Sarah Kuttner – Die Kolumne


Na endlich! Ich dachte, das wird nichts mehr: Just in diesem Moment wächst eine Giraffe aus meiner Tastatur und schlägt zwei Kokosnusshälften gegeneinander. Das mag erstaunen, ist aber erklärbar-Achtung: Die vorliegende Ausgabe meiner Kolumne ist ein Test! Und zugleich ein so noch nie da gewesener Mindfuck. Denn: 15 Minuten vor Aufnahme meiner Schreibtätigkeit habe ich enorm viele Drogen genommen. Die berechtigte Frage nach dem Warum kann ich beantworten: weil mir mein Verantwortungsgefühl als Kolumnistin gebietet, immer topaktuell die heißesten Themen aufzugreifen. Und Drogen tja, Drogen sind derzeit wieder in aller Vene. Spätestens seit dem Medienfall Osthoff, äh, Doherty. Sorry. verwechsle ich immer Spätestens seit dem Medienfall Doherty sind Drogen jedenfalls wieder ein Riesenthema. Als bisher strikter Non-User nervt mich das. Wohin ich auch komme – zur Arbeit, zu Mozartjahr-Veranstaltungen, zur Tanzgymnastik, zum Badminton: Überall wird erst mal der große Drogenrucksack ausgeschüttet und tüchtig zugelangt. Mittlerweile ist es mir zu anstrengend, als einzige nüchtern durch die Gegend zu Laufen. Es macht keinen Spaß, an der Wursttheke zu stehen, sich von der absolut druffen Verkäuferin psychedelisch vollabern zu lassen, und alle drumherum lachen sich kaputt. Deswegen nehme ich jetzt eben auch Drogen. Der gesellschaftliche Druck wird einfach zu groß. Ich weiß auch gar nicht genau, welche Drogen ich da eben genommen habe – es waren jedenfalls sehr, sehr viele. Allerdings ahne ich jetzt schon, daß dies ein einmaliger Selbstversuch bleiben wird. Ich sehe nämlich überhaupt nicht ein, der internationalen Drogenmafia mein Geld in den Rachen zu stopfen, nur damit mir irgendeine beknackte Kokosnußgiraffe aus der Tastatur wächst. Außerdem ist unter dem Einfluß von Drogen viel Unheil angerichtet worden – vor allem in der Popmusik. 70er-Jahre-Art-Rock z.B. Und Techno. Und HipHop ist von der Kifferei auch nicht besser geworden. Vielleicht sollten HipHopper mehr koksen und Techno-Hirnis mehr kiffen. Andererseits: nein, vielleicht auch nicht. Nein. Jetzt muß ich nur meine Redaktion wieder von den Drogen wegkriegen. Das Schlimme ist aber: Man hört ja nicht einfach mit Drogennehmen auf. Nein, man stürzt sich nach erfolgreich abgeschlossenem Drogenstudium in der Regel wahlweise in Buddhismus (Red Hot Chili Peppers usw.), bizarre Bastelarbeit oder fängt mit einem besonders seltsamen Sport an, den man dann fanatisch bis ans Lebensende betreibt. Man müßte mal untersuchen, wie viele Ausübende von Quatschsportarten oder Populär-Buddhismus vorher täglich unter der Drogendusche gelegen haben. Ich bin der festen Überzeugung, daß da ein Zusammenhang besteht. So, die Drogenwirkung läßt langsam nach, ich kann mich wieder anderen Themen widmen. Dem Mozart-Jahr zum Beispiel. Alle Clubheads und Event-Crasher, die letztes Jahr von einem Einstein-Rave zum nächsten gedüst sind, waren ja kurz in Panik. Was jetzt, wo das Einstein-Jahr äußerst unrelativ vorbei ist? Nach kurzer Panik wurden die Puderperücken übergestülpt, und man stürzte sich hysterisch ins Mozart-Jahr, das noch viel grellere Events verspricht!

Macht der MUSIKEXPRESS eigentlich was zum Mozart-Jahr? Campi, Smudo und Thees Uhlmann in einer Klassik-Photostrecke? Jetzt hat Mozart den ganzen anderen Musikanten also nicht nur bessere Melodien, sondern auch ein ganzes eigenes Jahr voraus. Obwohl die bei der Jahresvergabestelle immer laxer werden. Mittlerweile ist es kaum noch ein Problem, da anzurufen: „Tag zusammen, ich würde gerne ein Rufus-Wainwright-Jahr beantragen.“ Wer sich geschickt anstellt, kriegt für 2176 garantiert noch einen freien Termin. Apropos: Ich muß jetzt Schluß machen, meine buddhistische Geländerrunterrutschgruppe trifft sich gleich bei mir zum Basteln. Und vorher muß ich mir noch schnell das Pete-Osthoff-Album brennen.