Kula Shaker


DER 100 CLUB – ADRESSE: 100, OXFORD STREET atmet Geschichte. Skiffle-Legende Lonnie Donegan feierte hier frühe Triumphe, und die Sex Pistols hatten im 100 ihre ersten berüchtigten Auftritte. In jüngerer Zeit ist der Club jedoch zu einer Art „Madame Tussaud’s“ für alternde Pub-, Punk-, Blues- und Jazz-Rocker verkommen. Schade, denn in dem Kellerladen herrscht an guten Abenden die volle Stimmung. Heute aber scheint kein guter Abend zu sein. Mit Kula Shaker steht zwar eine Band auf der Bühne, die notorische Nörgler mit einem dynamischen Set an die Wand pusten könnte. Statt dessen liefert die Band eine Show, die das Publikum derart kalt läßt, daß zum Schluß niemand auf die Idee kommt, nach einer Zugabe zu schreien. Vier Abende lang wollen sich Kula Shaker nach einer langen Live-Pause im kleinen Rahmen den Rost von den Fingern spielen. Solche „Warm-up“-Gigs sollen ja eine ungezwungene Angelegenheit sein – Fehler fallen dabei nicht ins Gewicht, sie werden durch lockere Atmosphäre wettgemacht. Aber nein. Kula Shaker klingen ausepumpt wie nach einer langen Tour. „It’s a long journey home“, sagt Sänger Crispian Mills einmal, und er wirkt wirklich müde wie am Ende einer langen, langen Reise. „Heute ist der wundervollste Tag des Jahres!“ verkündet er ein anderes Mal. Anfänglich verzeiht man solche Sprüche gern. Denn ebenso, wie das erste Kula Shaker-Album mit seiner gekonnten Mischung aus psychedelischen Hammond-Orgeln und „klassischem“ Rock frisch und überraschend wirkte, kommt man auch beim Live-Gig zunächst ins Staunen ob der muskulösen Art der Band, museale Riffs, Refrains und Reime zu servieren. Die Stärke von Kula Shaker ist die Rhythm-Section: Alonzo ßevans melodiöse, weitgespannte Bassläufe sind oft spannender als die Songs, denen sie eigentlich nur Fundament sein wollen. Mit der Zeit aber wird’s monoton die Melodien zeugen nicht gerade von großer Einfallskraft, neue Songs wie „Golden Avatar“ oder „S.O.S.“ wirken wie unwesentlich veränderte Versionen alter Stücke. Erst als die Band ein paar Single-B-Seiten und einen neuen Song aus der Feder von Organist Jay Darlington („Second Sight“) spielt, wird der Vortrag ein wenig lockerer. Das zarte Stimmungspflänzchen, das bei „Tattva“ aufkeimt, wird jedoch mit dem charmfreien „108 Battles (Of The Mind)“ dermaßen brachial in den Boden gestampft, daß selbst die abschließenden Evergreens „Hush“, „Hey Dude“ und „Govinda“ nichts mehr nützen. Wie gesagt, Zugabe unerwünscht. Als die Band die Bühne zum vermeintlich ersten von vielen Malen verläßt, sucht das Publikum bereits das Weite. Es ist wahrlich keine historische Nacht für den 100 Club.