Hello Goodbye
The Continuing Story OfThe Beatles: Mit ‚Anthology 3‘ ist die ‚long and winding road’an einem vorläufigen Endpunkt angelangt. Im ME/Sounds-Interview erinnert sich Paul McCartney an die letzten Tage der Fabulösen Vier aus Liverpool, intrigante Anwälte, das allmähliche Auseinanderdriften der Band und den Spaß, den McCartney und Co. trotzdem hatten.
Der Song stammt aus der Zeit, als ihr viel in Twickenham aufgenommen habt, etwa die ‚Get Back‘-Sessions. Damals habt ihr viele Rock’n’Roll-Coverversionen eingespielt. Habt ihr diese Entscheidung, zusammen getroffen habt, um den Enthusiasmus wiederzufinden, der euch nach dem Tod von Brian Epstein etwas abhanden gekommen war?
Bei vielen Songs auf Anthology 3 geht es darum, daß die Dinge nicht so gut liefen wie früher, viele Songs handeln von den Spannungen innerhalb der Band. Habt ihr das ähnlich empfunden, als ihr euch die Stücke jetzt wieder angehört habt, oder haben die harmonischen Erinnerungen überwogen?
Letzteres ist der Fall. Ich hatte eigentlich erwartet, daß die Bitterkeit überwiegen würde, aber erstaunlicherweise war das nicht so, im Gegenteil. Bei einigen dieser Takes hatten wir augenscheinlich ziemlichen Spaß, und das gehört zu den Dingen, die mir im Nachhinein gefallen haben. Da ist zum Beispiel ‚Two Of Us‘ – eine Art Everly Brothers-Nummer von John und mir. Die Atmosphäre ist unheimlich gut, sehr warm, sehr… nun, eben Leute, die zusammen arbeiten. Es ist alles sehr locker. Das hatte nichts damit zu tun, was damals in den Besprechungszimmern abging.
Als wir einmal beschlossen hatten, mit dem Touren aufzuhören – das war nach Candlestick Park -, ganz einfach, weil wir die Nase bis oben hin voll hatten und am laufenden Band immer wieder dieselben Sachen machen mußten, fanden wir, daß wir unbedingt wieder ins Studio gehen sollten, um uns wieder auf diesen Aspekt unserer Arbeit zu konzentrieren. Und wir beschlossen, daß das unsere Performance werden sollte: der eigentliche Song, so wie er aufgenommen wurde. Wir sagten uns etwa: „Das ist die Performance von ‚Lady Madonna‘. Wem (das ne/sounds interview)
es nicht gefällt, der braucht es nicht zu kaufen.“ Wir sahen das eher konzeptionell. Also hatten wir auf einmal viel Zeit, und das Ergebnis war ‚Sgt. Pepper‘. Die Entscheidung war richtig, denn ich glaube, wenn wir weiter getourt hätten, wäre uns nie etwas so konzeptionelles wie ‚Pepper‘ gelungen. Aber wir hatten praktisch ein Jahr frei gehabt, letztendlich brauchten wir fünf bis sechs Monate mit ein paar Wochen Urlaub zwischendurch. Wir ließen uns Zeit, und dadurch konnten wir uns mental befreien. Kurz bevor John seinen Ausstieg aus der Band bekanntgab, hatte ich sogar vorgeschlagen, daß wir in ein paar kleineren Clubs auftreten sollten, wie ich es später mit den Wings gemacht habe: ein paar Universitäts-Gigs ohne Vorankündigung. Ich fand, daß wir dringend zu unseren Wurzeln zurückfinden mußten, schließlich waren wir eine verdammt gute kleine Band. Und das hatten wir während unserer psychedelischen Phase vergessen. Wir hatten neue Höhen erklommen, und dabei hatten wir die unterste Sprosse der Leiter aus den Augen verloren hatten. Damit meine ich, einfach zusammen zu spielen. Das war mein Vorschlag, und da meinte John: „Ich wollte es euch eigentlich noch nicht sagen, aber ich verlasse die Band.“ Das war also mein letzter Vorschlag in Sachen Beatles.
Glaubst du, das Problem lag unter anderem darin, daß ihr euch aufgrund der Entwicklung der Studiotechnik nicht mehr zusammen hinsetzen und Musik machen mußtet und diese Gewohnheit damit in Vergessenheit geriet?
Mit dieser Vermutung liegst du wahrscheinlich richtig. Erst kürzlich habe ich ein paar Leute durch mein Studio geführt, ihnen die 48-Spur-Aufnahmegeräte erklärt. Dann habe ich auf die ersten vier Regler gezeigt: „Und damit haben wir ‚Sgt Pepper’s‘ aufgenommen“, mit vier solchen Reglern, denn damals war das Abmischen relativ unkompliziert. Es brachte lediglich mit sich, daß man seine Entscheidung eher früher als später treffen mußte, was ich persönlich gut fand. Ich bin immer noch davon überzeugt, daß man so disziplinierter arbeitet.
Als Ringo 1968 bekanntgab, daß er die Beatles verlassen wollte – was er auch eine Woche lang tat – sagte er, daß er mit seinem Drumming nicht mehr zufrieden wäre. Lag das daran, daß er – wegen besagter moderner Studiotechnik – nicht mehr wirklich mit euch spielte?
Ich glaube schon. Ja. Ehrlich gesagt glaube ich, daß das Ergebnis eigentlich überhaupt nicht darunter litt. Im Gegensatz zu dem, was manche Leute behaupten, war das Resultat musikalisch genauso gut. Aber unser persönliches Empfinden unserer Arbeit gegenüber litt. Man hatte nicht mehr diese ständige Bestätigung, niemand sagte mehr: „Hey Ringo, du bist gut! Ich kreische begeistert!“ oder „Hey, Paul! Du bist gut! Ich applaudiere dir laut!“. Ich denke, was mit Ringo damals passiert war, war, daß er vergessen hatte, wie gut er war. Nachdem wir ihm bestätigt hatten, daß er der beste Rock’n’Roll-Drummer der Welt ist, war er wieder glücklich. Er mußte das ganz einfach mal wieder hören.
Habt ihr euch je gefragt, ob die Plattenverkäufe vielleicht eher auf eine Art Treuebekenntnis zu den Beatles zurückzuführen waren als die Begeisterung für die Platten selbst?
Eigentlich nicht. Nein. Es mag arrogant klingen, aber ich hatte immer dieses herrliche, unerschütterliche Gefühl, daß jede Platte, die alle Beatles und George Martin zusammen machten, phantastisch werden müßte. Wenn ich persönlich hinter einer Platte stehen konnte, mir sagen konnte: „Das ist das beste, was wir machen können“, dann hätte das im Prinzip schon gereicht, ich wäre
zufrieden gewesen. Aber daß John auch davon überzeugt war, und George und Ringo und dann George Martin, das hat mir immer das unwahrscheinlich selbstsichere Gefühl gegeben, an einem großartigen Stück Musik mitgearbeitet zu haben.
Habt ihr erwogen, ‚Come And Get It‘ das ihr als Demo aufgenommen, aber schließlich Badfinger überlassen habt – für ‚Abbey Road‘ zu verwenden?
)a. Wir zogen damals alles was ich schrieb in Erwägung. Auf’Anthology 3′ ist zum Beispiel ‚Teddy Boy‘, das wir als Beatles-Song ins Auge gefaßt hatten, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen. Wir haben jetzt eine Version ausgesucht, in der wir den Song ausprobieren, was ganz interessant klingt. Aber man hört auch ganz deutlich, daß die Band sich nicht besonders für den Song interessierte. Keine Ahnung warum. Vielleicht war das auch nur eine Phase, in der…ich weiß nicht. Vielleicht gab es Spannungen. Man kann es jedenfalls heraushören… Ich finde den Teil besonders gut, in dem John sich darüber lustig macht. Gegen Ende hört man ihn im Hintergrund rufen: „Grab your partners, do-si-do!“. Und obwohl das natürlich irgendwie schon auf Spannungen hindeutet, war es doch harmlos. Erst als sich Allen Klein und die Anwälte einmischten, gab es auf einmal keinen Platz mehr für solche harmlosen, gutmütigen Reibereien.
Plötzlich war es so, als ob man ein riesiges „Monopoly“ spielt, ein Spiel, das mir nie behagt hat. Bei „Monopoly“ fühle ich mich immer unter Druck gesetzt. Und als es auf einmal um echte Häuser, echtes Geld und echte „Parkstraßen“ ging, wurde die Geschichte richtig unangenehm. Bekanntlich hat es 20 Jahre gedauert, bis wir die Sache geklärt hatten. Erst dann fühlten wir uns frei genug, das zu machen, was ‚The Long And Winding Road‘ heißen sollte und schließlich ‚Anthology‘ wurde.
Über die Version von ‚The Long And Winding Road‘, die auf ‚Let It Be‘ kam, hattet ihr keine Kontrolle…
Wieder so eine Klem-Geschichte. Er holte Phil Spector als Produzent dazu.
Habt ihr jetzt die Gelegenheit genutzt und eure ursprünglichen Vorstellungen verwirklicht?
Ja. Auf ‚Anthology 3‘ haben wir uns für den allerersten Versuch entschieden. Wir haben die Chorsänger und die Streicher weggelassen, das ganze Zeug war im Grunde überflüssig. Das habe ich neulich noch zu George Martin gesagt. Wir sahen uns an und sagten: „Warum haben wir eigentlich die 30 anderen Versuche aufgenommen? Der erste war doch perfekt.“ Aber es gehört wohl zum kreativen Prozeß, es immer besser machen zu wollen. Da will man dann einen winzig kleinen Part verbessern, der hinterher sowieso niemandem auffällt, und plötzlich gerät alles außer Kontrolle.
Ich habe gehört, daß ihr für ‚Maxwell’s Silver Hammer‘ ziemlich viele Anläufe gebraucht habt.
Wir haben uns zweieinhalb Tage lang damit beschäftigt, was für uns ein regelrechter Skandal war – und George Martin wurde ziemlich ärgerlich. Wenn man sich das aus heutiger Sicht ansieht, wo Frankie Goes To Hollywood drei Monate für ‚Relax‘ brauchen, sind zwei Tage im Grunde gar nicht schlecht. Aber damals kam uns das wie eine Ewigkeit vor. Wir kamen um halb elf ins Studio, machten um halb zwei Pause. Wir gingen eine Stunde in die nächste Kneipe und machten dann von halb drei bis halb sechs weiter. In der Vormittags-Session wurde erwartet, daß wir zwei Stücke im Kasten hatten, und am Nachmittag noch einmal zwei. Im Durchschnitt schafften wir also vier Stücke pro Tag, das war ziemlich gut. Dazu brauchte man Disziplin, denn wenn man ins Studio kam, mußten die Songs fertig sein. Der Text mußte hundertprozentig stimmen, denn man nahm sie für alle Ewigkeit auf. Alles mußte hinhauen. Und wenn jemand einen Fehler machte.. .dann mußten wir eben von vorn anfangen.
Und das ganze Stück neu einspielen?
Genau. Was halb so schlimm war, meistens dauerte es ja sowieso nur drei Minuten. Und in diesen drei Minuten ging es um die Wurst, man mußte es bringen. Das konnte einem schon Angst machen. Man dachte: „Oh Scheiiiiße, das müssen wir jetzt richtig gut spielen.“ Heute ist da immer die Versuchung: Wenn ich das jetzt einigermaßen runterspiele, kann man es später immer noch ändern. Ich weiß nicht, ob dir das bei einem Artikel ähnlich geht. Damals mußte jedenfalls alles sofort perfekt sein.
Beim Schreiben ist das der Unterschied zwischen einer Schreibmaschine und einem Computer. Bei der Schreibmaschine mußte alles stimmen, oder man mußte den ganzen Artikel mitTipp-Ex überarbeiten. Bei einem Computer dagegen…
…kann man sogar einen Rechtschreib-Check machen. Und trotzdem entdecke ich heute mehr Fehler als früher. Vor ein paar jähren arbeitete ich zusammen mit ein paar Computer-Freaks an einem Stück. Sie wollten meinen Bass sampeln, und es dauerte Stunden, bis sie jede einzelne Note aufgenommen hatten. Dann vergingen noch einmal Stunden, bis das Programm funktionierte. Ich sagte: „In dieser Zeit hätte ich den Song 50 mal spielen können, und ich wette, daß ich ihn hingekriegt hätte.“ Damals ging man einfach noch einmal ins Studio und spielte das Stück von vorn. Heute dauert es fast genausolange, bis der Computer überhaupt eingeschaltet ist. Im Grunde ist das keine bessere oder schlechtere Technik, es ist eben nur eine andere Technik. Auf jeden Fall schaffte man mehr. Und das Gute daran – der Grund, warum ich so unverschämt sein kann – ist die Tatsache, daß vieles von unserem Material auch heute noch gut klingt. Bands wie Oasis spielen es treu und brav nach. Sie versuchen, den gleichen Sound zu bekommen wie wir und benutzen die gleichen Instrumente und die gleichen Akkorde.