Gary Moore: Der Ire und der Irre


Gary hat den Blues - und covert sein Idol Peter Green. Die Liebe seines Lebens oder nur ein falscher Freund?

Ein Blues-Album mit Cover-Versionen? Nichts Besonderes, sollte man meinen. Doch der Hintergrund von ‚Blues For Greeny‘, dem neuen Gary Moore-Album, liefert den Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden: Wie der große Peter Green, stilprägender Gitarrist bei John Mayall’s Bluesbreakers und Fleetwood Mac, dem blutjungen Iren Gary Moore und dessen damaliger Band Skid Row einen Plattenvertrag beschaffte. Wie er dem 18jährigen auf einer Auto-Spritztour anvertraute, demnächst bei Fleetwood Mac auszusteigen. Und wie er ihm dann seine sagenumwobene Gibson Les Paul vererbte, mit der Moore nun sein neues Album eingespielt hat. „Wir haben versucht, das Raue und Rohe meiner früheren Blues-Produktionen herauszufiltern und einen cleanen Sound hinzukriegen, der Peters klarem, melodiös-meditativem Gitarrenstil entspricht.“ Es ist erstaunlich, wie nahe Moore in seinen Green-Adaptionen wie ‚Need Your Love So Bad‘, ‚Driftin“ und ‚Showbiz Blues‘ den Originalen kommt. Mal abgesehen von dem Risiko, auf Zeitgeist polierten Designer-Blues zu produzieren, ist das letztlich nicht unbedarfter Traditionalismus? Moore wird energisch: „Nein, es ist meine Art, meinen Respekt vor einem der größten und einflußreichsten Blues-Künstler zu zeigen.“ Gary Moore und der Blues. Eine einseitige Liebe, wie boshafte Kritiker meinen. Moore rutscht sofort auf die Vorderkante seines bequemen Sofas und signalisiert: Vorsicht, diplomatisches Minenfeld! Die nächste Frage zielt auch schon mitten hinein. Pünktlich zum vielzitierten Blues-Revival vor fünf Jahren brachte Moore ‚Still Got The Blues‘ heraus, das sich drei Millionen Mal verkaufte und damit eines der erfolgreichsten Blues-Alben aller Zeiten wurde. Böse Zungen behaupteten, Moore sei damals auf einen fahrenden Zug gesprungen. Zack, schon steigt Garys Blutdruck: „Ich und auf einen fahrenden Zug gesprungen? Wer außer mir spielte denn zu der Zeit Blues? Clapton ließ sich seine Alben damals von Phil Collins produzieren. Er kehrte erst zwei Jahre später mit seinem ‚Unplugged‘-Album zum Blues zurück. Der einzige, der damals etwas im Blues bewegte, war ich!“ Stichwort Clapton: Eigentlich müßte Moore doch ständig straucheln, weil er in den zu großen Schuhen des Blues stetig auf den Spuren von Slowhand wandelte. Höhepunkt dieser Verfolgungsjagd war das letztjährige Cream-Revival-Projekt BBM mit Jack Bruce am Baß, Drummer Ginger Baker und Clapton-Epigone Gary Moore. „Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf. Jack, Ginger und ich waren uns des übermächtigen Schattens von Cream immer bewußt. Wir haben Witze darüber gerissen, aber für unser Album ‚Around The Next Dream‘ habe ich Songs geschrieben, die ich zu meinen besten überhaupt zähle. Und live haben wir Sets abgeliefert, die sich mit Cream durchaus hätten messen lassen können. Das Projekt war eine Totgeburt, der Druck von außen einfach zu groß. Vor allem ihr Journalisten in Deutschland habt kein gutes Haar an uns gelassen!“ Aber ist Blues denn nicht nur noch reine Archiv-Verwaltung? Immer dasselbe Zwölftakt-Schema, dieselben Melodien, dieselben Themen nach dem Motto „woke up this morning, my baby’s been gone“? Moore stellt sich taub: „Gerade die Einfachheit läßt einem sehr viel Spielraum.“ Etwa Spielraum für perfekte Interpretation, aber was ist mit wegweisender Kreativität? „Jimi Hendrix hat doch die Grenzen revolutionär erweitert!“ Zählt er sich denn auch zu den Revolutionären oder eher zu den Handwerkern? „Selbst wenn ich ein Handwerker bin, dann doch immerhin einer, dessen Handschrift man erkennt – also doch ein Original. Aber was interessiert mich das Geschwätz, mich interessiert nur, was Peter Green zu meinem Album sagen wird.“ Peter Green, vor langer Zeit abgetaucht ins mentale Nirvana und milden Wahnsinn, wird sicher seine eigene Meinung dazu haben…