Analoge Schmutzwäsche


Wie einmal die Meinungsfreiheit des ME angegriffen wurde und andere Ausführungen amtlicher Prägung von Josef Winkler.

Die Macht des Wortes – sie ist ein scharfes Schwert, ein schweres Pfund, ja: ein ganz schön dicker Hund ist die Macht des Wortes, und Augenmaß und weisen Ratschluss wünscht man demjenigen, dem sie zu Gebote steht, auf dass er sich nicht berausche an ihr und einen Sturm entfessle, den dann wieder ewig kein Schwein mehr zurück in die Büchse der Pandora hineinkriegt, wenn Sie wissen, was ich meine.

Wenn Du jetzt nicht bald augenblicklich brav bist, habe ich zu meinem Baby gesagt, wenn jetzt nicht eine Ruhe ist mit dem Geschimpfe und Geschrei zur Unzeit, dann schreib ich eine Schmähkolumne über Dich. Dann werden nach anderthalb Jahren wohlwollender Hofberichterstattung mal ein paar saftige Fakten auf den Tisch gelegt, die das Bild vom Beatles-liebenden, bananenweißwurstmampfenden Wonneproppen, das die Welt von Dir hat, empfindlich, sagen wir: korrigieren werden. Dann wird nach 16 Monaten kostenlosen Windelwechselns mal schmutzige Wäsche gewaschen, und ich plaudere zwanglos aus dem Dossier, das ich hier über Dich angelegt habe, mit pikanten Details, dass sogar Jenny aus Pankow sagt: Sakradi! Das hat Zündstoff!

Gut, das war vielleicht weniger die Macht des Wortes, sondern eher die missbrauchte Macht einer erpresserischen Drohung, aber geholfen hat’s trotzdem nichts. Mit einer strategisch geschickt – sprich: mitternächtlich – platzierten Ärgerattacke stellte das Baby klar, wer am längeren Hebel sitzt, was es wiederum mir sehr viel leichter machte, auf die am Morgen darauf eingeleitete Charmeoffensive einzugehen. Aber man kann wohl festhalten: Unser Baby hat ein problematisches Verhältnis zu den Medien.

Ich erzähle in diesem Zusammenhang (in welchem? Ach, Sie wissen schon) gern (und ich kann daher nicht ausschließen, dass ich sie auch schon mal in dieser Kolumne erzählt habe, aber hey!) die Geschichte, wie eines lange vergangenen Nachmittages beim ME auf einmal zwei lockige Männer bei uns im Büro standen, die ausweislich ihres ganzen Auftretens nicht humorvoll gestimmt waren und den Verantwortlichen für den Plattenteil zu sprechen wünschten. Es waren zwei Mitglieder der melodischen Hardrockband Bonfire, die an diesem Tag eigens (so stelle ich es mir zumindest gerne vor) von Ingolstadt nach München gereist waren, um sich in der damaligen ME-Redaktion persönlich über die in ihren Augen unfaire Besprechung ihres aktuellen Albums zu beschweren.

Ja, Mitte der Neunziger wurden im ME noch Bonfire-Platten besprochen und nein, die Herren haben damals nicht halbgar auf Mailboxen gelabert, sondern sind von Mann zu Mann, quasi kompromisslos analog, vorstellig geworden. Soweit ich mich erinnere, gelang es uns, diesen empörenden Angriff auf die Pressefreiheit abzuwehren, indem irgendwas gebrummelt wurde von „Puh“ und „püh“, sinngemäß „hmpff…öh, was?“ und „keine Ahnung“ respektive „ist wohl heute nicht da“, irgendwie so. Rücktrittsforderungen gab es in der Folge keine, und soviel ich weiß, sind Bonfire bis heute in Amt und Würden als Garanten für granatenmäßigen Melodic Hardrock amtlicher Prägung, irgendwie so.

Apropos Macht des Wortes. Erinnern Sie sich noch an Lana Del Rey? Das war so eine amerikanische Retro-Pop-Tante, die Ende 2011/Anfang 2012 gut abgefeiert wurde, bis dann Mitte Januar 2012 der überfällige Backlash einsetzte. Del Rey war nach einem missglückten TV-Auftritt von der Gelegenheitsschauspielersängerin Juliette Lewis – einer Art amtlicher Rating-Agentur für Rockqualität, was bis dato niemandem klar gewesen war – mittels eines Tweets von der Sängerin zur „Sängerin“ herabgestuft worden, die üblichen Marktmechanismen taten das Übrige.

Und sonst? Da wäre noch das neue Buch mit dem bedrohlichen Titel „Reden wir über die Hamburger Schule“. Klar, über die Hamburger Schule, da könnt ich mich ja LEERquatschen! Oder auch lieber nicht.