As Blondes go by
Eitel sei der Mensch, erfolgreich und gut. Man sieht: Goethe trifft, leicht abgewandelt, selbst auf Rod Stewart zu. Warum auch nicht?! Der britische Sänger ist, wie voreinst der Dichterfürst, ein vom Glück Ausersehener, ein Günstling des Schicksals. Wo bei anderen Kondition und Kreativität, Kampf über Kunst obsiegt, hat er leichtfüßig aus seinen Weibergeschichten Hitsongs gedrechselt, das Dolce vita in vollen Zügen genossen und seinem Affen stets Zucker gegeben: „Some guys have all the luck …“
Roddy weiß um seinen Vorteil. Inzwischen kann er sich’s auch leisten, nett, lieb und locker zu sein — die Freundlichkeit in Person. Er ist reich und berühmt und hat sich mit staubiger Stimme bis ins Pantheon der Musik-Halbgötter vorgekrächzt. Nichts mehr von dem launenbelasteten, wetterfühligen Choleriker, der seine Mitmenschen terrorisierte; nichts mehr von dem Prolo aus Nord-London, der als Interview-Monster galt. Er spielt seinen Part bravourös: waidwunder Gigolo. Gentleman aus der Gosse, fußballbesessener Freizeit-Kicker, Star ohne festes Aufgabengebiet, Kumpel aus Hollywood.
„Well my son“, eröffnet er die Fragerunde nach einem gekonnten Dribbling durch die Lobby, „was willst du wissen?“ Etwas Einfaches: Ist er mit dem Erreichten zufrieden?
„Sicher doch! Ich bin mit meinem Platz im Leben sogar sehr zufrieden. Elton John mag mehr Hits geschrieben haben, aber auch ich stehe nicht schlecht da, wenn man bedenkt, wie schwierig es ist bei der Flut von Veröffentlichungen, in die Top Ten zu gelangen. Also für jemand, der in eine relativ arme Familie hineingeboren wurde, bin ich recht weit gekommen. „
Stichwort: Herkunft. Vater Stewart betreibt zusammen mit seiner Frau Elise einen kleinen Tabak- und Zeitschriften-Laden in Nord-London. Roderick David kommt im Januar 1945 zur Welt, als fünftes Kind des schottischstämmigen Ehepaares. Die erste Liebe, von Daddy geschürt, heißt Fußball, die zweite, von Bruder Don angeregt. Singen. Als Mitglied des „Brentford Football Club“ stößt Rod — ausgerüstet mit einem starken Willen zum Erfolg — bis ins Profilager vor. „Heute bin ich froh, daß ich kein Berufs-Kicker geworden bin. Denn diese Karriere wäre in meinem Alter längst vorbei. „
Apropos Alter. Wie 41 sieht er nicht aus. Im Gegenteil! Braungebrannt, athletisch, strotzend vor Gesundheit, kaum Falten im Gesicht, mit seiner blonden Stromstoß-Frisur und seinem knackigen Arsch ein echter Ladies Man. „Im Gegensatz zu anderen, die’s nur erzählen, aber meistens dann doch nicht tun, absolviere ich Tag für Tag mein Jogging-Programm. Außerdem spiele ich dreimal die Woche mit einer wirklich guten Mannschaft Fußball. Zum einen macht mir das ungeheuren Spaß, zum anderen möchte ich auch mit 50 noch gut aussehen.“
Eitel war er schon immer. Im London der Spätsechziger —- nach einer kurzen Phase als Beatnik mit übelriechenden Blue Jeans, nach Tramper-Aktivitäten im Mittelmeer und Kerouac-Träumen, nach Jobs als Totengräber, nach einem Flirt mit der Folk-und Protestbewegung -— bekam er den Beinamen „Rod The Mod“. Grund: sein dandyhaftes Gebaren, seine schrillen Klamotten, sein überzogenes Bühnengehabe.
Letzteres war mehr eine Not als eine Tugend: Rod litt schrecklich unter Lampenfieber. Noch 1969, als Sänger der Jeff Beck Group, versagte ihm im New Yorker Fillmore East. beim Sturmangriff auf amerikanische Ohren, die Stimme. Das ist längst vorbei. Geblieben ist die Eitelkeit. Vor einigen Jahren erörterte er mit dem amerikanischen Journalisten Henry Schipper spezielle Föntechniken für seinen Ananaskopf, seitenlang nur Frisur-, Kleidungs- und Imageprobleme. Gefragt, was ihm lieber wäre: ein ganzes Jahr sexuelle Enthaltsamkeit oder alle Haare verlieren, gab er ohne Zögern die Antwort: „Meine Eitelkeit siegt auf jeden Fall. Lieber ein Jahr wie ein Mönch als ein Rod Stewart ohne Haare. „
Das ist das Problem mit ihm. Solange er singt, kann er nichts falsch machen, aber wenn er spricht, nimmt man ihn nur halbernst. Nie käme man auf die Idee, ihn zu politischen Dingen zu befragen, ihn zu „No Nukes“ oder „Live Aid“ einzuladen, ihn als Zeugen des Jahrhunderts zu berufen. Egal, wie hoch es ihn hinausgetragen hat. Stewart bleibt der Basis treu. Er macht keine großen Worte, sondern nur lose Sprüche: „Ich habe drei Leidenschaften: Fußball, Saufen und Frauen —- genau in dieser Reihenfolge“
Dieses Zitat stammt aus der Faces- Zeit, als er mit dem heutigen Stones-Gitarristen Ron Wood, Ronnie Lane, Kenny Jones und Ian McLagan britische Rock-Tugenden in den USA populär machte. Die Faces nehmen sieben Alben auf, vernichten jede Menge Alkohol, verschleißen alle willigen Groupies. kicken — echt sportbegeistert — Fußbälle ins Auditorium und leben nur nach einer Devise: „It’s nothing but a party.“
Aber irgendwann geht auch das schönste Fest zu Ende. 1974 gibt Stewart seine Rolle als Faces-Frontmann auf, geht mit „der schwedischen Schlampe“ Britt Eklund nach Amerika und konzentriert sich ganz auf die bis dahin parallel laufende Solokarriere. „Maggie May“ war schon auf der Hitbank, genau wie die von Kritik und Publikum begeistert aufgenommenen Alben AN OLD RAINCOAT, GASOLINE ALLEY, EVERY PICTURE TELLS A STORY, NEVER A DULL MOMENT. „Ursprünglich ging ich als Steuerflüchtling nach Amerika. Die Besteuerung in England war damals einfach lächerlich hoch. Das war schon Raub. Heute lebe ich in den Staaten, weil meine Kinder dort geboren wurden und zur Schule gehen.“
Die von Produzent Tom Dowd inszenierte „Atlantik-Überquerung“ (Album-Titel) hatte musikalisch weitreichende Folgen. Stewart, vormals für seine rauhe Kehle und kantigen Rhythm ’n‘ Blues gelobt, vollzog nicht nur in puncto Lebensstil den Schulterschluß mit Hollywood. Als Jamaika angesagt war, fand man eine Reggae-Nummer auf seinen Alben. Als die Jeunesse tanzte, tönte es nach Disco.
„Warum auch nicht? Ich wollte immer das Spektrum so breit wie möglich hallen. Außerdem: Das einzige, was Kritiker verstummen läßt, ist Erfolg. Dann hallen sie die Schnauze.“
Über einen Mangel an Erfolg mußte sich Rod Stewart nie beklagen. Inklusive der neuen, von Bob Eszrin produzierten LP EVERY BEAT OF MA HEART hat er bis heute 23 Soloalben veröffentlicht — die meisten davon vergoldet. Macht es ihm eigentlich noch Spaß, ins Studio zu gehen?
„Aber sicher. Es ist immer aufs neue aufregend. Ich liebe nicht nur die Singerei -— ich werde auch noch dafür bezahlt. Siehst du, ich bin ein Glückspilz.“
Stewarts alter Kollege Jeff Beck denkt da anders: „Er ist total in diesen Hollywood-Lebensstil verstrickt. Das ist eine geschlossene Gesellschaft. Da
kommt man nicht rein und nicht mehr raus.“ Beck muß es wissen. Er spielte auf Stewarts CAMOUFLAGE einige Soli, sollte mit auf Tournee gehen — aber nach fünf Tagen packte er die Koffer. „Mit jedem Tourneetag wurde mir schmerzlicher bewußt, daß nicht im entferntesten das eintreten würde, was ich mir vorgestellt hatte. Laut Repertoireliste trug Rod 20 Songs vor, ehe ich überhaupt auf die Bühne kam. Ich war nur ein Bonbon. „
Der Gemeinte zuckt mit den Achseln und weist jede Schuld weit von sich: „Für meinen Geschmack und mein Geld ist Jeff immer noch der weitbeste Gitarrist. Daß es mit uns nicht geklappt hat, lag daran, daß er die Gastrolle nicht verknausern konnte. Früher war ich nur der Sänger in seiner Band. Diesmal war’s umgekehrt. Es ist schade, aber Jeff hat wohl nie gelernt, seinen Stolz zu besiegen.“
Wenn man Rod an dieser Stelle fragt, wann er denn das letzte Mal seinen Stolz runterschlucken mußte, kommt man unweigerlich auf Fußball; „Als England vor einiger Zeit Schottland geschlagen hat, da mußte ich schlucken. „
Dabei wollte ich doch eigentlich viel lieber auf sein anderes Lieblingsthema kommen: Frauen. „Also im Moment verhalte ich mich recht ruhig, denn ich habe eine neue Freundin. Früher habe ich’s schon doll getrieben. Ich bin genau wie du: Ich steh‘ halt auf attraktive Frauen. „
Wo er recht hat, hat er recht.
Was ihn denn im Bett anmacht? Er schmunzelt: „Ich hab’s gern, wenn sich Frauen scharf anziehen. Du weißt schon: Strapse, schwarze Dessous und so. Es darf, solange wir im Bett sind, ruhig ein bißchen nuttig aussehen. „
Als schlagzeilenmachender Casanova bietet Stewart Stoff für einen abendfüllenden Film. Es war stets sein heißestes Bemühen, nicht zweimal hintereinander mit ein und derselben Blondine abgelichtet zu werden. Seine Limousinen hatten meist schwarze Fenster, seine Frauen -— Britt Eklund, Alana Hamilton, Kelly Emberg —- meist blondes Haar. Ist es nicht lästig, ein Star zu sein?
„In Los Angeles gehts, da wird man eigentlich nicht belästigt. Aber wer wie ich in der Öffentlichkeit steht, muß sich das gefallen lassen. Okay, wenn mich jemand bis auf die Toilette verfolgt, wo ich gerade scheißen will, dann kann ich ungemütlich werden. Aber wenn jemand höflich nach einem Autogramm fragt, bin ich der Letzte, der das ausschlägt. Denn diese Leute sind’s, die uns bezahlen. Sonst keiner. „
Wenn’s um sein Publikum geht, kennt der „Komiker des Rock V Roll“ (Stewart über Stewart) kein Pardon. Auf der Bühne ist volle Bedienung zu satten Preisen angesagt. Er kann sich’s leisten: Rod Stewart ist nämlich nicht nur eitel und erfolgreich, sondern auch gut.