Blumfeld


SELTEN HAT EINE PLATTE KRITIKER WIE PUBLIKUM derart nachhaltig gespalten wie „Old Nobody“, das dritte Album von Blumfeld. Für die einen ist die Platte, mit der sich Jochen Distelmeyer als Vorzeige-Intellektueller der „Hamburger Schule“ geradeheraus formuliert der Romantik hingibt, eine der schönsten und geistreichsten Liebeslieder-Sammlungen, die je in Deutschland eingespielt wurde. Andere hören darin übel kitschigen Muzak, eine pseudo-intellektuelle Version von Roland Kaiser, Gleichwohl ist das Interesse an Blumfeld größer als je zuvor, obwohl man knapp vier Jahre lang kaum etwas von ihnen gehört hatte. Das 300köpfige Publikum im Augsburger Kerosin freut sich natürlich erst mal ganz generell über den Entschluß der Hamburger, die neuen Songs im Rahmen einer kurzen Vorab-Tournee zunächst in kleinen Clubs in mittelgroßen Städten zu testen, bevor man die reguläre Konzertreise antritt. Eine nette Geste – oder hat hier etwa jemand Angst vor der eigenen Courage? Punkt halb elf legen die vier Hanseaten los. mit einer druckvollen Version von „So lebe ich“, gefolgt von „The Lord Of Song“ und „Status: Quo Vadis“, allesamt vom aktuellen Werk. Danach fädeln Distelmeyer & Co. lässig Stücke aus den ersten beiden Alben „Ich-Maschine“ und „L’Etat Et Moi“ ein, ohne daß dabei Dynamik verloren ginge. Überhaupt fällt auf, daß die zehn „Old Nobody“-Songs – zumindest im Live-Kontext – alles andere als isoliert vom alten Blumfeld-Stoff klingen. Musikalisch findet selbst eine Edel-Schnulze wie „Tausend Tränen tief“ einen Platz neben einem Beinahe-Rocker wie Jet Set“. Das Publikum an diesem Abend hat jedenfalls keinerlei Berührungsängste mit dem ach so kontroversen neuen Material der Hamburger, jedes der knapp zwei Dutzend Stücke des rund zweistündigen Sets erhält gleichmäßig frenetischen Applaus. Und beim meistdiskutierten Song „Tausend Tränen tief“, bei dem Distelmeyer in der Tat ein rührendes Christian Anders-Timbre an den Tag legt, wischte sich so mancher Punk verstohlen ein Tränchen aus dem Auge. Gebt den diskursverkrusteten Pop-Theoretikern dieser Republik eine simple Melodie, und schon schmelzen sie dahin: Es scheint, die Zeiten sind doch romantischer, als sie uns immer glauben machen wollen. Und Blumfeld reüssieren als Sprachrohr dieser neuen Epoche. Da capo, meine Herren – im April dann in größeren Hallen in größeren Städten!