Schwangere Engel


Bananarama forever: Zwei der drei jungen Damen genießen bereits Mutterfreuden, doch sie denken nicht dran, deshalb mit dem Singen aufzuhören. George Barber traf die Gute-Laune-Girls zu einem Dinner bei Kerzenlicht.

Ihr hattet immerhin schon zehn Top-Ten Hits in Großbritannien und werdet trotzdem von der Presse totgeschwiegen. Warum eigentlich?

„Weil wir so bescheiden sind!“ sagt Sarah neckisch. „Nein, es liegt daran, daß wir nie die Lieblinge der Medien waren. .. wir sind ein wenig wie die Heavy-Metal-Gruppen, die werden auch nicht oft in der Presse erwähnt, aber sie verkaufen Platten wie verrückt — genau wie wir.“

Ich sitze mit der Bananen-Bande in einem plüschigen Restaurant im Londoner Stadtteil Nottinghill, eingerichtet mit zahllosen Wandteppichen und Kerzen, die der Stimmung etwas Düsteres, Ernstes geben. Bananarama sind, wie jedermann weiß, alles andere als düster und ernst. Sie erinnern sich kichernd daran, schon einmal hier gewesen zu sein, um ihre Beine fotografieren zu lassen. Nicht die Gesichter, nur die Beine! Ein japanischer Schuhhersteller wollte sehen, ob sie gut genug für einen Fernseh-Werbespot wären. Erniedrigend, nicht wahr? Besonders, weil sie nicht gut genug waren!

Wer kauft eigentlich eure Platten? Siobhan: „Das ist breit gestreut. Es waren mal 14jährige Mädchen. Aber jetzt sind es alle möglichen Leute… Börsenkaußeute, spanische Gauner, schwedische Köche, Tierärzte und ehemalige Waffenhändler, Jungs wie euer Flugkapitän Rust… eben ganz normale Leute, die gerne Spaß haben und sonntags nicht in die Kirche gehen.“

Wie weit arbeitet ihr mit Versatzstücken, von denen ihr wißt, daß sie erfolgreich sein werden, auch wenn ihr selbst nicht voll dahintersteht?

Keren: „Nun, in den Videos versuchen wir uns natürlich bestmöglichst zu verkaufen. Ich glaube, wir sind da schon reichlich selbstverleugnend; und in der Musik stecken natürlich auch schon einige Phrasen …“

„Eigentlich sind da eine Menge Phrasen …“ Sarah lacht in ihre Pasta, Siobhan rührt ihre nicht an.

Benutzt ihr bei Live-Auftritten Playbacks oder ist alles echt?

Keren: „Bei unseren ersten Auftritten benutzten wir Bänder. Einmal sangen wir ‚Robert De Niro’s Waiting‘ in einer U-Bahn- Station, aber nach der Hälfte des Liedes riß das Band und wir mußten den Rest ohne Begleitung singen… es war schrecklich! Aber wir benutzen nicht mehr Playback als andere Gruppen auch.“

Der Text von „Robert De Niro’s Waiting“ war sehr gut. Ich frage mich, warum ihr so nicht weitergemacht habt, ein festes Thema oder Konzept als Grundlage für den Text?

„Gut gesagt, aber es gibt keine Songs über Themen.. haha… wir wollen auch nicht über Themen singen, die …“

Glaubt ihr, es gibt Raum für Politik im Pop?

„Nein… es ist sehr schwer, einen Popsong über ein Thema zu machen … Mit unserem neuen Album wollten wir ein richtig gutes ,Pop‘-Album schreiben — so eines wie die von TamlaMotown, die wir hörten, als wir aufwuchsen. „

Mir fiel auf, daß es sehr nach der Gruppe Chic klingt?

Ja, wiedermal gut getroffen …ha ha ha… das tut es ganz sicher — mit Absicht. Wir halten sehr viel von ihnen… sie machten brillante Tanz-Musik.“

Aber ihr wollt doch sicher letztlich eure eigenen Sachen machen?

“ Nein!… Hmmpfl“ Sie lachen auf eine Art und Weise, daß einem klar wird, daß sie es auch so meinen.

Drängt man euch eigentlich dazu, Boy meets Girl-Texte zu schreiben… auf dem neuen Album kommt doch einer nach dem anderen…?

„Nein, überhaupt nicht.. . wir wollten, daß das Album klassischer Pop wird— und klassische Pop-Songs handeln nun mal von Beziehungen… nicht von Themen. Wir sind nicht verpflichtet, irgendetwas zu schreiben. Sex ist eine Triebfeder im Leben eines jeden. Wie auch immer, worum sich der Text dreht, ist für die meisten Leute ohnehin unerheblich…

Seid ihr zynisch? „Nein — wir sind die reinsten Unschuldsengel. „

Lest ihr Zeitschriften, The Face oder den „New Musical Express“?

Keren: „Nein! Nein, damit haben wir schon vor Jahren aufgehört. The Face ist inzwischen sehr langweilig.. sie versuchen mit aller Mühe, irgendwelche Trends auszugraben.“

Immerhin, am Anfang war The Face für eure Karriere eine große Hilfe.

Siobhan: „Das ist wahr, aber irgendwie hatten wir zu früh zu viel Publicity. Wir waren schon da oben, bevor wir überhaupt wußten, daß wir Songs schreiben konnten. Da war zu wenig Zeit, um natürlich zu reifen.“

Sarah: „Aber ich glaube, wir haben die Widrigkeilen der Pop-Industrie ganz gut durchgestanden. Wir sind jetzt eine der erfolgreichsten weiblichen Gruppen in der ganzen Welt — und wir hatten nie Arger mit der Presse.“

Keren: „Bedenke, daß die britische Presse lügt wie gedruckt. Letzte Woche stand im ,Mirror‘ die Überschrift: ,Bananarama – Schönheit von Seeungeheuer angefallen. Sie haben einen Arzt zitiert, der behauptete, ich habe fünf Narben im Rücken. Dieser Artikel ist noch ganz lustig; andere Lügen sind es, die viel schlimmer sind.

Siobhan: „Richtig. Als ich Dave Stewart heiratete, wurde ein ziemlich undurchsichtiger Freund von mir dafür bezahlt, einige schmutzige Geschichten zu erzählen, die nicht wahr waren. Aber am Ende wurde er dann nicht mal bezahlt, ha ha. Er verließ das Land ganz schnell, als er herausfand, daß ich ihn verklagen wollte…

Babies

Verändert die Aussicht, Mutter zu werden, etwas an eurer Musik?

Siobhan: „Nein. Ein Baby hat mit der Musik nichts zu tun.“

Aber ist da nicht ein Widerspruch: Alle eure Songs handeln davon, wie man Männer bekommt, wie man sie wieder verliert. Tatsächlich drehen sich alle nur um Männer. Aber ihr selbst seid alle in festen Händen?

Sarah: „Ich nicht! Ich hab auch kein Baby!!!“

Die Plattenfirma hat uns klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß wir nur Fotos von der Schulter an aufwärts machen dürfen. Warum?

Siobhan: „Nun, schwanger zu sein sieht eben nicht gut aus. Ich bin zwar sehr stolz, aber es gibt nun mal Leute, die daraus ihren Nutzen ziehen. Die drucken dann Fotos, um uns in irgendeine Ecke zu stellen. Außerdem sehen schwangere Frauen am besten in langen, wallenden Kleidern aus — aber das hat dann gar nichts mehr mit dem Image von Bananarama zu tun.“

Prince

„Wunderbar, ein Genie.“ Alle Mädchen jubeln einhellig. Siobhan: „Er kam einmal zu mir und sagte, .Habe ich dich nicht im Fernsehen gesehen?‘ Ich bin fast gestorben vor Aufregung, obwohl wir damals Nummer Eins in Amerika waren. Er ist mein Held.“

Keren: „Ich habe seine Show gesehen, aber ich war enttäuscht. Wahrscheinlich, weil sie so groß angekündigt worden war.“

Madonna

Wollt ihr auch Schauspielerinnen werden und die große Leidenstour machen wie jetzt Madonna?

„Nein, wir werden nie mehr auf uns nehmen als wir können; zur Schauspielerei haben wir kein Talent.“

Siobhan: „Aber in ihrer Show fehlte mir etwas Humor. Sie war reichlich pompös, sie nimmt ihre Superstar-Rolle sehr ernst …“

Keren: „So sind Amerikaner immer…“