Herr der Schöpfung


Ohne Alan McGee gäbe es nicht das Label Creation.Ohne Creation gäbe es Oasis nicht. Und ohne Oasis hätte die Renaissance des britischen Rock so nicht stattgefunden.

ZUM FEUDALEN INNENHOF DES DISTINGUIERTEN Landmark Hotels in London hat Rock ’n‘ Roll keinen Zutritt. Zwischen Pflanzenkübeln und leise plätschernden Springbrunnen stochern Geschäftsleute in ihrem Frühstück, manchmal klingelt ein Handy. Alan McGee – Schöpfer des Labels Creation, Entdecker von Oasis und Busenfreund von Tony Blair-fühlt sich in diesem Ambiente wohl. Und erklärt auch gerne, warum: „Als Noel und Liam anfingen, hatten sie überhaupt keine Kohle. Sie mußten lügen, um überhaupt Sozialhilfe zu bekommen. Inzwischen haben allein Oasis weltweit etwa 750 Millionen Mark verdient. Unsere Kulturindustrie hat einen jährlichen Umsatz von fast 30 Milliarden. Es geht um Zahlen, um Geld, um Wirtschaft.“ Kein Wunder, daß McGee als Schlüsselfigur dieser wiedererstarkten Industrie von Tony Blair im Vorfeld der Wahlen hofiert wurde – und Creation die Wahlkampfkasse von Labour mit einer beträchtlichen Summe unterstützte. Kann denn der jugendlich wirkende Premierminister einen schlechten Rocksong von einem guten unterscheiden? „Darum geht es nicht .versetzt McGee schroff, „wir reden darüber, wie jungen Musikern geholfen werden kann, eine Band zu gründen. Denn eine Band ist ein Unternehmen. Dasselbe gilt für die Gründer von Plattenfirmen.“ Wovon McGee ein Lied singen kann. Er kam 1983 von Glasgow nach London, nachdem er „die Schnauze voll hatte“ von seinem Job als Eisenbahnschaffner, und eröffnete „The Living Room“, einen winzigen Club und die Keimzelle des Labels Creation. Als eine Art Malcolm McLaren der 80er war McGee auf der Suche nach den neuen Sex Pistols,dem next big thing.“Wir bewegten uns immer am Rande des Bankrotts“, erinnert McGee sich mit unbewegter Miene,“die Sahne wurde von den großen Companies abgeschöpft.“ 1991 waren es Primal Scream, die Creation knapp vor dem Konkurs retteten. Mit My Bloody Valentine wollte man endlich schwarze Zahlen schreiben. Doch die Produktionskosten für deren zweites Album drängten das Label erneut an den Rand des Ruins. Creation schien dazu verdammt, lediglich als Katalysator wichtiger Acts zu dienen-„ohne selbst einmal den Fuß wirklich in die Tür zu kriegen“, wie Alan McGee rückblickend und mit bewundernswerter Gelassenheit bemerkt. Am 31. Mai 1993 jedoch trank Mister McGee das wichtigeste Bier seines Lebens, und zwar im King Tut’s Club in Glasgow. Da spielte diese unbekannte Band. Nach vier Songs hatten Oasis ihren Set beendet, und Noel Gallagher gesellte sich zu McGee an die Bar:“Du bist doch der Typ von Creation. Können wir dir ein Demotape schicken?“-„Nicht nötig“, antwortete McGee, „ihr seid echt. Ich nehme euch sofort unter Vertrag!“ Es sei Liam gewesen, der ihm sofort aufgefallen sei, erzählt der Labelboss: „Er sah aus wie eine Mischung aus Paul Weller und John Lennon. Ich habe sofort gespürt, daß diese Jungs nach oben wollen.“ Zunächst aber mußte der damals hochverschuldete McGee 49 Prozent seines Labels an Sony verkaufen. Die nächsten 14 Monate kämpfte er um den verbliebenen Anteil und gewann. Mit dem Ergebnis, daß Sony für weltweiten Vertrieb und Marketing seines Labels sorgt, die Firma selbst jedoch absolute kreative Freiheit genießt. Und seit Oasis bombengleich einschlugen, kümmert sich McGee nur noch um die wichtigen Dinge im Leben:“Meine Bands und die Popkultur.“ Und es gibt viel zu tun. Kevin Rowland (Ex-Dexy’s Midnight Runners) ist im Studio, gleiches gilt für Primal Scream, Hurricane#1 und Super Furry Animals. Sogar The Jesus & Mary Chain sind inzwischen reumütig heimgekehrt.

Ortswechsel: Im „Upstairs At The Garage“ warten etwa 100 Leute auf den Auftritt von Bernard Butler, ehedem Gitarrist von Suede. Jungs stehen in dicken Parkas an derTheke, zwei Mädchen teilen sich neben dem Eingang verstohlen einen Joint. Der DJ legt die Small Faces, David Bowie,die Kinks und The Clash auf. Butler ist ein bißchen nervös, es ist sein erster Akustik-Gig. Trotzdem lächelt er, deutet hinüber zur Kabine des DJs und sagt: „Schau‘ dir diesen Typ an. Der könnte jetzt genausogut in der Downing Street mit dem Premierminister dinieren. Statt dessen legt er hier die Platten auf!“ Der Typ ist Alan McGee.