Phillip Boa


Fan zu Star: „Hey, du hast eine Scheiß-Frisur!“ Star zu Fans: „Kkchh!“ Fan zu Star: „Hey, du hast ein Scheiß-Gesichl!“ Star zu Fans: „Seid ihr aber wieder lieb zu mir!“ Kein Zweifel: Phillip Boa gibt ein Konzert.

Dabei hätten die gut 1200 Freunde von Boas gepflegter Unangepaßtheit um ein Haar an diesem Abend kein Opfer für ihren Beschimpfungs-Spaß gehabt – schwer vergrippt sinnierte der 27jährige Dortmunder den ganzen Tag im Hotelbett bei 39,5 Grad Fieber über eine Konzertabsage. Doch Boa ist noch nicht Star genug, die Fans ohne seine livehaftige Avantgarde-Packung nach Hause zu schicken oder sich gar die verhustete Stimme wieder mit Chemie hinspritzen zu lassen. Selber schuld also, wenn er sich dann stockheiser doch noch auf die Bühne schleppt.

Doch die Kunst-Boa ist immer auch eine Kampf-Boa; wacker krächzt er sich knapp zwei Stunden lang durch seine Songs, wohl wissend, daß von ihm sowieso keiner irgendwelche Pavarotti-mäßige Sangeskunst erwartet.

Das verschärfte Stimm-Manko gleicht Phillip, der nach jedem Song demonstrativ ins Mikro hustet, mit seinen eigentlichen Qualitäten spielend wieder aus. Die spröde instrumentierten Songs winden sich mit zum Teil erschreckender Dynamik durch das seelische Labyrinth des Dortmunder Querkopfs. Daß der Rhythmus-Dreier Guido, Max und Rabe mittlerweile zu einer luftdichten, punktgenauen Form aufgelaufen ist, sorgt manchmal fast schon für Verwirrung – die Jungs spielen bereits einen Tick zu gut für dieses rohe Song-Material. Diese sichere Grundlage ist es dann aber auch wieder, die ein Boa-Konzert vor dem – wenn auch genialen – Chaos rettet. Sie hält Kopf und Bauch zusammen und gibt auch Boa-Partnerin Pia die Basis, ihre mittlerweile doch deutlich verbesserten Keyboard-Künste zu demonstrieren.

Vor allem bei den Stucken von der aktuellen LP HISPANOLA aber quittieren die Fans die Entwicklung, die Boa in Richtung klarerer Song-Strukturen gemacht hat. Mitgeklatscht werden darf bei Klassikern wie „I Dedicate My Soul To You“ und „Kill Your Ideals“, und zu „Container Love“, die letzte Zugabe, kocht gar der Pogo in den ersten Reihen. Auch Boa tanzt ein wenig, doch bei ihm paßt’s besser zur Musik: Psycho-Can-Can mit leicht gestörter Sensomotorik.