Magazin der Populären Musik


Hg: Walter Hartmann/Gregor Pott Rowohlt: DM 10,80

Rowohlts erfolgreiches Periodikum geht in die sechste Runde, das „Magazin für populäre Musik“ hat einmal mehr mit dem Widerspruch zwischen Aktualität und zurückgelehnter Reflektion zu kämpfen: einerseits die Chance, durch die große zeitliche Distanz zwischen Artikelproduktion und Erscheinungstermin sich den Zwängen zur Kurzatmigkeit zu entziehen, andererseits das Problem, die Leute mit dem Schnee von gestern zu behelligen.

„Rock Session 6“ ist stark geprägt von Herausgeber Walter Hartmann und dessen Vorliebe für – sagen wir’s mal etwas allgemeiner – Industrie/ Apokalypse-Musik. Seine Faszination von der individuellen Radikalität seiner Lieblinge Throbbing Gristle und Einstürzende Neubauten (letzteres delegiert an deren Vertrauten und Rip Off-Vertriebsmann Klaus Maeck) deckt nach meinem Geschmack das, was man über heutige Musik unter der Überschrift „Konsequenz und Rhythmik“ (so lautet das Motto von Nummer 6) nur zur Hälfte ab. Zumal diese Tendenz auch in anderen Beiträgen vorherrscht: wenn Xao Seffcheque über PIL deliriert, wenn Diedrich Diederichsen ein zwar genaues, aber inzwischen veraltetes Portrait des französischen Avantgarde Labels „Sordide Sentimentale“ zeichnet, wenn ME-Mitarbeiter „in“ zum 14732. Mal seinen Freund Iggy radikal zu Wort kommen läßt und auch sonst Freunde moderner Todessehnsucht breitesten Raum erhalten: Chrome, SPK etc. Dazwischen obligatorisches: DAF, Burroughs, Hans-a-plast (mal wieder von Intimus und Labelchef Hollow Skai langatmig und kraus interviewt. Wann dürfen Abba endlich sich selbst interviewen?)

Interessant: Wolfgang Welt über die Vorgruppe aus Herne, Hartmann und Brunner über die aufgelöste Kultgruppe Throbbing Gristle. Und vor allem: Dieter Reichardt über die Geschichte des argentinischen Tango (endlich mal was Neues). Ach, ja: Xao Seffcheques Bericht über die neue deutsche Musik in D’dorf ist ebenfalls sehr vergnüglich, während Klaus Frederking über den Reggae-Veteranen Rico wirklich etwas zu angemessen schreibt: wie eine Posaune in der Midlife-Crisis, Behäbig, wenn auch informativ. Das Außenseiterlexikon sollte sich noch mehr auf echte Außenseiter spezialisieren und sich nicht mit Vorzeige – Außenseitern wie Kevin Coyne zufrieden geben, der z.B. von den „Sounds“-Lesern Jahr für Jahr zum „unterbewertetsten Musiker* gewählt wird.

Trotz allem ist auch Rock Session 6 ein recht belebendes Buch zum Schmökern am warmen Ofen, auch wenn man nicht alles glauben darf (etwa, wenn Kritiker-Größe Greil Marcus 1981 Verbindungen zwischen Dada und der neueren Musik entdeckt.)