Mit den Sternen auf Kriegsfuß: Thomas Anders, im Nebenberuf seriöser Sternendeuter, wundert sich über die wachsende Sucht nach dem täglichen Horoskop.
Vorbei die Zeit, als noch niemand vom Astrozeitalter sprach oder sich um seinen Kaffeesatz kümmerte. Selbst meine standhaftesten und bodenständigsten Freunde unterwerfen sich mittlerweile ihrem Horoskop. Zum Beispiel meine Freundin Jutta: als sie kürzlich völlig aufgelöst an meiner Tür klingelte, ahnte ich schon, daß die Sterne mal wieder Schicksal gespielt hatten. ,Thomas, ich bin am Ende. Es lief alles so gut mit Stefan, bis ich errechnen ließ, daß sein Aszendent Skorpion ist. Ein Stier mit diesem Aszendenten und ich als Schütze — das würde nie gutgehen.“ Oder mein Freund Guido: Sein erster Blick in die
morgendliche Tageszeitung gilt nicht den Weltnachrichten, dem Sportteil oder der Wettervorhersage, sondern dem Horoskop. Mit beharrlicher Konsequenz richtet er sein Leben nach diesen zwei täglichen Sätzen. Selbst auf meine Frage, warum er denn kürzlich an einem ausgesprochenen Glückstag einen Unfall baute, wußte er die passende Sternenantwort: „Es hätte schlimmer kommen können …“
Auch Roste, eigentlich eine hundertprozentige Realistin, hat sich seit kurzem dem Sternenzauber unterworfen. Zweimal jährlich besucht sie ihren Astrologen im Berner Oberland, Zuhause weigert sie sich zwar strikt, mehr als nur zwei Mäuserblöcke per pedes zurückzulegen, doch um zu ihrem Schweizer Lebenshelfer zu gelangen, unternimmt sie die obskursten Bergwanderungen. Neulich gingen wir alle gemeinsam essen. Beim Dessert angelangt, entfachte eine lebhafte Diskussion darüber, zu welchem Thema ich mich in ME/Sounds auslassen solle. Jutta meinte, ein kleiner Wegweiser zur Männerpflege sei angebracht. Erst gestern hätte sie eine Begegnung mit einem extrem transpirierenden Waage-Mann gehabt. .Alles Quatsch“, fiel Guido dazwischen, eine knackige Story über neue Entwicklungen der Studiotechnik müsse es sein. Leicht konfus kam ich zuhause an und blätterte vor dem Einschlafen noch in einem Zeitgeist-Magazin. Bei den „Astro-News“ blieb ich hängen. Unter meinem Horoskop stand: „Hören Sie nicht auf gutgemeinte Ratschläge Ihrer Freunde, sie könnten Sie verwirren. Überschlafen Sie die Angelegenheit noch einmal. Dann dürften Sie klarer sehen.“
