Die US-Punkband Against Me! wird lange brauchen, um sich von den übermäßig guten Kritiken zu erholen


New Wave ist keine wahnsinnig gute, immerhin aber eine ziemlich wichtige Platte. Der US-„Rolling Stone“ sieht in dem 33minütigen Werk „eine der besten Rockplatten des Jahres“. Auch das US-Magazin „Spin“ schrieb in großen Lettern auf den Titel: „Have Against Me! made the year’s best album?“ Anstatt die Frage wahrheitsgemäß mit „Nein!“ zu beantworten, lobte man New Wave dort im August als Album des Monats über den grünen Klee. Wie ist zu erklären, dass eine Band mit geradlinigem Rock’n’Roll, der in schwächeren Momenten an den banalen Classic Rock von Nickelback erinnert, in den USA und auch in zahlreichen Magazinen Europas als eine der wichtigsten Punkformationen der Gegenwart gefeiert wird? Ein Motiv ist möglicherweise Angst: Zahlreiche Kritikerleben nach dem kolossalen-und bei weitem nicht von allen vorhergesehenen – Aufstieg von Green Dayin beständiger Sorge, ein weiteres Phänomen dieser Art zu verschlafen. Tatsächlich sprach vieles dafür, dass Against Me! auf der Schwelle zum ganz großen Erfolg standen: Die einst kompromisslosen Punks hatten sich auf endlosen Tourneen (u.a. mit Rise Against und Anti-Flag) eine treue Fangemeinde im Untergrund erspielt. Nachdem ihr letztes Album Searching For Clarity bereits die Top 10 erreicht hatte, verabschiedete sich die Band aus Florida nun ohne mit der Wimper zu zucken von ihrer Anti-Establishment-Haltung, um New Wave bei dem Majorlabel Sire zu veröffentlichen. „Wir waren daran interessiert, dem Punk-Ghetto zu entkommen – besonders nachdem wir erfahren haben, wie beengend es ist“, sagt Sänger Tom Gabel. Auch die Wahl des Produzenten sprach für ein großes Statement: Against Me! vertrauten sich Buten Vig an, der Nirvana einst mit Nevermind zu Weltstars gemacht hatte. Dass sich Gabel zudem als musikalisch weitaus aufgeschlossenerer Punk präsentiert, als sein heiseres Grölen auf Platte vermuten lässt – er spricht in Interviews gerne von Lou Reed.The Beatles und Bob Dylan und bezeichnete2005 Moneybrothers To Die Alone als eines seiner Lieblingsalben-, lässt ihn im Ansehen von Musikjournalisten zusätzlich steigen. Nun hat der Hype, den viele Magazine losgetreten haben, um vermeintliche Armeen von begeisterten Lesern nicht zu verärgern, der Band geschadet. Hätte man die Erwartungen nicht so hoch geschraubt, könnte man heute vielleicht ganz unbelastet zu dem Entschluss kommen, dass New Wave mit Songs wie „Stop!“ und „Borne On The FM Waves Of The Heart“ – ersteres ein Indiehit vom Schlag von The Blood Arms „Suspicious Character“, letzteres ein schönes Duett mit Tegan von Tegan & Sara – ein durchaus akzeptables Rockalbum ist. Aber diese Chance ist vertan.

www.againstme.net