Achim Reichel – Frankfurt Sinkkasten


Literweise heißer Milch mit Honig und Unmengen gelutschter Emser Pastillen verdanken wir ein Konzerterlebnis erster Güte. Achim Reichel, über lange Jahre vorrangig ‚Schreibtischtäter‘ in Sachen deutschsprachiger Rockmusik, raffte sich Schnee, Eis, Nebel und Kälte zum Trotz zu einer längeren Deutschlandtournee auf. Recht überraschend, muß man hinzufügen.

Und diese Überraschung ist ihm mehr als gelungen. Das Tour-Motto Blues in Blond, gleichzeitig Titel der aktuellen LP mit vertonter Fauser-Lyrik, lenkte die Erwartungshaltung gleich in die richtigen Bahnen. Einen repräsentativen Querschnitt durch die nunmehr 20jährige Geschichte des Musikers hatte keiner ernsthaft erwarten können. Und so lockten die Konzertposter auch nur wenige Nostalgiker hinter dem wärmenden Ofen hervor als vielmehr jene, die an Achims gelungenen Versuchen um Aktualisierung von Shanties und deutschen Volksliedern interessiert waren. Hörer, für die vor allem die neuen Alben, trotz eher traditioneller, musikalischer Umsetzung, den Zeitgeist mehr treffen ak alle DAF-Formeln, Bots-Floskeln und Ideal-Trivialität zusammen, von Lindenberg’s Kunst- (künstlicher) Sprache gar nicht zureden.

Als Bühnenpersönlichkeit unerwartet souverän, hatte Reichel mit der Zusammenstellung der Band mit Gerd Führs (Keyboards), Dieter Horns (Bass), Hajo Weber (Gitarre), Lemmi Lembrecht (Schlagzeug) und Saxophonist Manfred Seghers das richtige Fingerspitzengefühl. Eine Formation, deren einzelne Musiker man zwar von verschiedenen Produktionen her kennt, die aber in dieser Gruppierung ein deutliches Plus gegenüber allen 200%ig einspielten Maffay- und Westernhagen-Crews besaß.

Die ungehemmte Spielfreude brachte weit knackigere Versionen der auf LP teilweise doch recht laid back-produzierten Reichel-Songs, so z.B. ,Blues In Blond‘ und ‚Eckenliegerblues‘, die wesentlich kraftvoller. aus den Boxen tönten als vom Vinyl her in Erinnerung.

Zwischen meist Rockorientiertem boten Ausflüge in Blues, Ballade und „Reggae“ genügend Abwechslung. Drei Zugaben brachten noch einmal zusätzliche Höhepunkte ins Programm, so ein Rattles-Medley – mit Witz und Selbstdistanz zusammengestellt – und die Versionen von ‚Makkie Messer‘ und ‚Rollin‘ Home‘.

Jetzt liegt es an Achim, nach der großartigen Resonanz auf das Live-Comeback die Fäden fest in der Hand zu behalten. Aber ein Profi wie Reichel sollte auch bedenken, daß gerade der intime Rahmen dieser Tournee mitverantwortlich für die Klasse der Konzerte war.