie diese rangehen. Unser Konzept ist das einer konstanten, echten Weiterentwicklung. Wir wollen nicht um der puren Veränderung willen etwas Neues bringen. Jeder wurde sehr sorgfältig ausgewählt. Wir kennen uns durch und durch und haben ein fantastisches Gefühl miteinander als Band.“
ME/Sounds: Wieviele der Drum-Tracks auf Brothers In Arms stammen eigentlich von Omar Hakim?
Knopfler: „Oh, eine Menge.“
ME/Sounds: Gab es einen triftigen Grund, ihn der Band vor die Nase zu setzen?
Knopfler: „Er war einfach der Richtige, um die Stimmung in einigen Songs genau wiederzugeben. Ich wollte seinen Sound dafür.“
ME/Sounds: Aber jetzt, live, spielt Terry Williams an Omars Stelle.
Knopfler: „Ja, so ist es. Yeah, hmmm. Das ist eine lustige Geschichte, weil ich es war, der Omar den Gig mit Sting verschaffte. (Der Ex-Weather Report-Drummer ist jetzt ein Mitglied von Stings Touring Band, und der Kontakt kam bei einer gemeinsamen Arbeit von Sting und den Dire Straits zustande.) Ich freue mich darüber. Letzte Woche trafen wir in Montreux mit Stings Band zusammen. Witzig, weißt du noch, die erste Frage dieses Interviews, über die Länge unserer Tour?… Sting und ich waren vor ein paar Monaten zusammen essen, in London. Ich erzählte ihm von unserer Tour und er sagte: ,Du verdammter Idiot!‘ (Lacht) Na, gestern habe ich gesehen, wie lang seine Tour ist – die hat gewaltige Ausmaße. Und während der Tour macht er noch einen Film darüber. Ein vielbeschäftigter Junge. Also, wenn du das jetzt liest, Sting du bist der verdammte Idiot! (Lacht) Sting hat ’ne Menge Soul. Ich mag ihn sehr.“
ME/Sounds:Haöen sich dir durch die diversen Sessions mit anderen Musikern neue Methoden und Möglichkeiten zum Songschreiben eröffnet?
Knopfler: „Ja, glaube ich schon. Ich halte das sogar für den größten Bonus der Arbeit mit anderen Musikern. Durch jede Zusammenarbeit kann man etwas lernen; bei mir geht das nur etwas langsam. Ich brauche lang, bis ich eine Sache verdaut
habe. Aber dann eigne ich mir durchaus dieses oder jenes an.
Bei meiner letzten Zusammenarbeit mit Bryan Ferry etwa stellte ich fest, daß er genau umgekehrt an die Sache rangeht wie ich: Er läßt erst mal den musikalischen Groove entstehen – exzellenter Sound mit Spitzenmusikern. Dann erst schreibt er die Texte, er entwickelt sie aus diesem Groove heraus – der Text kommt also nachher. Das ist genauso legitim, genauso kreativ.“
ME/Sounds: Deinen Gitarrensound kann man eigentlich aber nur unter Aufbietung äußerster Fantasie mit Ferrys Musik in Verbindung bringen. Das Gleiche gilt für deine Zusammenarbeit mit Scott Walker…
Knopfler: „Mir hat es auch mit Scott großen Spaß gemacht. Es war ganz schön abgefahren. Und wieder ganz anders. Ich hab’s verstanden – glaub‘ ich. Und wenn mich eine Session nicht unbedingt vom Hocker reißt, dann wird mir wenigstens wieder bewußt, wie sehr ich hinter unserer Sache stehe. Jedesmal wenn ich für einen Film-Soundtrack oder so .fremdgegangen‘ bin und wieder zur Band zurückkomme, dann – oh, Gott, das klingt jetzt furchtbar bescheuert, ich weiß-(lacht) freue ich mich wie ein kleiner Junge. Da denke ich immer: ,Yeah, das ist es einfach für mich.'“
ME/Sounds: Warum verkaufen Dire Straits eigentlich weltweit die meisten Compact Discs?
Knopfler: „Weiß nicht. (LangePause)… Irgendwie werden wir immer mit gutem Sound in Verbindung gebracht. Es hat wohl damit zu tun, daß wir bei drei oder vier Platten das Glück hatten, mit wirklichen Tonkünstlern am Mischpult zu arbeiten, deshalb klingen die Platten gut. Ich spreche jetzt nicht über die Qualität der Musik – dazu kann ich eigentlich nichts sagen – aber die Meinung scheint verbreitet zu sein, daß unsere Musik gleichzusetzen ist mit guter Soundqualität. Die Typen von den CD-Fabriken haben uns z.B. erzählt, daß sie für Klang-Demonstrationen auf unsere Platten zurückgreifen.“
ME/Sounds: Aber im Moment ist CD doch wohl noch einer bestimmten Einkommensgruppe vorbehalten…
Knopfler: „Das ist richtig, aber gestern abend habe ich mich mit dem Erfinder der ganzen CD-Geschichte unterhalten, dem Philips-Typen. Und der hat mir geflüstert, daß es momentan nur noch um die Kosten für ein paar kleine Chips geht, und dann wird der Preis drastisch sinken. Das war das erste, was ich ihn gefragt habe. CD wird ungefähr so populär werden wie der Walkman. Je mehr Leute scharf drauf sind und je mehr sie produzieren können, desto billiger wird das Ganze. CD ist das einzig Wahre, Mann. Ich fahr‘ total drauf ab. Kauf bloß keine altmodischen Platten mehr.“
ME/Sounds: Analysiert ihr eigentlich eure Konzerte – danach, backstage?
Knopfler: „Nein, eigentlich nicht. Am Anfang bemühen wir uns um einen guten Groove – und dann lassen wir’s einfach laufen.“
ME/Sounds: Verändert sich der Set über einen längeren Zeitraum hinweg?
Knopfler:“Es wird immer besser, straffer und besser. Man könnte es mit der Arbeit an einer Statue vergleichen, die nie wirklich vollendet ist. Und du kannst mehr darüber herausfinden, was du ursprünglich geschrieben hast. So kannst du dir über deine eigenen Möglichkeiten recht gut Klarheit verschaffen.“
ME/Sounds: Wird die permanente Wiederholung nicht mal zum Problem nach dem zweihundertsten Gig?
Knopfler: „Wiederholung? Na ja, stell dir vor, du spielst eine Rolle in einem Theaterstück, das auf der ganzen Welt aufgeführt wird. Ich finde, wir sind alle irgendwo Schauspieler – je länger du diese Rolle spielen würdest, desto mehr würdest du über ihren Charakter herausfinden. Du würdest sie nicht jeden Abend auf die gleiche Art und Weise interpretieren, sondern versuchen, sie auszuloten, an ihre Grenzen vorzudringen.
Der einzige Unterschied bei uns besteht darin, daß sich auch das Stück an sich ändert. Vielleicht hinkt der Vergleich etwas. Aber man schuldet es sich selbst, so gut wie irgend möglich zu sein. Und wenn uns irgendein Detail nicht mehr zusagt, wird es gestrichen. Wenn etwas nicht mehr richtig zündet, wird uns das allen früher oder später bewußt. Kommt eine Sache dagegen gut an, arbeiten wir sie aus und machen sie letztendlich vielleicht zu einem der Höhepunkte unserer Show.“
ME/Sounds: Kannst du deine Entwicklung als Solist eigentlich genau abschätzen?
Knopfler: „Abschätzen?“
ME/Sounds: Im Sinne von: ‚1981 stand ich als Gitarrist da und jetzt bin ich hier!‘ Zeichnet sich da für dich eine gewisse Linie ab?
Knopfler: „Das schon. Das musikalische, technische Wissen nimmt allmählich zu. Und mit einer guten Band ist man entspannter. Einige der früheren Bands dagegen… Wenn man eine gewisse Art von Leuten in der Band hat, kann das in unglaubliche Arbeit ausarten. Ich hatte schon öfter mit Leuten zu tun, die nicht das leiseste Interesse an der Band hatten; es kostet dann immense Energie, um trotzdem gute Musik zustande zu bringen.
Wenn dagegen in der Band alles läuft wie geschmiert, dann ist man lockerer und hat mehr Raum, seine Kreativität zu entfalten. An manchen Abenden bin ich immer noch erschöpft, aber früher war ich regelmäßig fix und fertig von der Anspannung, den Gig durchzuziehen. Das ist übrigens eine von Terry Williams‘ Qualitäten: Seit er hinter den Drums sitzt, kann ich unsere Gigs wieder genießen wie nen Sonntagsausflug. Ich bin einfach besser drauf.“
ME/Sounds: Du hast im Lauf der Zeit mal dieses, mal jenes Mitglied der Band ausgetauscht – das musikalische Level der Gruppe ist dadurch wesentlich gestiegen. Aber was ist mit Bassist John Illsley, der wie jemand mal feststellte – nicht gerade ein Jaco Pastorius ist…
Knopfler: „Ich war immer sehr zufrieden mit dem, was er zu unserem Sound beigetragen hat. Er hat unwahrscheinlichen Rhythmus und einen fantastischen Sound, wenn du mich fragtst. Einen dichten, runden, soliden Sound und eben dieses untrügliche Rhythmusgefühl – ein Gespür für das gesamte Klangbild der Band. Einige der besten Bassisten der Welt haben mir gesagt, wie sehr sie auf John abfahren. Er erzielt einen weit besseren Effekt als viele dieser sogenannten Monster-Bassisten. John demonstriert für meine Begriffe jedesmal, wie ein Baß gespielt werden sollte.“
ME/Sounds: Du meinst also, jedes Instrument hat seinen Platz…
Knopfler: „Yeah, so ziemlich … Ich hasse Baß-Soli, du nicht? Auch Schlagzeug-Soli kann ich nicht ab.“
ME/Sounds: Du glaubst also nicht, daß dein Gitarrenspiel in diese Richtung tendiert?
Knopfler: (Sehr ablehnend) „Neiiiin! Ganz und gar nicht. Ich seh es überhaupt nicht in diesem Zusammenhang.“
ME/Sounds: Ich erinnere mich an ein Interview in einem Musikmagazin, in dem du mit Django Reinhardt verglichen wurdest. ..
Knopfler: (Jetzt ziemlich wütend) „Das ist doch absolut lächerlich! Lächerlich, daß so etwas überhaupt geschrieben wird. Ich wollte gerade sagen, wenn ich zum Beispiel ein Album von Django Reinhardt höre, dann halte ich das für echte Virtuosität. Er konnte sich mit seiner Gitarre hinsetzen und spielen; und das war dann auch alles, was er brauchte.
Aber mich mit ihm zu vergleichen… das ist einfach dumm! Und ich finde auch, daß so etwas unfairen Druck auf mich ausübt. Ich höre und sehe keine Ähnlichkeit zwischen ihm und mir. Ich wäre ganz glücklich gewesen, wenn ich vier oder fünf Jahre mit Chet rumhängen und lernen hätte können. Er ist jetzt sechzig, weißt du, und sieht nicht danach aus. Er ist ein Gitarrist in Vollendung.
Chet Baker würde bestimmt sagen, ich hätte keine Ahnung von dem, was ich spiele. Und so ist es ja auch! Ich gehe nach dem Gehör – wie ein Amateur, der keine Noten lesen kann und noch fast keine Ahnung von Musik hat. Und das, was ich weiß, ist so eine Art selbst zusammengebrauter Eintopf. Meistens fühle ich mich nicht mal halbwegs als Gitarrist.
Mich nervt einfach all das Geschwafel von Virtuosität. Ich mag es nicht, wenn mit solchen Begriffen leichtfertig umgegangen wird. Denn dadurch wird Leuten wie Django nicht mehr der Tribut gezollt, der ihnen gebührt.“
ME/Sounds: Denkst du, Rock sollte sich als Musikrichtung weiterentwickeln?
Knopfler: „Ich setze mich normalerweise nicht mit Fragen auseinander, die Musik als solche in gewisse Schubladen sperren wollen… ,Rock‘, .musikalische Form‘ und so weiter, das sagt mir nichts… Ich glaube, das dient auch der Musik nicht sonderlich. Denn damit wird die Musik zu etwas Theoretischem – und was ist ,Rock‘ denn eigentlich? Ich möchte jetzt nicht exzentrisch klingen, aber was verstehst du darunter? Und was meinst du mit Weiterentwicklung?“
ME/Sounds: Ich habe die Frage deshalb gestellt, weil du einerseits davon sprichst, als Musiker wachsen und soviel als möglich lernen zu wollen – und andererseits dann wieder so konservative Vorstellungen über die Rolle der Rhythm Section an den Tag legst. Eine Menge Leute halten die Dire Straits bestimmt für eine ziemlich altmodische Band…
Knopfler: „Okay. Einige meiner Songs, wie zum Beispiel ,Walk Of Life‘, unterscheiden sich in nichts von dem Material meiner Anfangszeit. Da ist nichts Neues dran außer den Keyboard-Sounds. Und das kommt auch nur daher, weil im Moment einige sehr interessante Keyboards auf dem Markt sind.“
ME/Sounds: Glaubst du, daß es zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte der Popmusik die optimale Band gegeben hat, zum Beispiel The Lovin‘ Spoonful oder die Band?
Knopfler: „Oooh no, oooh no. Weder noch . Ich habe die Band einige Male gesehen – und nur ein einziges Mal waren sie gut – als Opening Act für Bob Dylan auf der Isle Of Wight… Nein, nein, sowas wie eine vollkommene Band existiert nicht.“
ME/Sounds: Um nochmals auf die Frage der musikalischen Expansion zurückzukommen: Ich würde sagen, einige der Leute, mit denen du selbst gearbeitet hast, wie Scott Walker, Steely Dan oder Van Morrison, haben der Musikrichtung, die im allgemeinen als „Rock“ bezeichnet wird, durchaus neue Dimensionen eröffnet.
Knopfler: „Van dringt mit seinen Texten, den darin verborgenen Ideen sehr weit vor. ,Rave On, John Donne‘ ist exzellent. Wunderbare Ideen. Aber musikalisch bringt er meines Erachtens nichts Neues. Die Musik ist für ihn nur Mittel zum Zweck. (Irischer Akzent:) ,One chord, two chords, three chords.’… Ein Vehikel, seine Lyrics zu transportieren. Hmmm.“ (Lange Pause) ME/Sounds: Okay, wir müssen nicht an diesem Thema kleben bleiben. Wenn dich die Frage nicht interessiert, dann machen wir mit einer anderen weiter…
Knopfler: „Es ist nur sehr schwierig für mich zu verstehen, was du mit diesem Begriff der Expansion in der Musik meinst. Erstens glaube ich nicht an Schablonen in der Rockmusik. Und zweitens bin ich nicht der Meinung, daß irgendjemand wirklich neue Pfade in diesem Bereich eingeschlagen hat. Und wenn, dann nur um aufzufallen um jeden Preis. Und das meiste davon ist reif für den Müll.“
ME/Sounds: Irritiert es dich eigentlich, daß so viele der neuen Bands bei Liveauftritten auf Tapes zurückgreifen?
Knopfler: (Lacht) „Irritiert! Nein! Es ist einfach eine Qualitätsfrage. Wenn du mit einer Holzleiter, einer Malerbürste und einer Ukuleleaufdie Bühne gehen und die Leute eineinhalb Stunden unterhalten kannst okay! Ich will jeden Abend zweieinhalb Stunden Gitarre spielen – das befriedigt mich. Aber wenn die Leute drauf stehen, daß ihnen jemand was vom Cassettenrecorder vorspielt – auch okay. Ich persönlich tu’s nicht.“
ME/Sounds: John Illsley hat mir mal erzählt, daß ihr einen gemeinsamen Gig mit Duran Duran hattet, bei dem der Soundmann ihre Revox auf ein falsches Tempo eingestellt hatte. Infolgedessen versuchten Gitarrist und Bassist aufs Verzweifeltste, mit dem Tempo des Tapes mitzuhalten…
Knopfler: „Ja, sie spielten in drei verschiedenen Tonarten. Es war halb peinlich, halb belustigend. Aber: heutzutage kann in dieser Richtung jede Menge in die Hosen gehen. Unser technischer Apparat hat erschreckende Ausmaße. Bei 14 Keyboards auf der Bühne wundert’s mich, daß nicht mehr schiefgeht. Fünf Lastwagen voll technischem Kram… mir erscheint es immer als unglaubliches Glück, wenn wir einen Set hinter uns gebracht haben und alles noch funktioniert!“