Abgerechnet Wird Zum Schluss


Sind die U2-Konzerte für den Veranstalter tatsächlich profitabel?

„I went out walking through streets paved with gold.“ Daß diese Textzeile aus dem 93er U2-Album ‚Zooropa‘ eine treffliche Analyse in eigener Sache ist, dürfte selbst jenen allmählich dämmern, die Bono und Co. immer noch für die Rock-Heroen mit dem weißen Banner halten. Dabei haben die fantastischen Vier aus Dublin längst den weißen Kragen knallharter Geschäftsleute angelegt. Promoter Michael Cohl, der die am 25. April in Las Vegas beginnende Tour weltweit vermarktet, rechnet mit einem Gewinn von 260 Mio. Dollar, von denen knapp 30 Millionen in die Kasse seines Unternehmens fließen werden. Bleibt unter dem Strich reichlich Kohle – Garantiesummen, wie man hört für die Herren Stars.

Für die nationalen Veranstalter hingegen dürfte sich jedoch die bange Frage stellen: Goldgrube oder „Mission: Impossible“? Einige der renommiertesten deutschen Agenturen gehen von letzterem aus und haben dankend verzichtet. Zum Beispiel Marek Lieberberg: „Wir veranstalten die Tour nicht, weil wir die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht akzeptiert haben“, sagt Pressechef Hansi Hoffmann. Aber Lieberberg hat doch jahrelang „mit gigantischem Erfolg“ (Hoffmann) mit U2 zusammengearbeitet? „Schon richtig, aber wenn die Entscheidung unter kaufmännischen Gesichtspunkten anders ausfällt, sind wir nicht traurig.“

Nächste Nachfrage, ähnliche Auskunft: „Die Vorstellungen des U2-Managements hinsichtlich Tourverlauf, Finanzierung und anderem haben sich nicht mit den unseren gedeckt“, erklärt Michael van Almsick, Sprecher von Mama Concerts & Rau. Aus Sicht seines Unternehmens habe sich „das einfach nicht gerechnet, und deshalb haben wir in aller kaufmännischen Höflichkeit von diesem Projekt Abstand genommen.“

Deutlicher äußert sich Scumek Sabottka, Geschäftsführer der Konzertagentur MCT. „U2 interessieren uns nicht, was wiederum an dem knallharten Deal liegt. Bei einer Band in dieser Größenordnung ist der Verdienst für den Veranstalter äußerst gering.“ Um diese Aussage zu unterstreichen, macht Sabottka kurzerhand folgende – wohlgemerkt vage -Rechnung auf: „Ich schätze, daß zu jedem U2-Konzert in Deutschland rund 25.000 Leute kommen werden. Wenn wir mal einen Ticketpreis von 60 Mark zugrundelegen, habe ich Einnahmen von 1,5 Millionen Mark, netto also ungefähr 1,4 Millionen. Davon geht eine Million für die Kosten ab. Ich als Veranstalter erhalte von der verbleibenden Summe 2,5 bis 3 Prozent. Das wären im Extremfall gerade mal 10.000 Mark.“ Nun werden die Tickets aber 70 Mark kosten, und die Konzertagentur Peter Rieger als Veranstalter geht von „ab 50.000 Besuehern aufwärts“ aus. Sabottka winkt ab: „Selbst wenn der Gewinn bei 50.000 oder 100.000 Mark läge: Für ein mittelständisches Unternehmen wie das unsere ist das nicht zu machen. Zumal von diesem Betrag der örtliche Veranstalter auch noch seinen Anteil erhält.“ Und was ist mit dem Renommee? „Von einem Imagezugewinn kann ich mir nichts kaufen. Nehmen Sie nur Hermjo Klein. Der hat 1995 die Stones-Tournee durchgeführt, und jetzt hört man, er sei pleite.“

Zeit, mal bei der Agentur Peter Rieger reinzuhören, die den Zuschlag für die fünf U2-Gigs in Deutschland erhalten hat. „Aus unserer Sicht ist das ein kalkulierbares Risiko. Wir machen schließlich kein Harakiri“, sagt der Uz-Beauftragte bei Rieger, Uwe Schmid. Daß er von Besucherzahlen von 50.000 oder mehr ausgeht, hält er nicht für zu optimistisch. „Nach Aussagen der Plattenfirma hatten die unter 18jährigen einen beträchtlichen Anteil an den Verkäufen des ‚Zooropa‘-Albums. Das heißt, es wachsen neue Hörerschichten nach.“ Kein Problem erwartet er auch durch die relativ kurze Vorlaufzeit. Um Weihnachten herum gab’s das Okay für Rieger. „Sieben oder acht Monate reichen völlig aus. Die Strukturen sind ja vorhanden, und als Veranstalter von Genesis und Phil Collins oder von Open Airs mit Pavarotti hat unsere Firma das Knowhow für Acts dieser Größenordnung.“ Kurzum: „Schlaflose Nächte habe ich nicht.“

Aber vielleicht der örtliche Veranstalter, stets der Letzte in der Reihe, den bei Events dieser Größenordnung nicht selten sprichwörtlich die Hunde beißen? Keine Spur. „Vorfreude und Lampenlieber“ seien die momentan vorherrschenden Gefühle, sagt Alex Gotzner vom Concertbüro Nürnberg, der vor Ort für den U2-Auftritt am 18.

August auf dem ‚Zeppelinfeld‘ der Frankenmetropole verantwortlich ist. Warum setzt man sich als vergleichsweise „Kleiner“ einem solchen Risiko aus? „Weil es unser Beruf ist, Konzerte zu veranstalten, und nicht, sie abzulehnen“, kontert Gotzner trocken. Jetzt aber mal im Ernst: „Unser Vertrag schließt nahezu jedes Risiko aus.“ Natürlich ist ihm klar, daß „so eine Tour enorm kostenaufwendig ist, daß niemand dabei Geld verlieren will und daß es für alle Beteiligten eine knappe Sache werden kann“. Am 18.8. gegen 20 Uhr wird das für zwei Stunden vergessen sein. „Wenn die Jungs dann auf der Bühne stehen“, weiß Gotzner schon heute, „kommt es einem vor, als hätte man ein Baby auf die Welt gebracht.“