auf den hund gekommen
Nein, Grund zum Klagen hat sie eigentlich nicht. Im Gegenteil. Warum Edie Brickell trotzdem auf den Hund gekommen ist, verriet sie ME/Sounds-Mitarbeiter Jörg Feyer.
Und sie war tatsachlich allein angereist. Ohne Gitarrist/Co-Autor Kenny Withrow, der noch im letzten Jahr nicht von ihrer Seite wich, sobald ein Reporter seine Gerätschaft in Positur brachte. Die Botschaft lautete: Und wir sind doch eine gleichberechtigte Band!
Ich hatte diese Posse nie verstanden. Edie Brickell ist nun mal das optische und auch akustische Aushängeschild dieser Band — warum sollte sie dann nicht auch so auftreten? War es Mißtrauen? Oder ihr eigenes schlechtes Gewissen? Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, daß Edie das ursprüngliche Line-Up der New Bohemians „auf dem Gewissen hat“, weil sie sich während der Produktion des Debütwerks allzu sehr auf die Seite von Produzent (Pat Moran) und Plattenfirma schlug ….. Wenn Kenny dabei ist“, erklärt eine flüsternde Edie in Jeans und Rollkragenpulli, „spielt die Perspektive der Band eine größere Rolle — wenn ich allein Interviews gebe, ist es doch größtenteils nur meine Sicht.“
Aus ihrer Sicht war auch der Überraschungserfolg des ersten Albums (ca. zwei Millionen Exemplare) samt Medienrummel ein bißchen zuviel des Guten. Alle wollten Edie — doch Edie wollte nicht so recht. Ihr Selbstschutzmechanismus nahm zuweilen paranoide Züge an. So tischte sie einem „Rolling Slone“-Reporter eine frei erfundene Biografic auf, nur um sich am nächsten Tag kleinlaut dafür zu entschuldigen. Womit habe ich zu rechnen?
Edie kichert leise in sich hinein. “ Heute denke ich mir nur neue Songs aus. Ein oder zwei Monate vergehen schon mal, in denen ich nichts schreiben kann — meine,blauen‘ Wochen, sehr frustrierend. Nichts erfüllt mich mit mehr Glück und Energie als ein bißchen Inspiration. Man kann wirklich süchtig duiiadi werden. Es ist so ein High¿ iliihl, wenn du einen Song zu ‚upier gebracht hast, der dir gefällt.“
Die New Bohemians, so stellt sich heraus, schwitzen derweil daheim in Dallas im Probenraum: Ganze neun Tage nach unserem Gespräch wird der Startschuß für eine US-Tour fallen. Edie „mag Tourneen, denn da kann ich mich zurückziehen. Ich liebe es, allein in irgendwelchen Hotelzimmern rumzuhängen. Du entdeckst dort Dinge über dich selbst. In einem ruhigen Raum, allein mit deinen Gedanken, wird dir klar, wer du eigentlich bist. Ich versuche immer zu der Wahrheit durchzudringen — was ichfiihle, wer ich bin. Das hilfl mir, die Texte zu schreiben.“
Eine von Edies Lieblingsvokabeln ist „pop up“. J*löizlich aufgetaucht“ waren auch die ganzen Vierbeiner, die es geradezu zwingend erscheinen ließen, daß das neue Album GHOST OF A DOG heißt. „Wenn ich an Hunde denke“, flüstert Edie, „verkörpern sie Unschuld ßr mich. Aber ich kann nicht erklären, wie sie letztlich in die Songs kommen.“
Nun gut. das mit den Hunden konnte eigentlich niemanden mehr ernsthaft überraschen, schließlich hatte Edie schon für „What I Am“ (den Hit vom ersten Album) gedichtet, daß Religion „the smile ofa dog“ sei. Aber John Lydon — nein, den konnte man nun wirklich nicht auf einem Album von Edie Brickell erwarten. Ihr neuer Produzent Tony Berg (der Terminkalender des Wunschkandidaten Daniel Lanois war gar zu prall gefüllt) „fragte uns, ob wir ihn nicht gern treffen würden. Und ich sagte: ,Na klar!‘ Ich mochte die Stärke der Sex Pistols — dieses Rebellische, das ist immer gut. “ Immerhin fünf Songs hat Edie im Alleingang zu GHOST OF A DOG beigesteuert. Bedenken seitens der Band gab es nur bei „Me By The Sea“. Edie: „Er war ihnen zu einfach, ich liebe einfache Dinge — da knallt es manchmal zwischen uns. „Wenn es künftig knallt, können sich die beteiligten Parteien zum Schmollen möglicherweise schon bald auch räumlich zurückziehen. Noch wohnt sie in Dallas, doch schon seit einiger Zeit denkt Edie ernsthaft über einen Umzug nach New York nach — “ weil da mehr los ist und das Leben dort inspirierender ist.“
Sollte sie an die Ostküsie gehen, dürften sich zumindest die Angebote von dritter Seite erhöhen. Im langweiligen Dallas mußte sie sich mit einem Anruf von Bassist Rob Wassermann (u.a. Lou Reed) begnügen, der für sein neues Projekt eine Kreativ-Partnerin suchte. „Erfragte, ob ich nicht Lust hätte, einen Song mit ihm und Jerry Garcia zu machen. Ich sagte: .YEEAAH!‘. Der Song heißt .Zillionaire‘ und handelt von einem Hund, der so heißt …“ Hatten wir uns doch fast schon gedacht, Edie…