Bei U2 steht Eno im Mittelpunkt
Nach dem Passengers-Projekt ist der Klangkünstler erneut mit Bono & Edgeim Studio
Brian Eno ist ein gefragter Mann. Der Ambient-Erfinder, Ehrenprofessor, Musiktheoretiker, Labeleigner, Video-, Installationskünstler und Produzent arbeitete zuletzt mit David Sowie an seinem Album ‚Outside‘, brachte eine gemeinsame Platte mit Iah Wobble heraus und hatte seine Finger an den Reglern bei ‚Original Soundtracks 1‘, der ersten CD des U2-Sideprojekts Passengers. Zur Zeit ist Eno wieder mit Bono und Co. im Studio, um an einem neuen U2-Album zu arbeiten, das im Frühjahr 1996 fertig sein soll. Wie gesagt, Brian Eno ist ein gefragter Mann. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Nicht Eno sucht sich die Bands aus, die Eno produzieren will, sondern die Bands wählen Eno. So war es auch im Fall von U2. „Natürlich sage ich auch gelegentlich nein“, erklärt der Universalkünstler. „Meine Reputation als jemand, der nicht gerade den Pop-Mainstream bedient, wirkt schon ein bißchen wie ein Filter.“ Ein Filter, der Anfragen aus ganz bestimmten (Musik-)Richtungen verhindern soll. „U2 zum Beispiel gab ich deutlich zu verstehen, daß ich nur daran interessiert bin, mit ihnen zu arbeiten, wenn ich auch ihre Musik verändern dürfte. Und sie meinten: ‚Okay, darum haben wir ja auch Dich gefragt und keinen anderen. Wir wollen nicht ewig in diesem langweiligen Rock’n’Roll-Klischee steckenbleiben‘. Ein Michael Bolton würde mich wohl nie fragen, ob ich sein neues Album produzieren will“, meint Eno.
Daß Brian Enos Geschmacksfilter gerade beim Passengers-Projekt im Fall Luciano Pavarotti nicht so recht funktioniert hat, liegt wohl an der Hartnäckigkeit des Antragstellers. „Ich arbeitete gerade mit U2 am neuen Album im Studio in Dublin. Pavarotti rief uns mindestens einmal am Tag an und meinte ‚Ihr müßt für mich spielen, ihr müßt unbedingt einen Song für mich machen‘. So ging das die ganze Zeit. Es war unglaublich. Schließlich flog er dann mit seinem Privatflugzeug nach Dublin und besuchte uns im Studio mit einem Fernsehteam. Er schimpfte: ‚Jetzt macht mir endlich diesen verdammten Song‘. Also haben wir ‚Miss Sarajevo‘ mit ihm aufgenommen. Pavarotti hat soviel Energie, er bringt dich dazu alles zu tun.“ Was die Passengers bei ihrer ersten Single ‚Miss Sarajevo‘ geleitet hat, beschreibt Bono wie folgt: „Zuerst haben wir versucht, die ganze Jugoslawien-Thematik zu abstrahieren um nicht kitschig zu werden oder in eine Zeigefingermentalität zu verfallen. Dann aber, als wir uns mehr mit der Situation in Sarajevo beschäftigten, mußten wir feststellen, daß es eine brutale Realität ist, die so skurrile Facetten entwickelt, daß wir diesen Song einfach straight schreiben mußten. Die jugendlichen in der Stadt sind mehrfach während der Woche in Kellerdiscos, wo sie Rock’n’Roll Musik in infernalischer Lautstärke hören, um das Geräusch der Granatenschläge und der Gewehrschüsse nicht mehr zu hören. Ich finde, das klingt irgendwie bizarr, nicht war?“
Von Pleasern ä la ‚Miss Sarajevo“, das auch den älteren Semestern gefallen wird, bis hin zu Songs wie ‚United Colours Of Plutonium‘, die aus nicht viel mehr als „Beep-Beeps“ bestehen, und von Bono als Mindfuck bezeichnet werden, ist der stilistische Bogen auf dem Passengers-Album ‚Original Soundtracks i‘ gespannt. Damit soll eine Serie von weiteren Projekten beginnen, die unter dem Decknamen ‚Passengers‘ U2, Brian Eno und diverse andere Musiker zusammenbringen soll.
Ob dem Projekt neben dem künstlerischen auch der kommerzielle Erfolg beschieden sein wird, bleibt abzuwarten. Denn erfahrungsgemäß gehen bei einem Eno-Engagement die Schallplattenverkäufe zunächst zurück. „Das erste Bowie-Album, auf dem ich 1977 mitgemacht habe, verkaufte sich am Anfang sehr schlecht. Aber es hat zumindest eines bewirkt: Es stellte David Bowie in einen neuen kulturellen Kontext.“