„Adrenalinvergiftung!“


Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte. Nur welche? Wir haben nachgefragt. Heute: „König“ Boris Lauterbach, Martin „Dokter Renz“ Vandreier und Björn „Schiffmeister“ Warns von Fettes Brot.

2006 narren Fettes Brot die Medien mit der angeblich von ihnen gesignten Berliner Powerpop-Band D.O.C.H.! Doch deren Song „Was in der Zeitung steht“ ist ein bereits als B-Seite veröffentlichter Fettes-Brot-Titel. Die Band gibt es gar nicht.

Björn: „Ein Non-Hit-Wonder.“

Boris: „Wir haben 1000 Robota vor 1000 Robota erfunden!“

Martin: „Die Jungs, die die Band damals gespielt haben, sind ja wirklich in einer Band, die machen so Progrock.“

Boris: „The Great Rock’n’Roll Swindle! Die waren ja sogar bei The Dome und Martin hat sie angekündigt. Mit nacktem Arsch! Die Stylistin hat ihm arschbackengroße Löcher in die Hose geschnitten. Sandy von den No Angels, die moderierte, träumt heute noch davon!“

Auf ihrer neuen Single „Kontrolle“ sprechsingen die Brote gegen den Überwachungsstaat an.

Martin: „Gestern hab ich in Altona so einen neu gepflanzten, umzäunten Baum gesehen. ‚Achtung! Diese Gartenanlage ist videoüberwacht‘ stand da auf einem Pappschild. Das war natürlich sofort als Humor zu erkennen, aber manchmal bin ich mir da echt nicht mehr sicher, wo der Spaß aufhört.“

Björn: „Ich finde es natürlich richtig, dass die Leute gefasst werden, die in der S-Bahn Menschen verprügeln. Aber ob die richtige Antwort auf solche Gewalt ‚Mehr Überwachung‘ ist, das weiß ich nicht.“

Martin: „Das Ausmaß an jugendlicher Gewalt nimmt ja nicht zu, sondern deren Härte. Das ist impulshaftes Verhalten, das kann durch Überwachung nicht gestoppt werden.“

Björn: „Wir als Band leben davon, in der Öffentlichkeit zu stehen, wir wollen das ja. Aber das muss selbstbestimmt sein.“

Boris: „Eben. Deswegen habe ich keinen Facebook-Account, den ich dann super absichern müsste. Aber ich beobachte immer mehr meiner Freunde, die da wieder aussteigen, die das nicht mehr wollen.“

1996 gewinnen Fettes Brot ihren ersten „Echo“, in der Kategorie „Erfolgreichste deutsche Nachwuchsband“.

Björn: „Subversive Klamotten!“

Martin: „Geliehene Smokings! Am schwierigsten war es, nach der ersten durchzechten „Echo“-Nacht um vier Uhr morgens die Manschettenknöpfe wieder zu finden, um nach Davos auf ein Konzert in den Bergen zu fahren.“

Boris: „Nach Davos sind wir dann kurz nach Hause und dann sofort nach Mexiko, um das ‚Jein‘-Video zu drehen. Das weiß ich noch. An die Aftershowparty vom „Echo“ kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern.“

Björn: „Ein Jahr darauf waren wir während der „Echo“-Aftershowparty mal auf dem Klo, haben uns über Peter Schilling unterhalten, der da zufälligerweise auch auf dem Klo war, gingen raus und Stefan Raab kam mit gebrochener Nase rein.“

Martin: „Kurz davor ist mir Stefan noch mit zwei Drinks in der Hand begegnet und meinte grinsend: ‚Ich hab noch ’ne Besprechung an der Bar‘. Mit Moses Pelham anscheinend.“

2006 spielen sie nebst Bela B. und Lotto King Karl im Indie-Film „Der Deichking“.

Boris: „Die Meinungen über die Qualität des Films gehen weit auseinander. Wir haben da aber mit voller Absicht mitgemacht, ohne Rücksicht auf Konsequenzen! Außerdem sind wir zeitlebens große Ärzte-Fans. Mit den Ärzten abzuhängen reiht sich ein in die Serie wahr gewordener Jugendträume: Einen goldenen ‚Bravo‘-Otto habe ich zu Hause, die Telefonnummer von Bela B. hab ich, und ich kann ihn immer anrufen, wenn ich nicht schlafen kann.“ (lacht)

Am 22. Dezember 2005 spielen sie in der ausverkauften Color Line Arena in Hamburg vor über 14.500 Zuschauern das bis dato mit Abstand größte Konzert ihrer Karriere.

Boris: „Adrenalinvergiftung!“

Martin: „Das größte Lob kam von Fans, die sagten, dass sich das Konzert clubmäßig angefühlt hat.“

Björn: „Die Show kam mir vor wie eine Viertelstunde. Ich wusste nicht mal, ob ich Euch nach der Aftershowparty überhaupt ‚Frohe Weihnachten‘ gewünscht habe.“

1998 wirken Fettes Brot an zwei Folgen der Hörspielserie „Die drei ???“ mit.

Boris: „Der Bayerische Rundfunk hat uns zusammengebracht. Das war für so eine Sendung, die das Thema ‚Idole‘ zum Inhalt hatte. Wir trafen da zwei Mädchen, die sich uns als Idole ausgesucht haben, dann wurde da so eine Kette draus gemacht und wir durften ‚Die drei ???‘ kennen lernen. Der erste Kontakt war übers Telefon und das war natürlich toll! Irgendwann begegneten wir ihnen dann in persona, was den Mythos etwas zerstörte. Aber wir waren ja alt genug, das zu verkraften.“

Björn: „Wir hatten echt Glück, das gemacht zu haben, bevor dieser ganze Retro-Hörspiel-Hype begann.“

1998 verlässt sie ihr langjähriger DJ Rabauke, um sich ganz seiner Band Eins Zwo zu widmen.

Björn: „Ich hab ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich weiß aber, dass er zeitweilig für Emagic gearbeitet hat, die ‚Logic‘ herausgebracht haben, also DAS Standard-Aufnahmeprogramm in den Studios unserer Breitengrade.“

Martin: „Wir haben ihn damals als junge Rap-Crew bei einer Jam in Flensburg kennen gelernt, da war auch Sebi Hackert von Deichkind. Für ‚Nordisch By Nature‘ hat er einen Scratch-Part beigesteuert und dann folgten drei saftige Jahre Zusammenarbeit.“

Boris: „Bis Dendemann ihn uns weggenommen hat.“ (lacht)

Björn: „Er und Dendemann haben sich musikalisch ineinander verliebt. Eins Zwo zu gründen war genau die richtige Entscheidung für die beiden und letztlich für uns alle.“

2005 belegen Fettes Brot mit „Emanuela“ den zweiten Platz beim ersten Bundesvision Song Contest. Kurz darauf landen sie mit der Single ihren ersten Top-3-Hit.

Martin: „Anfangs waren wir skeptisch. Aber man kann über Raab denken, was man will, der hat in jedem Fall eine Leidenschaft für die Musik, die wir ihm damals schon abgekauft haben.“

Boris: „Dass wir dann Sieger der Herzen, also Zweiter, wurden, war fast besser als gewonnen zu haben.“

Martin: „Wir waren tatsächlich aber unsicher, was den Song angeht. Die Struktur ist ja sehr ungewöhnlich, fragmentartig, absichtlich stolperig. Viele Leute hörten da anfangs gar keinen Refrain.“

Boris: „Heute ist das ja fast ein Ballermann-Hit. Schon komisch, wie schnell sich die Wahrnehmung ändert. Aber das sind eben die Meisterwerke aus der Fettes-Brot-Schule!“