Genesis – Propheten der Innerlichkeit


Sechzehn Jahre Rockgeschichte. Resistent gegen Disco und Punk, Reggae und Funk, ging die britische Band unbeirrbar ihren Weg. Mit surrealer Symbolik und verschrobener Theatralik schienen die ehemaligen Internats-Zöglinge oft genug gegen den Strom der Zeit zu schwimmen. Doch die Stimmen, die Genesis als die ewig Gestrigen abstempeln wollten, unterschätzten Substanz und Wandlungsfähigkeit der Band. Mit "Mama" und der LP GENESIS führt sie auch 1983 die internationalen Hitparaden an.

Im „Musik Brockhaus“, dem renommierten Lexikon mit 11 000 Stichwörtern aus allen musikalischen Kategorien, finden wir Genesis auf Seite 208, zwischen „Genero chico“, der populären musikalischen Komödie im Spanien des 19. Jahrhunderts, und „Gennrich, Friedrich“, einem deutschen Musikforscher. „Genesis (engt. ‚Schöpfung‘), brit. Rockquintett, gegr. 1967. repräsentiert eine typisch europ. Richtung der Rockmusik, die weitgehend auf die für afroamerikan. Musik bezeichnende Spontaneität und Körperhaftigkeit verzichtet und an Stelle von Improvisation ein mit komplizierten Strukturen durchsetztes Arrangement bevorzugt..“

Dies ist, nun schon aus historischer Distanz sichtbar, der kreative Kern des Phänomens Genesis; die Definition aus dem „Brockhaus“ gilt für die ganzen 16 Jahre Genesis-Geschichte, trotz versuchter stilistischer Neuansätze auf ABACAB und anderen Alben.

Zu dem Trio, das Genesis heute verkörpert, gehören mit Tony Banks (keyb) und Mike Rutherford (g, b) noch zwei Gründungsmitglieder. Drummer Phil Collins kam 1970 hinzu, auch schon ein alter Herr; aber spielt nicht Beckenbauer immer noch besser Fußball als 90 Prozent der derzeitigen Nationalmannschaft?

„Mama“ heißt die Single von Genesis, die im Herbst 1983 in Europa ein Hit wurde. Tony Banks erklärte ME/Sounds: „Ich glaube, daß die meisten Leute, die jetzt ‚Mama‘ kaufen, den Namen Genesis überhaupt nicht oder nur ganz vage kennen. Insofern finde ich es gut, eine Top Ten-Single zu haben, weil das doch beweist, daß wir immer noch relevant sind.“

Unempfindlich gegenüber der Gunst des Publikums ist Genesis also nicht; die seit einigen Jahren gängige Meinung, die Gruppe produziere ohne innere Anteilnahme schematich eine Platte nach der anderen, ist sicher zu einseitig.

Genesis war erstmals in Verruf gekommen, nachdem der Sänger und künstlerische Kopf Peter Gabriel die Gruppe verlassen hatte. Im folgenden Jahr, 1975, kam mit TRICK OF THE TAIL eine LP heraus, die den Eindruck vermittelte, nichts habe sich geändert. Phil Collins, der jetzt auch sang, traf ziemlich genau den typischen Ton von Gabriel. Der Sound und die Art der Arrangements waren dieselben. Nur die Texte waren schlechter. Genesis wirkte wie eine Geisterstadt im Wilden Westen – äußerlich noch intakt, aber innen ohne Leben.

WIND AND WUTHERING, die nächste LP, korrigierte dieses Bild mit dicht gewebten Klangteppichen ohne viel Bombast, kraftvoll gespielt im bekannten Genesis-Sound; auch einige Texte waren interessant, zum Beispiel „One For The Vine“. Die damalige Besetzung Collins, Rutherford, Banks und Steve Hackett (g) löste sich so aus dem übermächtigen Charisma Gabriels, der mit seinen ausgefeilten Bühnenshows, seinem dauernden Wechsel von Posen und Kostümen das Image der Band bestimmt hatte. Genesis-Musik, das wurde jetzt klar, war immer auch ihre Musik gewesen, die Rolle Gabriels vom Publikum überschätzt worden.

Rasch wuchs nach diesem Meinungsumschwung die Populantät der Gruppe. In England hatte sie bereits 1973 mit SELLING ENGLAND BY THE POUND den kommerziellen Durchbruch geschafft. In Deutschland platzte der Knoten ein Jahr später mit der Tournee, die das Album THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY präsentierte. Die Platten nach WIND AND WUTHERING machten aus Genesis einen internationalen Topact. „Auf ihrer Europa-Tour 1978“, schwärmt die Plattenfirma Phonogram, die Genesis unter Vertrag hat, „bricht die Band sämtliche Hallenrekorde und macht mit ihrer Laser-Show jedes Open air-Festival zu einem unvergeßlichen Erlebnis“. Genesis in einer Reihe mit Yes, Supertramp, Pink Floyd, Fleetwood Mac, ELO die 1976/77 aufkeimende Punk-Bewegung setzte die Gruppe auf ihre Liste der meistgehaßten Rockbands. Genesis hatte nun den Klotz am Bein, ein „Dinosaurier“ zu sein, ein musikalisches Museumsstück, vorgeführt von ergrauten Langweilern, den boring old farts.

Die Band hat diese Attacke überlebt, in der durchaus Wahrheit steckte, die aber die Plattenverkäufe kaum schmälerte. Sie macht ihre spezifische, auf dem Markt etablierte Musik Jahr für Jahr, gelegentlich aufgefrischt durch modische Accessoires. Manchmal geht sie energiegeladen ins Studio (ein Resultat war die LP ABACAB), manchmal unlustig (DUKE). Die Kontinuität ihrer musikalischen Arbeit entspricht den Erwartungen des Publikums. Ein großer Teil der Musikkonsumenten kauft nicht die Katze im Sack. Rockplatten und Rockstars werden gesehen wie Automobile: Man möchte immer wieder ein neues Modell, aber im Grunde soll es doch das alte sein.

Der Spielraum für Kreativität ist gering in diesem Rahmen. Das kann bedeuten, daß Collins, Rutherford und Banks irgendwann das Handtuch werfen. Geld haben sie inzwischen genug verdient. „Wenn es uns keinen Spaß mehr macht, hören wir sofort auf. Das hoffe ich wenigstens“, sagt Tony Banks. Die Musiker betonen heute, daß sie keine Gruppe sein wollen, deren Existenzberechtigung nur in der Vergangenheit verankert ist. Egal, wie glorreich diese Vergangenheit auch war.

Die wohl kreativste Phase in der langen Karriere von Genesis sind sicher die Jahre 1970 bis 73, dokumentiert durch die Alben TRESSPASS, NURSERY CRIME, FOXTROTT und SELLING ENGLAND BY THE POUND. Die Band hatte ihren Stil gefunden und überraschte mit immer komplexeren Strukturen. Die gewohnte Form des Popsongs war noch Grundmuster, wurde aber kräftig gestreckt und mit Spielformen aus der klassischen Musik angereichert. Die meisten Songs hatten Überlänge, von sieben Minuten bis zu einer kompletten Plattenseite. Mellotron und Orgel waren bestimmend für den Sound.

Häufig klang diese Musik pathetisch, aber sie fiel nicht so bombastisch aus wie zeitweise bei Yes oder Emerson, Lake & Palmer. Besondere Schwellklänge aus Orgel und Mellotron wurden ein Markenzeichen der Gruppe. Genauso typisch war ein hohes Maß an Dynamik, ein ständiges Spiel mit lauten und leisen, treibenden und verhaltenen Klangfolgen.

Genesis tüftelten ihre Arrangements in langen Arbeitswochen aus, waren detailbesessen und legten fast jeden Ton im voraus fest. Für improvisierte Soli gab es wenig Platz in den Songs: Die komplizierten Klanggebäude wurzelten, wie schon erwähnt, viel mehr in der europäischen Klassik als im Blues.

Texte. Gesang und Bühnenshow von Peter Gabriel waren der zweite Trumpf im Konzept von Genesis. Gabriel spielte gern mit dem Horror, der unter oberflächlicher Gartenlauben-Idylle nistet – sowohl in der Psyche und emotionalen Struktur des einzelnen Menschen und, darauf aufbauend, auch in einem ganzen Gesellschaftssystem.

Verborgene Lust am Grausamen und Abartigen setzte er zum Beispiel auf der LP NURSERY CRIME um in die Geschichte eines neunjährigen Mädchens, das mit dem Cricketschläger den Kopf eines achtjährigen Jungen in die Musikbox schlägt. Der Song „Supper’s Ready“, der sich über eine ganze Seite des Albums FOXTROTT erstreckt, dreht sich um die schizophrene Spaltung einer Persönlichkeit. In SELLING ENGLAND BY THE POUND kehrt er spöttisch das zweite Gesicht des großen Britanniens hervor: Ein abgewracktes Land voller exzentrischer Bewohner, die sich hinter einer peniblen äußeren Ordentlichkeit immer mehr in ihren Marotten und Psychosen verlieren.

Auch TRESSPASS als erste ausgereifte Genesis-LP hatte auf dem Cover trügerische Idylle signalisiert: Der damals aktuellen Hinwendung zu Märchen und alten Mythen entsprechend, blickt ein junges Königspaar aus den Schloßgemächern hinaus in die schimmernde, von Bergketten erfüllte Weite. Quer durch das Bild zieht sich eine Schnittspur; in der Coverrückseite steckt das Messer.

Selten war die Bedeutung von Gabriels Geschichten so klar. Er benutzte Wortspiele und surrealistische Bilder, ließ seine Charaktere in einer Mixtur aus Realität und Phantasie agieren. Mit einem Joint kam man ihm leichter auf die Spur; und das paßte seinerzeit auch zu den Hörgewohnheiten von Hörern progressiver Rockmusik.

In Konzerten lebte sich Gabriel aus. Anfangs arbeitete er nur mit Schminke und pantomimischer Bewegung. Dann begann er sich zu verkleiden, erfand bizarre Masken und Kostüme und versuchte, die fiktiven Figuren seiner Songs so echt wie möglich zu verkörpern. Kurz vor seinem Ausstieg agierte er dann als Schauspieler: In der Mammut-Show THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY, die ohnehin mehr Ähnlichkeit mit einem Broadway-Musical hatte als mit dem Auftritt einer Rockband.

Auch in seinem Gesangsstil setzte sich die theatralische Verfremdung mehr und mehr durch. „Sounds“ schwärmte damals vom „dämonischen Gesang Gabriels, der böse, flüsternd, schreiend oder einfach theatralisch rezitierend die überladenen Gruselgeschichten vortrug.“ Mit der Musik der Band addierte sich dieses Element laut „Rock Lexikon“ zu einer „Horror-Theatralik: Licht-Schocks, besessene Aktion unter Ultraviolett-Effekten, die ihre Gesichter im schwarzen Nichts schweben ließen, dauernde Wechsel von Posen und Kostümen – Fuchsmaske, Mumie, Schamane, Gnom.“

Gabriel, Rutherford, Banks und Anthony Philips (g) hatten Genesis 1967 gebildet; sie kannten sich von der Charterhouse-Public-School und hatten dort zusammen in einer Schülerband gespielt. Zum Start von Genesis engagierten sie den Schlagzeuger John Mayhew, so daß sich Gabriel, der zunächst auch getrommelt hatte, ganz auf den Gesang konzentrieren konnte. Gabriel erzählt, die Psychedelic-Welle im Jahre 1967 habe ihn endgültig motiviert, Musik zu machen:

„Das war unglaublich aufregend. Es sah so aus, als habe man unbegrenzte Möglichkeiten. Alles war neu, Barrieren wurden niedergerissen, eine Menge Experimente kamen in Gang, und das hat mich total getroffen. Und ich war vom SGT. PEPPER-Album der Beatles, die ich schon immer mochte, mächtig beeindruckt.“

Die stilistischen Elemente des Genesis-Sounds wurden in den Jahren bis 1970 herausgearbeitet. Ein erstes Album, 1969 unter dem Titel FROM GENESIS TO REVELATION veröffentlicht und unter der Leitung von Jonathan King produziert, brachte sie halbgar auf den Markt und wurde vom Publikum ignoriert. Erst ein Jahr später mit TRESSPASS war die Genesis-Musik ausgereift: „exzentrisch und überaus englisch“, wie der „Melody Maker“ schrieb, locker verwandt mit Yes, King Crimson, Gentle Giant, und sofort erkennbar, wenn irgendwo ein paar Takte ertönten.

TRESSPASS: Auf dieser LP hat Gabriels Gesang noch an vielen Stellen die typische „schmutzige“ Rockphrasierung; im Sound der Band schimmert Rhythm & Blues durch. Spätestens auf FOXTROTT, der übernächsten Veröffentlichung, waren alle Schmutzspuren beseitigt und der feinmechanische, aus wohlgesetzten Tönen und Klängen gebildete Genesis-Stil endgültig installiert.

Offensichtlich sind die Parallelen zwischen dieser Musik und dem Milieu, aus dem die Genesis-Musiker, kamen. „Ihr Background“, schrieb Ingeborg Schober damals in „Sounds“, “ war für die zu der Zeit in England entstehenden Bands typisch: Nicht Arbeitermilieu, sondern gehobener Mittelstand und Akademikertum. eine antiquierte Schulausbildung und repressive Erziehung. Durch diese Erziehung brach die Musik zwangsläufig nicht mit den Traditionen, sondern transportierte sie in einer zeitgenössischen Form weiter. So sind nicht nur auf den Platten von Genesis, sondern auch denen ähnlich strukturierter Bands Kunst und Kultur ihres Landes dominant: Sagen, Fabeln, Literatur, Historie. Ihre Musik ist am ehesten als depressiver, unartikulierter Protest Bezugspunkt für Primaner und Jungintellektuelle.“

Genesis etablierten sich in der Musikszene mit einer Besetzung, die über vier Jahre stabil blieb, von 1970 bis Ende 74: Gabriel, Rutherford. Banks, Phil Collins (dr) und Steve Hackett (g). Collins, der bei der Band Fläming Youth gespielt hatte, ersetzte Mayhew nach den Aufnahmen zu TRESSPASS. Nach einem Gitarristen als Ersatz für Anthony Philips suchte die Gruppe sechs Monate lang und stieß dann auf Hackett. NURSERY CRIME war das erste von diesem Quintett eingespielte Album, THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY das letzte.

Kurz nach Erscheinen dieser LP im Jahr 1974 ging die Band auf eine aufreibende Welttournee. Gleichzeitig engagierte sie erstmals in ihrer Geschichte einen Manager, den Konzertveranstalter Tony Smith. Genesis hatten die Produktionskosten für die LAMB-Revue alleine nicht mehr in den Griff bekommen: ihre Schuldenlast war auf 200000 Pfund angestiegen.

Zur finanziellen Krise kam eine künstlerische. Zum ersten Mal hatte Peter Gabriel Texte und Konzeption einer Platte, die ein Doppelalbum war, im Alleingang entworfen: Nach seiner Aussage eine „Hippie-Fabel über die Reise eines amerikanischen Subkultur-Helden in sein eigenes Gehirn“.

Das Stück war vollgepfropft mit Bildern und Symbolen, durch die niemand mehr durchfand. Gabriel irrte als New Yorker Graffitti-Rocker über die Bühne, eingerahmt von drei Leinwänden, auf denen eine der perfektesten Dia-Shows der Rockgeschichte abrollte, entworfen von dem Südafrikaner Jeffrey Shar. Dazu eine komplizierte, aufgedonnerte musikalische Kulisse, in der wenig Melodien durchschimmerten und die deshalb im Ohr diffus blieb.

Die Band bewältigte dieses Pensum mit Bravour, aber die Zuhörer waren der akustischen wie optischen Reizüberflutung nicht gewachsen. Gabriel, fasziniert von New York, ausgerüstet mit Songideen, die er unter anderem bei Franz Kafka und James Joyce fand, wollte „Extraversion, Realität und Größe“

der amerikanischen Metropole sichtbar machen. Und den Versuch zeigen, dort „die Pubertät zu kompensieren“. Sein Hauptdarsteller Rael finde diesen Weg jedoch nicht: „Alles, was ihm übrigbleibt, ist zu resignieren oder zu entkommen.“

Manche Betrachter fühlten sich bei diesem Multi-Media-Spektakel an Bayreuth erinnert. Und die Band spielte am Ende auch nicht mehr mit. Steve Hakkett: „Es war das erste Mal, daß Peter Gabriel alle Texte geschrieben hat und sicher auch das letzte Mal. Ich habe die Geschichte auch nicht sofort kapiert, einige Passagen vielleicht. Ich hätte sie auch nicht in dieser Form geschrieben. “ Michael Rutherford: „Wir sind wohl in eine Sackgasse geraten.“

Gabriel ging eine Zeitlang mit Austrittsgedanken schwanger und löste sich dann tatsächlich, obwohl der Zuschauerstrom zu den Aufführungen von THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY die Zukunft von Genesis durchaus in einem hellen Licht erscheinen ließ. Er startete seine Solokarriere: gleichzeitig stieg Phil Collins in die Jazz-Rock-Gruppe Brand X ein. die bereits 1975 ihr Debüt-Album UNORTHODOX BEHAVIOUR veröffentlichte. Exitus von Genesis? Alle Anzeichen deuteten darauf hin.

Womöglich war es ganz einfach Geschäftssinn, der Hakkett, Rutherford, Banks und Collins bewog, unter dem Markenzeichen Genesis weiterzumachen. Der Rock-Markt expandierte Mitte der 70er Jahre sehr rasch, und es war nicht sinnvoll, musikalisches Kapital, das sich über Jahre hin angesammelt hatte, sang- und klanglos aufzugeben. Zumal das Unternehmen Genesis nach dem Erfolg von THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY endlich profitabel zu werden schien.

Außerdem waren die Musiker von Genesis ein eng zusammenhängendes Team: anders hätten sie auch ihre komplexe Musik nie in den Griff bekommen. Solche bewährten Beziehungen, die durch Freundschaften unter den Musikern noch verstärkt wurden, erhält man natürlich gern aufrecht.

So kam 1976 TRICK OF THE TALE heraus; rätselhaft blieb bis heute, wieso Phil Collins plötzlich annähernd so singen konnte wie Peter Gabriel. Die kommerzielle Hochrechnung von Genesis ging auf: Die Gruppe wurde Miglied im Superstar-Zirkus, brachte jedes Jahr ein hunderttausendfach vorbestelltes Album heraus, war abonniert auf Spitzenplätze in den Charts, unternahm jedes Jahr eine aufreibende Welt-Tournee, spielte als Top-Act auf großen Festivals, war regelmäßig von Trennungsgerüchten umwoben, machte aber doch immer weiter.

Musikalisch hielten sie sich in dem in den frühen 70er Jahren abgesteckten Rahmen. „Der Höhepunkt der Kreativität ist überschritten“, bescheinigten Kritiker der Band: Verbesserungen kamen jetzt hauptsächlich aus dem produktionstechnischen Bereich.

Um sich ganz auf den Gesang konzentrieren zu können, überläßt Phil Collins bei Tourneen das Schlagzeug Gastmusikern: Zunächst Bill Bruford. der bei Yes und King Crimson getrommelt hatte, dann Chester Thompson, der aus der Band von Frank Zappa kam.

Ende 1976 gerät Genesis noch einmal ins Trudeln, als Steve Hackett ausstieg. Er sah sich in eine untergeordnete Rolle gedrängt, sprach von zweifelhafter Demokratie bei Genesis und wollte sein eigener Herr bleiben. Collins, Rutherford und Banks machen seitdem als Trio weiter: für Tourneen werden Musiker engagiert wie der Gitarrist Daryl Stuermer. der 1978 bei Genesis seinen Einstand gab.

Der Aderlaß durch Gabriel und Hackett steckte der Band jahrelang in den Knochen. Während der US-Tournee im Jahre ’78 verabschiedete sich Daryl Stuermer nach einem Konzert mit den Worten: „I am leaving!“ Kreidebleich fragte ihn daraufhin Phil Collins: „You’re leaving the group?“

Stabilisiert haben die Gruppe im zunehmenden Maße die Solo-Projekte der einzelnen Musiker. Wenn sich der Frust breitmacht, geht jeder eigene Wege.

„Wir lassen ein gemeinsames Projekt erst mal fallen und machen, jeder für sich, ein Solo-Album“, meint Mike Rutherford. „Das gibt uns die Möglichkeit, um uns wieder auf uns selbst besinnen zu können.“ Von Tony Banks gibt es jetzt zwei Alben, von Mike Rutherford eins. Der nimmermüde Phil Collins betätigte sich als Erfolgsproduzent (u.a. Frida und Adam Ant) und veröffentlichte darüber hinaus seine benannten drei Hit-Alben, einschließlich des Monster-Songs „In The Air Tonight“.

Erfolgreich mit bislang sechs Solo-LPs ist auch Peter Gabriel. Musikalisch sind alle seine Platten weitaus vielschichtiger als die Werke von Genesis seit dem Split. Aber Gabriels Musik, seine vielfältigen Aktivitäten und seine Popularität gerade in Deutschland sind Stoff genug für eine eigene Special-Story.