Otto – Das Interview
Fast ein Vierteljahrhundert schon bringt er die Leute zum Lachen. Als Helge Schneider sein Katzenklo noch selber säuberte und die Doofen noch nicht mieften, war Otto Waalkes bereits zum Ostfriesischen Götterboten aufgestiegen. Und auch heute noch, in Zeiten zunehmender Nonsenskonkurrenz, hat der Vater aller Neuen Deutschen Blödler (NDB) als Großmeister des Gags einen festen Platz in der Hip-Parade des heimischen Humors.
Ein italienisches Restaurant an der Peripherie von Hamburgs vornehmem Stadtteil Blankenese. Schon ein kurzer Blick auf die Gäste verrät: Hier verkehren die sogenannten besseren Leute. Bis auf einen. Otto, 48 und kein bißchen leise, verteilt Autogramme an paar zufällig anwesende Kinder („Wie heißt Du? Maxim? Das tut mir aber leid.“), erfreut die Anwesenden dann und wann mit einem geknödelten „Ahaaa“ und ißt sich ganz nebenher durch die halbe Speisekarte. Keine Frage: Der Großmeister des Gags ist in allerbester Stimmung.
Wie redet man den 48jährigen Herrn Waalkes eigentlich an? Vielleicht mit „Herr Otto“?
Herr Otto klingt sehr gut, gefällt mir. Aber Sie dürfen „Otto“ zu mir sagen, Herr Reporter.
Otto? Find ich gut. Das paßt nicht nur als Antwort, sondern ist für Dich auch zur dauerhaften Sympathiebekundung geworden. In einem Deiner Filme hast Du ja sogar ein T-Shirt mit dieser Aufschrift getragen.
Das war Werbung.
Für den Otto Versand?
Nein, für mich! Der Otto Versand war so freundlich, die Werbemittel zur Verfügung zu stellen. Dafür dürfen die jetzt meine Ottifanten verkaufen.
Dann verscherbelt das Versandhaus also munter Deine Ottifanten-Artikel?
Ja, sicher, paßt doch gut zusammen. Schöner Zufall.
Die Ottifanten sind in Deinem Leben allgegenwärtig. Verfolgen Dich die Viecher eigentlich nicht schon langsam im Schlaf?
Ja, das ganze Schlafzimmer ist voll mit Ottifanten —- Ottifantentapete, Ottifantenbettwäsche, Ottifantenwecker…. Apropos Wecker: Sie gingen mir auf denselben. Deswegen bin ich ja auch ausgezogen.
Kein Wunder. Die Ottifanten vermehren sich ja auch wie die Karnickel, wobei sie allerdings jede Menge Kohle abwerfen.
Das ist eine unangenehme Begleiterscheinung, daß man damit soviel Geld verdient. Ständig ruft meine Bank an: „Herr Otto, Ihr Konto ist voll!“ Na ja, und wer muß es wieder leer machen? Ich natürlich!
Mein Beileid. Dann kannst Du morgens ja gar nicht in den Spiegel gucken, Dich auf einen sorglosen Tag freuen und denken „Otto? Find‘ ich gut“.
Wieso in den Spiegel? Ich muß doch nur auf mein T-Shirt schauen, und das trage ich auch im Bett!
Früher warst Du in Deutschland der unangefochtene Blödelkönig. Inzwischen aber ist in Sachen Nonsens ernsthafte Konkurrenz nachgewachsen. Helge Schneider…
…wunderbar.
…Rudiger Hoffmann?
…hervorragend.
…die Doofen?
…sensationell.
Tom Gerhardt?
…ausgezeichnet. Für mich sind all diese Talente Botschafter der guten Laune, die den Ruf des deutschen Humors in alle Welt tragen könnten. Leider versteht sie da draußen keiner —- eigentlich tragisch.
Nur Lob also für allgegenwärtige Mitbewerber wie Helge Schneider und die Doofen? Hattest Du bei derart starker Konkurrenz während Deiner langen Bühnenabstinenz nicht doch manchmal die Befürchtung, Du könntest irgendwann mal zum Auslaufmodell werden? Otto, das Auslaufmodell? Der Ausdruck gefällt mir gut. Deswegen bin ich doch wieder auf die Bühne gegangen, weil ich da mehr Auslauf hatte als in den Jahren davor.
Beim Film und im Fernsehen ist man sehr beengt durch Drehbuchvorlagen, Dialogpartner, feste Zeitpläne und so weiter.
Die Bühne also für Otto, das unermüdliche Zirkuspferd?
Wieso heißt es eigentlich „das Zirkus fährt“? Es heißt doch „der Zirkus fährt“. Egal. Der direkte Publikumskontakt ist für mich wie eine Droge —- du brauchst es einfach immer wieder.
Wie bist Du denn zwölf Jahre lang ohne diese Droge ausgekommen?
Die Wirkung jeder Droge läßt nach, wenn man sie zu lange nimmt. Ich hatte 13 Jahre Tourneeleben hinter mir und mußte mal mit neuen Medien experimentieren.
Hast Du jemals einen Otto-Film zusammen mit normalem Publikum im Kino gesehen?
Natürlich, alle. Und ich muß sagen, daß ich begeistert war. Ich fand mich sehr sehr schön. Otto, gut aussehend, so groß auf der Leinwand —- einfach fantastisch. Meine Begeisterung hat wohl alle anderen im Kino angesteckt. Jedenfalls waren meine Filme ein voller Erfolg.
Apropos Erfolg. Wie läuft denn Deine neue Platte? Bist Du zufrieden?
Ich bin nicht zufrieden, ich bin hoch zufrieden. Die Platte ist hoch in den Charts.
Wohl auch deshalb, weil es derzeit nicht viel zu lachen gibt in diesem unserem Lande. Auch das Fernsehen tut sich ja schwer mit dem Spaß, ernsthafte Bemühungen mal außen vor. Wie zum Beispiel findest Du Harald Schmidt?
Sensationell, ein großes Vorbild. Ich liebe ihn. Ich verehre ihn.
Die Leute, die ihn verreißen, verstehen also nichts von Humor?
Sie haben nur andere Vorstellungen von Komik. Was Harald Schmidt macht, ist reine Geschmackssache. Entweder dir gefällt ein Witz, oder er gefällt dir eben nicht. Ich jedenfalls muß über ihn lachen, aber ich habe auch schon über meine Steuererklärung gelacht.
Trotzdem ist Schmidt umstritten, ähnlich wie die vor einiger Zeit ausgestrahlte RTL-Serie mit alten Edgar Wallace-Filmen à la Otto.
Alle großen Ideen waren doch anfangs umstritten. Denken Sie nur an Galilei.
Trotzdem: Das Publikum war nicht übermäßig glücklich, was die Einschaltquoten ja deutlich dokumentiert haben. Du selbst hast einmal gesagt „Hier wächst zusammen, was nie zusammen gehört hat“. Haben die Zuschauer das vielleicht ähnlich gesehen?
Hauptsache, sie haben es überhaupt gesehen. Ich war angenehm überrascht, denn für mich war das Ganze ein ziemlich gewagtes Experiment — Otto und Kinski in einem Bild. Erstaunlich war aber, daß wir überproportional viele junge Zuschauer hatten. Die fanden die Serie gut, wie sie war. Für sie war es eben keine Freakshow für Wallace-Kenner.
Ein Freak ist in gewisser Weise auch Harald Schmidt.
…wie jedes große Talent. Doch darüber hinaus ist er scharfsinnig, witzig und intelligent. Ich liebe ihn, und am liebsten würde ich ihn heiraten.
Was ja wohl auch deshalb kaum funktioniert, weil Du schon lange verheiratet bist. Oder seid ihr inzwischen geschieden?
Nein, das lohnt sich nicht. Harald hat mir noch nicht sein Ja-Wort gegeben.
Wie kommst Du damit zurecht, daß Dein Privatleben vor aller Augen ausgebreitet wird?
Problemlos. Ich ärgere mich nur, daß es nicht jeder sehen kann, da es ja nur in der Regenbogenpresse steht und nicht täglich in der Tagesschau gesendet wird.
Kein Ärger also, keine Frustration über bestimmte Berichte, die schlicht und ergreifend an der Wahrheit vorbeigehen? Im Gegenteil. Ich bin froh, daß niemand die Wahrheit erfährt.
Aber die Wahrheit ist doch auch, daß Dich seitens der gesamten Nation große Anteilnahme begleitet. Dann zum Beispiel, wenn Du schwer verletzt nach einem Unfall in einem amerikanischen Krankenhaus liegst.
Es war ein bißchen viel Aufwand, diese Anteilnahme zu erreichen. Trotzdem fantastisch. Das hat meinen Heilungsprozeß enorm beschleunigt. Außerdem habe ich Schmerzensgeld bekommen. Jetzt kann ich mir endlich den Pullover leisten, den ich mir immer schon mal gewünscht habe.
Otto kann sich vom Schmerzensgeld einen Pulli kaufen? Mir kommen die Tränen. Du bist doch ein schwerreicher Mann.
Genau das wirft mir mein Manager auch immer vor, weil er einfach nicht darüber hinwegkommen kann, daß ich immer noch 75 Prozent seiner Einnahmen kriege.
Dann ist Deine Altersversorgung doch gesichert. Und da willst Du auch künftig noch wie ein wildgewordener Schrat über die Bühne hüpfen? Immerhin wirst Du in zwei Jahren 50.
Warum nicht? So lange es noch jemand sehen will, gerne. Ich kann ja nichts anderes.
Jede verkaufte Karte, jedes verkaufte T-Shirt oder Käppi, jeder Ottifant läßt die Kasse klingeln. Wie versteht sich der Clown Otto mit dem Unternehmer Otto?
Fragen wir doch mal den Schwindler Otto: Also, die beiden verstehen sich ausgezeichnet. Und der Konsument Otto kommt auch ganz gut zurecht -— ich bekomme immer genügend Taschengeld.
…was einem ja schon mal die eine oder andere Mußestunde ermöglicht -— beim Fußball beispielsweise. Hat denn Otto der Sportfan für die Kicker dieser Welt einen Tip parat, wie man beim Fußball das gewünschte Ergebnis erzielt?
Als Trainer würde ich den Jungs sagen: „Solange der Gegner noch 22 gesunde Beine hat, wird nicht nach dem Ball getreten. Solche Spielereien heben wir uns für die zweite Halbzeit auf!“
Auch Schallplatten zu hören ist ein rundum beliebter Zeitvertreib. Hörst Du zu Hause auch eigene Werke?
Aber selbstverständlich, nur.
Und was machst Du, wenn Du keine Otto-Platten hörst?
Dann lese ich Otto-Bücher.
Im Grunde Deines Herzens bist Du doch Musiker. Schon mit 14 hast Du in Ostfriesland mit der Amateurband „The Rustlers“ auf der Bühne gestanden. Wärst du heute lieber Rockmusiker?
Wenns der Komik dient, immer. Natürlich mit eigenen Texten zu den aktuellen Hits. Hör‘ Dir doch mal meine neue CD an. Darauf hat die Musik einen noch größeren Stellenwert als früher.
Trotzdem ist der Spaß, sind die Gags auf Deinen Platten das wichtigste Element. Nun fallen einem ja nicht jeden Tag die ganz großen Witze ein. Beschäftigst Du demzufolge einen oder mehrere Gagschreiber?
Für Otto kann man keine Gags schreiben. Otto kann man nur Anregungen geben. Und was das betrifft, treffe ich mich seit vielen Jahren mit einem dreiköpfigen Team aus der Neuen Frankfurter Schule, um neue Scherze aus dem Scherzbergwerk zutage zu fördern.
Was liegt denn derzeit so auf dem Förderband?
Worüber wir nachdenken, ist eine Verfilmung von Asterix und Obelix, wobei Gerard Depardieu den Obelix und ich den Asterix spielen würde. Aber diesbezüglich laufen noch Verhandlungen mit der französischen Filmfirma. Ein Drehbuch gibt es allerdings schon. Das gleiche gilt für eine Verfilmung der Nibelungen. Als Schauspieler würden Loriot und Gerhard Polt auch grundsätzlich zur Verfügung stehen. Aber ich habe mit Schülern gesprochen, und die sind von der Nibelungen-Thematik nicht sonderlich begeistert. Da hängt offenbar zu sehr der Geist alter Pennäler-Tage dran. Ganz anders als bei einem Projekt, über das wir ebenfalls nachdenken: eine Neuinszenierung des Faust. Otto gibt den Memphisto, mit Uwe Ochsenknecht zusammen. Und Angus Young von AC/DC spielt ‚Highway To Hell‘. Außerdem denke ich an eine Bibelverfilmung. Für die Hauptrolle lass‘ ich mir schon mal die Haare wachsen.
Früher oder später ist also wieder mit einem Film zu rechnen?
Sicherlich. Allerdings eher später als früher. Denn nächstes Jahr steht erst mal die große Jubiläumstoumee an -— 25 Jahre Otto.
Hast Du denn für derlei Aktivitäten überhaupt noch Zeit? Neulich zum Beispiel habe ich Dich im Kreis von anderen Prominenten als Zuschauer am Boxring gesehen. Gibt Dir das was, wenn sich da zwei schwitzende Muskelmänner gegenseitig auf die Fresse hauen?
Ja sicher. Ich find‘ es immer noch besser, als wenn sie mir was auf die Schnauze hauen. Außerdem hatte ich ’ne Freikarte. Und wenn ich so was bekomme, schaue ich mir auch ’ne Modenschau oder den Weltuntergang an.
Oder vielleicht auch ein Open-Air-Konzert? Im Münchner Olympiastadion hast Du ja mal mitten zwischen diversen Rockbands auf der Bühne gestanden. War das für einen Comedy-Künstler nicht ziemlich riskant?
Und ob! Fünfig-, sechzigtausend Bayern -— da weiß man doch nie, was alles passieren kann.
Was an Deinem 50. Geburtstag so alles passieren wird, kann man sich dagegen mit etwas Fantasie ganz gut vorstellen.
Du vielleicht, Du hast es ja schon hinter Dir. (Anmerkung der Redaktion: Hier irrt Herr Waalkes. Der Interviewer sah nach dem Gespräch mit Otto nur so aus!) Im Sommer 1992 schrieb Der Spiegel‘, Otto sei einmal „der infantile, aufsässige Hofnarr der antiautoritären siebziger Jahre“ gewesen, nun aber „nur noch ein rührend albernes Kind“.
Was hat ‚Der Spiegel‘ gegen Kinder? Was haben die Kinder gegen den ‚Spiegel‘? Warum können nicht Friede und Eintracht herrschen auf Erden?
Friede hin, Eintracht her. Hattest Du im Laufe Deiner Karriere schon mal eine ernsthafte künstlerische Krise?
Nicht nur eine, jetzt zum Beispiel bin ich gerade in einer tiefen Glaubenskrise. Ich glaube nämlich, wir bekommen in dieser Kneipe nichts mehr zu trinken.
Hat Otto, der steinreiche Clown, eigentlich schon mal daran gedacht, alles hinzuschmeißen?
Bist Du wahnsinnig? Es gibt nichts, woran ich so viel Spaß habe!
…und nichts, womit Du auch nur annähernd so viel verdienen könntest. Neben zwei Villen in Hamburg und Florida gehören Dir angeblich ganze Straßenzüge. Allein aus den Ottifanten-Rechten sollen Dir Anfang der neunziger Jahre per anno ca. 3,2 Millionen Mark zugeflossen sein.
Schlecht recherchiert. In Wahrheit waren es über 300 Millionen. Ich sitze an den Ufern des Reibach und schöpfe die Milliarden ab, die vorbeifließen — wir sind doch nicht in Amerika! Aber wenn ich genug zusammen habe, dann kauf ich mir Amerika.
Gute Idee, denn in Amerika hältst Du Dich ja ohnehin von Zeit zu Zeit ganz gerne auf.
Ich muß doch das Land kennenlernen, das ich später mal erwerben möchte. Schließlich kauft man doch nicht die Katze im Sack. Bisher jedenfalls find‘ ich die Amerikaner ganz nett.
Damit stehst Du nicht allein da. Auch Thomas Gottschalk zieht’s ja immer wieder in die USA. Und ganz nebenher ist er fast so lange im Geschäft wie Du.
Ein wunderbarer Mann. Für mich ist er der Gröschomazz.
Wie meinen?
Der größte Showmaster aller Zeiten natürlich.
Ähnlich wie Gottschalk hast Du jede Menge Verpflichtungen. Aber zum Glück kannst Du ja als Pilot mit eigenem Flugzeug oder eigenem Hubschrauber bequem von Termin zu Termin düsen.
Spielst Du jetzt auf meinen vergoldeten Jumbo an? Was bleibt mir anders übrig? Wenn man mich überall haben will, muß ich mich eben dieser Verkehrsmittel bedienen.
Hast Du denn in letzter Zeit auch noch mal ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, eine U-Bahn zum Beispiel?
Ja, wenn mein goldener Jumbo nicht hochkommt mit seiner diamantenbesetzten Heckflosse, dann muß ich eben die U-Bahn nehmen.
Du bist doch bekannt wie ein bunter Hund. Gibt es denn vor diesem Hintergrund in Bussen und Bahnen überhaupt keine Probleme?
Doch, der Service läßt zu wünschen übrig.
Apropos Service: Sorgst Du selbst dafür, daß Dein Kühlschrank immer gut gefüllt ist?
Dafür ist meine Frau zuständig, ihr gehört der Kühlschrank.
Legt sie auch schon mal Krebse rein? Du bist doch wohl einer.
Stimmt. Zum Hummer hat’s dummerweise nicht gereicht.
Gibt es Eigenschaften, die man Krebsen nachsagt, und die Du auch an Dir selbst festgestellt hast?
Moment, ich schau mal in meiner Hose nach. Ja, Krebse leben sehr zurückgezogen.
Einzelheiten, bitte. Was genau meinst Du mit „zurückgezogen“.
Das wirst Du gleich sehen. Ich ziehe mich nämlich jetzt zurück. Danke für das Gespräch.