Cranberries


Alle Achtung, wie sich Dolores O’Riordan doch verändert hat: Früher war sie so scheu, daß man ihre Stimme oftmals kaum wahrnehmen konnte. Heute präsentiert sich die Frontfrau als platinblonder Vamp, dessen knappes Kleidchen mit dem Sex-Appeal des Jungfräulichen kokettiert, und der sie die entzückt quietschenden Horden mit einem Schnippen des Fingers zur absoluten Ruhe bringen läßt. So geschehen, als sie zur Zugabe auf die Bühne schlendert, um allein mit der Akustikgitarre den Titelsong der neuen CD, ‚No Need To Argue‘, zu spielen. Kein Zweifel: Die Cranberries haben sich mächtig gemausert. Auch die Songs, die noch vor kurzem klangen wie die auf ewig in den Indie-Underground verbannten Ergüsse folkiger Träumer vom Lande, haben inzwischen das Format regelrechter Pop-Hymnen. Was die Cranberries von anderen unterscheidet, ist die Fähigkeit, sich aufs Wesentliche zu beschränken. Kein aufwendiges Bühnenbild stört die Aufmerksamkeit – einzig ein schlichter Vorhang und zwei Blumensträuße dienen der Band als Dekoration, in der neben Dolores noch drei unscheinbare Typen an Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen. Doch gerade die wissen, wie man’s macht: Speziell der Cranberries-Drummer sorgt mit cleveren Fills und Breaks immer wieder für Überraschungen und die nötige Dynamik. Das Quartett aus Irland hält es mit der Ökonomie des Augenblicks: Kaum ein Song dauert länger als dreieinhalb Minuten. So kommt niemals Langeweile auf, aber auch niemals Euphorie. Das mag daran liegen, daß die Musik der Cranberries eher auf leisen Sohlen daherkommt und nach Möglichkeit jede Aufdringlichkeit meidet. Zu gefällig und pflegeleicht wirkt dann vieles, zu sehr „Middle of the Alternative Road“, ohne Ecken und Kanten, an denen sich der Hörer gern reibt. Ein paar Borsten und Aufmüfigkeit à la Sinead O’Connor, mit der Dolores O’Riordan zumindest die Stimmlage teilt, könnte in Zukunft bestimmt nicht schaden.