König Wider Willen
Schon komisch, was Deutschland alles auslösen kann! Ausgerechnet hier entdeckte der junge Robert Cray seine Liebe zum Blues. Gerade zehn Jahre war er damals alt. Vater Cray war bei der Army und die Familie hatte sich langsam daran gewöhnt, dem Familien-Oberhaupt kreuz und quer durch die Staaten hinterherzuziehen, doch dann wurde Cray Senior eines Tages ins ferne West-Germany abkommandiert.
“ Wir konnten plätzlich das, was auf dem TV-Schirm geredet wurde, nicht mehr verstehen“, erinnert sich Robert. Da blieb nur, entweder Deutsch lernen, um das Femseh-Programm zu verstehen, oder — und dafür entschied sich die Familie Cray — die Abende statt vor der Glotze, vor dem Dansette, einem der ersten transportablen Plattenspieler, zu verbringen.
„Dad kaufte alle Platten, die damals in den US-Charts gerade angesagt waren, vorwiegend Sachen im New Orleans-Sound. Jazz von Miles Davis, Soul von Sam Cooke oder Blues von B.B. King. Bobby Bland …“
Beim Blues blieb der junge Robert hängen. Ein kurzer Ausflug in den Liverpool-Sound der Beatles und ein mißglückter Abstecher in den Acid-Rock aus San Francisco, bestärkten Robert nur noch in seiner wirklichen Vorliebe: der Blues war und blieb allein sein eigenes Ding.
Dabei würde Robert selbst viel lieber eine romantischere Story über seinen Weg zum Blues erzählen. In etwa so wie bei seinem früheren Hero Buddy Guy. Buddy wurde in einer versifften Bretterbude in Louisiana geboren. Seine erste Gitarre soll er sich aus den Brettern eines Holzzaunes und Maschendraht gebaut haben, weil er einfach spielen mußte. (Wer’s glaubt…) Robert fühlte sich allein durch seine Kindheits-Hörgewohnheiten zu den Ursprüngen der schwarzen Musik hingezogen, obwohl diese von den, von Weißen beherrschten Medien totgesagt wurde. Kein Wunder, daß der schüchterne, zurückhaltende Robert erst dann wirklich ausrastet, wenn George Michael in den USA ausgerechnet die Black Charts anführt, während B.B. King sogut wie kein Airplay kriegt.
Trotzdem will der exzellente Basketball-Spieler Cray auf keinen Fall die Verantwortung für ein groß angelegtes Blues-Revival übernehmen. Da fürchtet er doch viel zu sehr die Eingrenzung seiner kreativen Freiheit, die Fesseln einer Musik-Richtung, die, so sehr er sie auch schätzen mag, bereits Geschichte ist. Lehrte ihn der Blues doch letztendlich — so betont er in Interviews immer wieder — daß die Robert Cray Band keine Blues-Band ist.
Nachdrücklich verweist Robert darauf, daß seine bislang erfolgreichste Single „Smokin’Gun“, eine Rock’n’Roll-Platte ist. „Vermischtmit vielen anderen Stilen: Altmodischer R&B. moderner Funk, Jazz — den Touch bringt der Keyboarder rein — und eine große Portion Stax-Soul. Ich bin wirklich ein riesiger Stax-Fan!“
Aufmerksame Cray-Fans hören das am deutlichsten aus „At Last“, von der aktuellen LP DON’T BE AFRAID OF THE DARK, heraus. Überhaupt ähnelt das Feeling des gesamten Albums stark dem Otis Redding-Werk MR. PITIFUL. Was Wunder, bliesen doch die legendären Memphis-Horns beinahe auf allen Otis Redding-Aufnahmen und seit STRONG PERSUADER auch für Robert Cray. Witzigerweise lernte der die Jungs aus Memphis erst vor zwei Monaten in Los Angeles kennen. Ein Beweis dafür, wie auch Cray durch den raschen Erfolg von den modernen Aufnahme-Techniken überrollt wurde: Die Bläser-Sätze wurden den Aufnahmen erst dann hinzugefügt, als die Band sämtliche Songs fertig eingespielt hatte.
Natürlich überwachten die Produzenten Bruce Bromberg und Dennis Walker die Herren Wayne Jackson (Trompete) und Andrew Love (Saxophone), ließen ihnen aber genug Freiraum, den eigenständigen Memphis-Horns-Sound einzubringen. Vom Ergebnis total begeistert, schlug Robert gleich vor, Jackson und Love als/w//time-members in die Cray-Band aufzunehmen.
Die Robert Cray Band ist jedenfalls mehr als ein Sänger/Gitarrist mit Backing-Band. Eher schon ein auf Blues basierender musikalischer Klüngel, den Cray „Demokratie mit König“ nennt. Als die Plattenfirma nach einem Image für die Band suchte, konzentrierte sie sich natürlich auf Frontmann Robert. Selbst seine scheinbare äußere Ähnlichkeit zu Weltstar Sidney Portier wurde beschworen. Dabei sind die Energien und Kraft von sieben verschiedenen Menschen für den Erfolg der Band gemeinsam verantwortlich.
Drummer David Olson, Keyboarder Boe und besonders Bassist Richard Cousins, der schon seit 20 Jahren mit Robert zusammen spielt, steuern alle ihren Teil zum Songwriting bei. Produzent Walker schrieb Intro und Schluß von DON’T BE AFRAID OF THE DARK. Sein Partner Bromberg zeichnet für seine Album-Titel mit D. Amy (seine Kinder heißen Dave und Amv).
Frag‘ Robert, ob er sich vorstellen kann, ohne dieses Team zu arbeiten lind seine Augen werden sich erschreckt weiten. Es ist noch nicht so lange her. daß Bassist Cousins alle Songs auf der Bühne ansagen mußte, Roberts Zunge war vor Angst und Scheu gelähmt.
Die Band, das sind für Robert nicht einfach eine Handvoll Musiker, das ist sein Freundeskreis, fast schon eine Art Familie und natürlich sein Qualitäts-Kontroll-Zentrum. „Meine Jungs sind sehr strenge und unerbittliche Kritiker. Strenger als irgendein Außenstehender je sein könnte. Keiner von uns glaubt, daß wir bisher eine wirklich gute Platte gemacht haben. Egal, wieviele LPs wir verkaufen. Wir wollen nicht mehr, als zusammen weitermachen und vielleicht schaffen wir irgendwann mal eine richtig gute Scheibe.“
DONT BE AFRAID OF THE DARK klingt mit seinem B.B.King-Shuffie-Blues „Across The Line“ und dem souligen „Don’t You Even Care“ stilechter als STRONG PER-SUADER, das doch mehr den Anstrich hat, als würden die Dire Straits versuchen, ihrem Massen-Publikum den Blues schmackhaft zu machen.
„Ich versteh‘ das nicht. Wir haben STRONG PERSUADER für unser eigenes Label, Hightone, aufgenommen. Da haben wir noch nicht an Hits gedacht, wir hatten noch nicht einmal den Vertrag mit Phonogram. Jeder warf sein Material in die Auswahl, wir nahmen auf und die besten Songs kamen auf die LP. Auf der aktuellen Scheibe hatten wir weniger rockorientierte Songs. Ein so straighter Titel wie „Smokin‘ Gun“ war einfach nicht dabei. Da steckt kein Plan dahinter, keine Strategie. Viel- . leicht klingt das nächste Album wieder mehr nach STRONG PERSU ADER, vielleicht entwickelt es sich ganz anders.“