Leonard Cohen – Hamburg, CCH
Nein, ein Showman ist er nicht. Die Art, wie er sich fast auf die Bühne schleicht, um keinerlei Auftrittsapplaus buhlt, den Mund nur knapp zu einem Lächeln verzerrt: Es muß ihm fast unangenehm sein, vor dreitausend Leute zu treten, die dem Meister huldigen und sein „Suzanne“ hören wollen. Zunächst gibt’s nur ein schüchternes, beinahe zähes „Bird On The Wire“, dem ein Aufatmen des Publikums folgt – er ist noch der alte. Oder doch nicht? Als nach über einer halben Stunde immer noch nicht von „Suzanne“ die Rede ist, geschweige denn gesungen wird, grinst Leonard Cohen schon breiter und weist bescheiden darauf hin, daß er in den letzten 20 Jahren noch ein paar andere Songs geschrieben habe, zum Beispiel „First We Take Manhattan“. Naja, man gibt sich zufrieden.
Und siehe da: Die neuen Lieder vom I’M YOUR MAN-Album stehen ihren Mann. „Tower Of Song“ zum Beispiel, mit sanfter Ironie und Blues-Tönen, entwickelt einen leisen Humor, der fast fremd an Cohen wirkt und ihn mit einem Schlag hautnah heranzoomt. Und das ist, auch nach 20 Jahren, seine große Stärke: Mit ganz geringen Mitteln Intimität zu erzeugen, die man beinahe mit den Händen greifen kann. Seine „Show“, seine minimalen Bewegungen, seine linkischen Gesten mit dem Mikrofon, das alles hat soviel Natürlichkeit und Witz, daß man gar nicht verstehen kann, wie dieser Mann als Depresso-Barde gelten konnte. Man fühlt sich wie bei ihm im Wohnzimmer, wo er mit Freunden fröhlich Hausmusik macht. Auch zwei Mädel sind da: Pearla Batalla und Julie Christensen sehen nicht nur aus wie Engelein, sondern singen auch so. Cohens Band, immerhin sechs Mann an der Zahl, wirkt passend dazu wie die Beatgruppe vom evangelischen Jugendheim: sauber, adrett, brav und ein bißchen langweilig, so als wären sie gelähmt von der Aura des Meisters oder zu ängstlich, seine Trance zu stören.
Lediglich der umfangreiche Mandolimst John Bilezikjian ist zwischen all diesen schlanken, schönen, leisen Menschen ein Stück pralles Leben – sinnigerweise ist er für die meditativen Töne zuständig, die manchmal arg lang ein paar Songs einleiten.
Natürlich spannt Leonard Cohen sein Publikum nicht endlos auf die Folter und kriegt irgendwann die Kurve zu alten Zeiten. Nach der Pause, allein mit Gitarre und einem Bühnenbild mit zarten Wölkchen, erzählt er die Geschichte von sich, Janis Joplin und dem „Chelsea Hotel“, anschließend „Avalanche“ – wohliges Seufzen durchbebt die Sitzreihen, und langsam läuft Cohen zu wirklich grandioser Form auf. Wenn man die Lichtgewitter, Dezibel-Kanonaden und Bühnenshows anderer Konzerte vergleicht, ist man irritiert, wie sehr doch etwas so „Reizarmes“ so lange die Aufmerksamkeil fesseln kann. Cohen hat mit I’M YOUR MAN nicht nur eins seiner besten Alben abgeliefert, sondern sich auch als einzigartiger Performer erwiesen. Ein weiser, ein menschlicher und ironischer Clown, bei dem die Tristesse ebenso dazugehört wie satirischer Witz.