Er hat viel erreicht in seinem Leben. So viel, dass ihn die Queen zum Ritter schlug. Ein glücklicher Mensch aber ist Bob Geldof nicht geworden.


Der Mann, der da am Tisch sitzt, ist meilenweit von dem entfernt, was man sich unter einem glamourösen Popstar vorstellt. Er trägt ein buntes, zerschlissenes Seidenhemd, das vor zehn Jahren bestimmt mal sehr teuer war, einfache helle Shorts und Espadrillos. Und auf dem Kopf einen Strohhut aus dem Disneyland in Paris. „Welcome to Euro-Disney“ steht da neben fröhlichen kleinen Comicfiguren auf dem Hutband. Das passt überhaupt nicht zur Stimmung seines Trägers. Denn Bob Geldof, der am 5. Oktober 47 Jahre alt wird, ist alles andere als fröhlich drauf. Mitten im Urlaub auf Mallorca Interviews für sein neues Album zu geben, ist natürlich nervig, während die Kinder da hinten irgendwo im Pool planschen und die Sonne so schön scheint.

Aber das ist nicht Geldofs Problem, die Interviews wollte er machen. Geldofs Problem ist seine große, anhaltende Traurigkeit. Wer sich das Foto auf der letzten Seite im Booklet seiner neuen CD „Sex, Age & Death“ anschaut, weiß um Geldofs Gemütszustand. Mit diesem Album hat er den Versuch gemacht, sich Luft zu verschaffen, die Seele rein zu waschen und seinen Verstand zu säubern. In zehn stellenweise ruhigen, aber auch abgründigen Liedern erzählt er seine persönlichen Wahrheiten über eine Beziehung, die vor sechs fahren ein jähes Ende fand, weil Paula Yates, seine damalige Frau, sich in INXS-Sänger Michael Hutchence verliebt hatte. Eine fatale Verbindung, in der Geldof nie aufgehört hat, Yates zu lieben, und die mit dem tragischen Tod von ihr und Hutchence endete, wie man heute weiß. „Seit fünf Jahren arbeite ich an diesem Album“, sagt Geldof, schenkt sich Wasser nach und zieht an einer kleinen italienischen Zigarre. „Fünf Jahre habe ich gebraucht, um an diesen Songs zu feilen, um diese Texte, die mein Inneres nach außen kehren und jedes Tagebuch ersetzen, anständig zu transportieren. Jetzt bin ich froh, dass die Arbeit endlich zu Ende ist.“

Geldof versucht, mit dem Album die Kapitel der Vergangenheitsbewältigung abzuschließen. Ob es ihm gelingt, sei dahingestellt. „Ich werde diese Songs niemals live spielen, werde damit nicht im Fernsehen auftreten und auch keine Werbung dafür machen“, sagt er. „Und mir ist es egal, ob sie im Radio gespielt werden oder nicht, oder ob die Videos, die vielleicht irgendjemand dazu dreht, zu sehen sind. Das ist mein persönlichstes Album, vielleicht eines der persönlichsten Alben überhaupt. Und ich will damit nichts weiter zu tun haben.“ Neulich sei sogar ein Regisseur aus England nach Mallorca rübergekommen, um mit ihm über das Videokonzept zu sprechen. „Welches Konzept?“, hat Geldof den Mann gefragt. Und dem Verdutzenden erklärt: „Filmen Sie, was sie wollen. Spielende Kinder, die mallorquinische Steilküste, Bäume im Wind. Aber filmen Sie um Gottes Willen nicht mich.“ Inzwischen allerdings, so scheint es, hat der 47-Jährige seine Meinung zu „Sex, Age & Death“ zumindest teilweise geändert, will er doch auf Tour gehen (in Deutschland ist er ab Mitte Januar 2002 unterwegs), und da wird er es sich wohl kaum leisten können, ausgerechnet die Songs des neuen Albums komplett außen vor zu lassen.

Aber kann dieser Bob Geldof wirklich vergessen? Jeder zweite Satz, den er spricht, handelt von seiner Frau, die er die ganze Zeit nicht beim Namen nennt, ebenso wie den Namen seines einstigen Widersachers. Den Umstand, Paula an Hutchence verloren zu haben, die jahrelangen Schlammschlachten in den Boulevardblättern Englands, die nächtlichen Drohanrufe, die fiesen Beschimpfungen, das gegenseitige Bohren, Verletzen und Wehtun, das ganze verdammte Reality-TV-Leben, das er führte -Geldof spricht nur von „dieser bösen Sache“, und jedesmal hört es sich bitter an. Vergessen? Irgendwann vielleicht, jetzt noch nicht. Der Tod seiner Ex-Frau, mit der Geldof die drei Töchter Fifi Trixibelle (18), Peaches Honeyblossom (12) und Little Pixie (8) hat, ist noch bedrückend nah, liegt ja auch erst ein Jahr zurück. Yates war für den Musiker die Liebe seines Lebens, verrückt, ausgeflippt, sensibel, liebesbedürftig, aber offenbar auch ein Aas, das verletzen konnte auf Teufel komm raus. „Wir sind eine Underground-Ausgabe von Charles und Diana“, hat Paula Yates auf einem der zahlreichen Höhepunkte der öffentlich ausgetragenen Schlacht des Ehepaares Geldof einmal gesagt.

„Heute kommt mir das alles so vor, als sei es Jahre her“, sagt Bob Geldof, und es klingt, als wolle er verzeihen. Um im nächsten Satz dann wieder auszuholen – gegen seine Ex, die britischen Medien, die ihn nach der Live-Aid-Geschichte und seinem Ritterschlag durch die Queen als „Saint Bob“ verspotteten, gegen seine Landsleute, die ihm auch Jahre nach dem besagten 16-stündigen Charity-Konzert vom 13. Juli 1985 – damals Licht und Schatten

waren parallel in London und Philadelphia 60 international bekannte Popstars zugunsten afrikanischer Hungeropfer aufgetreten – auf der Straße noch Zwanzig-Pfund-Noten zusteckten und meinten, bei ihm sei das Geld ja gut aufgehoben. Saint Bob, der macht das schon. „Ich sage nicht, dass Live Aid ein Fehler war. Garantiert nicht, das war eine gute Sache. Aber persönlich ging es mir anschließend nicht immer gut.“ Gibt es für ihn zwei Zeitrechnungen, eine vor und eine nach dem großen Ereignis? „Ja, die gibt es. Die Zeit danach war nicht mehr dieselbe.“ Die ganzen Geschehnisse vor und nach Live Aid hat Bob in seiner Biografie verarbeitet, die ein Bestseller wurde.

Aber so, wie es auch mit dem neuen Album ist – entkommen konnte Geldof sich und seiner Geschichte nie. Er erinnert sich: „Da stieg ich ins Flugzeug nach Amerika, um Abstand von diesem Rummel zu bekommen. Und dann sitzen in diesem Flieger Menschen, die mein Buch lesen. Überall starrten mich die Cover meines Buches an, bestimmt dreißig Stück. Es war absurd.“ Sein alter Band Aid-Partner, Ultravox-Sänger Midge Lire (mit ihm zusammen schrieb Geldof „Do They Know It’s Christmas?“), arbeitet gerade an einer Neuauflage von Live Aid in kleinerem Rahmen, die voraussichtlich am 20. Oktober dieses Jahres in Cardiff zugunsten der Aidshilfe über die Bühne gehen soll. Als Acts im Gespräch sind u.a. Robbie Williams, Catatonia, Elton John und Oasis. Auch Bob Geldof? Doch der winkt ab: „Mit Sicherheit nicht. Ich habe genug von diesen Konzerten, ich möchte endlich meine Ruhe haben.“ Neulich wollten sie in London das Wembley-Stadion, Schauplatz von Live Aid und vielen anderen großen Konzerten, abreißen, ließen es dann aber doch. Für Geldof kein Grund zum Feiern. Im Gegenteil. Vielleicht wären unter dem Schutt der Geschichte ja auch ein paar seiner ewigen Geister begraben worden.

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