Basteln mit Beck: der Soundtüftler legt sein neues Opus vor


Der ganz große Hype ist offenbar spurlos an ihm vorübergegangen: Knapp eineinhalb lahre nach dem Mega-Erfolg der Single ‚Loser‘ gibt sich Beck Hansen beim Interview anläßlich der Veröffentlichung seines vierten Albums ‚O-de-lay‘ immer noch wie der nette, etwas schüchterne, notorisch verwirrte und leicht abwesende Typ von nebenan, der so blutjung aussieht, daß man sich unweigerlich dabei ertappt, wie man erstaunt seinen Bartwuchs mustert. Tatsächlich aber ist Beck voll bei der Sache. Er schlürft Milchshakes, knabbert Kekse und läßt sich nicht anmerken, was für hektische Zeiten zwischen den beiden Alben hinter ihm liegen: Auf eine ausgedehnte US-Tour folgten Europa, Japan, Australien, ungezählte Open-Air-Festivals und schließlich noch die Teilnahme am Musik-Wanderzirkus Lollapalooza. „Wer nie auf einer Tournee war, kann überhaupt nicht einschätzen, was das für ein Streß ist“, seufzt Beck, „man kommt einfach zu gar nichts mehr.“ Doch schon im nächsten Satz straft er sich selbst Lügen: „Bei mir stapeln sich über 600 unveröffentlichte Songs. Das mit dem neuen Album hat schon deshalb so lang gedauert, weil ich eine stimmige Auswahl treffen wollte.“ Diese Äußerung trifft exakt das Bild, das man sich mittlerweile von Beck gemacht hat: Der manische Musikbastler, der im stillen Studio-Kämmerlein bei Fast-Food und Bier zwischen einem Wust von Instrumenten, technischem Apparat, einem Vier-Spur(!)-Aufnahmegerät und einer ausufernden Sample-Sammlung haust und werkelt. Nicht weniger manisch und schwer durchschaubar waren seit jeher Beck’s Songtexte, auf ‚O-de-lay‘ überfordern sie jedoch stellenweise jedes Mitdenkvermögen. Oder könnte jemand aus dem Stand erläutern, was uns Textzeilen wie „Short fuse got to dismantle code red ‚What s your handle‘ mission / incredible undercover convoy smokestack blacktop / Novocain boy got so numb longhorn drum detonate with the suicide“ …und so fort (aus ‚Novocain‘) sagen wollen? „Ich erarbeite meine Texte ganz assoziativ, eins führt zum anderen. Klar, daß man da als Außenstehender manchmal nicht mehr mitkommt,“ räumt der Meister ein. Beck versteht sich – sowohl was die Musik als was auch die Texte betrifft – als unermüdlicher Sammler, der seine Fundstücke zu einer stimmigen Collage verarbeitet: „Ich arbeite grundsätzlich völlig unbewußt und denke niemals über meine Arbeit nach. Alles muß aus dem Bauch kommen. In meiner Musik versuche ich aufzuzeigen, wieviel die verschiedenen Musikstile, mit denen ich aufgewachsen bin, tatsächlich gemeinsam haben, und wie gut sie zueinander passen, obwohl jedermann ständig bemüht ist, sie kategorisch zu trennen. Bei mir schließen sich zum Beispiel Country und HipHop keineswegs aus. Beide Stile lasse ich ganz unbewußt in ein und denselben Song einfließen. Würde ich länger darüber nachdenken, käme ich vielleicht zu dem Schluß, daß die beiden Stile in Amerika völlig gegensätzliche Einstellungen und Lebensweisen repräsentieren, und daher vielleicht besser nicht vermengt werden sollten. Das wäre doch idiotisch. Für mich zählt nur die Musik, egal aus welcher Kultur sie stammt, und egal, ob die Vertreter dieser Kulturen einander riechen können, oder nicht. Solche Abgrenzungen machen das Leben manchmal ganz unnötig ungemütlich.“ In Bezug auf seine Arbeitsweise, so Beck, fühle er sich den Beastie Boys nahe, genauso wie der isländischen Klang-Konstrukteurin Björk Gudmundsdottir: „Gestern war ich in London auf einer Vernissage. Im Gedränge entdeckte ich plötzlich Björk. Ich habe überlegt, ob ich sie ansprechen soll, aber sie sah sehr beschäftigt aus. Außerdem hätte sie vermutlich gar nicht gewußt, wer ich bin.“ Becks notorische Bescheidenheit hat also auch ihre Nachteile, denn ein gemeinsames Album von Björk und Beck – das wäre doch was gewesen! Andererseits ist es gerade die Bescheidenheit, die denn Mann so sympathisch macht. Beck: „Außer der Musik sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben Freundschaften, Beziehungen, Zeit, um.Löcher in die Wand zu starren, lange Spaziergänge, bei denen man sich am Ende verirrt, und ein Teller mit dampfenden, heißen Burritos.“