Hilfe, Jungmanager!
Jemand hat sich vorgenommen, ein Konzert oder ein kleines Festival zu veranstalten. Er ist zwar erst 19 Jahre alt, platzt jedoch vor Unternehmungsgeist aus allen Nähten. Nehmen wir an, dieser Jemand schafft es, ein paar Gruppen einzukaufen, Plakate aufzutreiben und den Mietvertrag für eine Halle zu unterzeichnen. Er rechnet mit genügend Leuten, um finanziell aus dem Schneider zu kommen. Er rechnet allerdings nicht damit, daß weniger kommen und er verdammt hart auf die Schnauze fallen könnte.
Der große Tag ist da! Die erwarteten Zuschauer bleiben aber aus, und der Herr Veranstalter schaut recht ratlos aus der Wäsche. Seine Einnahmen reichen natürlich nicht aus, um die engagierten Gruppen zu bezahlen, außerdem ist die Hallenmiete erst halb beglichen. Das Finanzamt fragt schüchtern an, was umgesetzt wurde und plötzlich trifft den Jungmanager die Erkenntnis wie ein Blitz: Worauf hat er sich da eingelassen?! Vor einiger Zeit wäre er noch nicht mal unterschriftsberechtigt gewesen…
Konzertsaison
Solche und ähnliche Fälle häufen sich insbesondere in den sommerlichen Festivalmonaten. Daß sie den Bemühungen um eine funktionierende Szene immer aufs Neue einen Schlag unter die Gürtellinie versetzen, ist wohl jedem klar. Aber kann man etwas dagegen ausrichten, daß ein aufgewecktes, geltungsbedürftiges Bürschchen irgendwo in einer Kleinstadt – es passiert aber genauso in Großstädten – so eine Sache durchziehen möchte? Wenn er alle verfügbaren Hebel in Bewegung setzt, gelingt ihm das nämlich meist. Überlegungen, die ein „Draufzahlen“ oder einen Reinfall organisatorischer Art einschließen, werden erst gar nicht angestellt. Die Verträge, die man unterschreibt, schaut man nur kurz und oberflächlich durch – „Wird schon alles stimmen, was da drin steht“ – und heftet sie fein säuberlich in den dafür angeschafften Aktenordner. Ordner hat man ja genug, Erfahrungen freilich überhaupt keine.
Manager-Sucht
Man sollte den jungen deutschen Rockmanagern jedoch nicht mehr vorwerfen als den „gleichaltrigen „Kollegen“ unserer Nachbarländer. Typisch deutsche Eigenschaften wie z.B. die Ordnungsliebe oder das übermäßige Organisationstalent sind in dieser Hinsicht eher untypisch oder gleichen sich überall wie ein Ei dem anderen. Die Engländer und Amerikaner sind wahrscheinlich die einzigen, die von dieser Veranstalter-Sucht bisher verschont blieben. Sie schoben dank ihrem I00%igen Professionalismus diesem fehlgeleiteten Nachwuchs einen Riegel vor, sodass nunmehr keinem von ihnen auch nur die Möglichkeit geboten wird, mit der Nase daran zu schnuppern, ohne daß die maßgeblichen Herren Wind davon bekämen und die Sache rechtzeitig stoppen könnten.
Enorme Ausmaße
Hier bei uns und vor allem in der kleinen Schweiz artete es zeitweilig allerdings wirklich aus. Die Schwemme der Amateurmanager schoß wie Pilze aus dem Boden, und bald hatte man völlig den Überblick verloren. Überall tauchten klangvolle Namen auf: XY-Agency, Soundso-Promotions oder Tralala-Productions. Den absoluten Höhepunkt erreichte das enorme Wachstum beim Erscheinen von „Riebe’s Fachblatt“, einem Organ für die deutsche Musikerszene 1972 und 1973. Endlich hatte man eine richtige Zeitung, in der man seinen Namen hief und da gedruckt sehen konnte. Also wenn das keinen Auftrieb gab… Dank „Riebe’s“ traten die Bubis jetzt sogar noch selbstverständlicher und sicherer auf, obwohl es rein gar nichts zum Auftreten gab.
Szene-Fanatiker Demnach häuften sich sehr schnell die ersten Beschwerden von Gruppen, die zum Teil bis zu 200 Briefe an diese angeblichen Veranstalter geschrieben hatten und daraufhin ganze drei bis vier Antworten zurücK bekamen. Wenn sie Glück hatten, wohlgemerkt. Was waren das für verantwortungslose Typen, die da groß herum posaunten, sie würden jede Menge Konzerte und Festivals organisieren? In der Hauptsache waren es, um es überspitzt auszudrücken, Leute, die gern Briefe erhielten, ,,Sammlerleidenschaften“ und Telefon-Fetischisten. Die Zahli derer, die nur einfach geil darauf waren, der sogenannten Szene zugerechnet zu werden, die mitreden und genannt sein wollten und die vor Freunden und vor Bekannten damit protzen wollten, dürfte in die Hunderte gehen.
No Connections
Aber selbst die unerfahrenen, idealistisch versponnenen, jungdynamischen Manager, denen es einzig darum ging, um jeden Preis und mit allen Mitteln zur Szene zu gehören, brachten durchweg nichts Rechtes auf die Beine. Und das waren noch die angenehmsten dieser zu früh erblühten Ernte. Der Wille allein genügt eben noch nicht, und sich deshalb an den vorhandenen Realitäten zu orientieren, paßte Ihnen natürlich nicht in den Kram.
An die bekannteren Gruppen kommen sie nicht heran, dafür gibt es die alteingesessenen Bands, und Verbindungen und Adressen besitzen sie logischerweise am Anfang genausowenig. Aber das verrückteste und erschreckendste daran ist: Sie hatten keinen Pfennig in der Tasche, um eventuelle Rückschläge oder Pleiten damit aufzufangen! Und da mit unbekannten Acts keine müde Mark zu verdienen ist, standen Fehlschläge auf der Tagesordnung.
Die armen Gruppen schlimmsten trat die Sache daher die einheimischen Gruppen. Trat der Fall ein, daß bei der „Ziegenmilch“-Agency erstaunte Stimme am antwortete: „Nein, tut W, unser Karlchen ist noch aus der Schule zurück“.
konnten sie von Glück sagen. Wenn sie klug waren, sagten sie diesen geplanten Auftritt sofort ab. Oder ließen sich wenigstens die Gage im Voraus überweisen. Ansonsten mußten sie damit rechnen, daß nach dem beschwerlichen Anreiseweg, Kosten, dem Auf- und Abbau und dem Spielen eine saftige Überraschung auf sie wartete! Kein Geld in der Kasse – gleich keine Gage für die Band. (Wen wundert es da, daß die meisten Gruppen hierzulande nicht in der Lage sind, allein von ihren Konzerten zu existieren.) Die Hilfskräfte Neben den Veranstaltern, die wenigstens versuchen, etwas zu tun, gibt es noch ein paar weitere, sehr verbreitete Abarten des Jungmanager-Verbandes. Die am häufigsten vorkommende Art ist die des „Im-Wege-stehen-und-sich-wichtig-fühlenden“ – und die des „ohne-mich-läuft-hierüberhaupt-nichts“- Managers. Auch die Bandwurm-Redner mit ihrem stundenlangen Phrasendreschen und die Jagdhunde, die immer die allerneuesten Neuigkeiten gehört haben – bevor sie der Betreffende selbst erfährt – sind nicht gerade selten. Man findet sie in der Nähe der Bühne, wo sie alles sehen und, viel wichtiger, gesehen werden können. Oder vor Garderobentüren, um bei Gelegenheit mal kurz einen Small-Talk mit dem „Star“ zu führen. Grob gesagt sind all diese geltungssüchtigen Typen nichts anderes als fahrradfahrende Handlanger, die für die unmöglichsten Arbeiten und zum Plakatekleben eingesetzt werden. Sie sind ein drittklassiger Abklatsch der blutigen Amateure, die ihrerseits schon einen Abklatsch der Profis darstellen (und mimen). Vielleicht kommen sie sich deshalb meist wichtiger vor als die auftretenden Gruppen.
Die Folgen Würden diese Schuster doch nur bei ihren Leisten bleiben! Das Rockgeschäft ist selbst für Etablierte ein verdammt hartes Brot, wo sollen da die Chancen für Anfänger stecken. Spätestens beim ersten Gerichtstermin verwandelt sich der naive Idealismus in nackte Angst, wobei gesagt werden muß, daß auch bei Profi-Agenturen mitunter ein Offent-id den nächsten jagt. Viele der über’s Ohr gehauenen Bands verzichten freilich fairerweise (oder aus Dummheit?) auf gerichtliche Schritte gegen die armen Würstchen, die nunmehr bereits in der Lehre bzw. der Schule einen Schuldenberg von im Schnitt vielleicht 2000 Mark zu berappen haben. Der Haken an der Sache ist aber der, daß je weniger diese „Greenhorns“ belangt werden, ihr Selbstbewußtsein zunimmt und sie langsam zu der Auffassung tendieren, es gehe auch ohne Geld ganz gut. Wie man es dreht und wendet, es kommt keine geeignete Lösung zustande.
Unbelehrbar Die meisten werden trotz des enormen Risikos, über das sie meist ja gar nicht nachzudenken pflegen, in ihrem Tun fortfahren. Und schlimmeres kann unserer arg strapazierten Szene wahrscheinlich nicht passieren.
Die größeren Agenturen kümmern sich logischerweise einen Dreck um sie, da bei ihnen (und mit ihnen) nichts zu holen ist. Bleiben also nur die Möchtegerns, die selbst im kleinsten Nest bereit sind, „ihr Leben zu opfern“.
Was tun?
Es müßte doch irgendwie zu bewerkstelligen sein, daß zum Beispiel Informationen ausgetauscht, Erfahrungen vermittelt oder Verbindungen geschaffen würden. Sämtliche Versuche, die in dieser Richtung unternommen wurden, schlugen fehl! Keiner der etwas besser orientierten „Mittelschicht“ ließ sich bei einem solchen Treffen blicken, und so standen sich die „Amateure an allen Fronten“ wie eh und je unbedarft und betreten schweigend gegenüber. (Die Jungmanager in ihren Aufgaben ratlos.) Zudem herrscht offenbar unter den meisten von ihnen die Unsitte, sich selbst Konkurrenz zu machen, was mitunter so weit führen kann, daß jemand, der nie in seinem Leben ein Konzert organisiert hat, jemand anderem, dem es genauso geht, angebliche Tips zuschustert, nur um klarzustellen, wieviel Durchblick er doch in dieser Hinsicht besitzt.
Solange diese Idealisten nicht den Ernst der Lage begreifen, das nötige Geld auftreiben und sich die Zeit nehmen, Verträge zu studieren und sich auf ihren Hintern setzen, um zu lernen, was bei ihrem Hobby so alles an Wissenswertem abfällt, solange wird sich an den wohlbekannten Veranstaltungs-Mißständen bei uns sicher nichts ändern. Solange werden auch noch etablierte Gruppen wie Tangerine Dream bei zu viel Vertrauen in „Idealisten“ auf die Nase fallen.