Big Bangs
Wenn der Flachsinn regiert, wirkt das Mittelmaß bereits wie eine Offenbarung. Eine Lichtgestalt im Dunkel des Pop-Geschwafels ist seit jeher der TV-und Radiomoderator Alan Bangs. Hier seine Meinung zum Musikjahr 1995.
ME/Sounds: In diesem Jahr sind mit VIVA 2 und VH-i gleich zwei neue Musiksender an den Start gegangen. Seitdem pendelst du wöchentlich zwischen deinem Kölner Wohnsitz und Hamburg. Das hättest du dir mit einem Job bei VIVA 2 sparen können.
Alan Bangs: Anfang des Jahres rief eine Casting-Agentur bei mir an und wollte mich zu einem VIVA-Casting einladen. Da hatte ich aber schon meinen Vertrag bei VH-i unterschrieben. Außerdem hatte ich mich im Jahr zuvor in einer Rundfunksendung mit Dieter Gorny gestritten. Es war am ersten Sendetag von VIVA und er hat gesagt: „“Es geht nicht nur um Musik, es geht um 40 Millionen kaufkräftige junge Konsumenten“.
ME/S: Womit er nicht unrecht hat.
Alan Bangs: Natürlich nicht. Aber wenn das im Vordergrund steht – da will ich lieber meine Blauäugigkeit behalten und für diese jungen kaufkräftigen Konsumenten vor allem ein gutes Programm machen.
ME/S: Das VIVA-Publikum scheint der Ansicht zu sein, ein gutes Programm geliefert zu bekommen.
Alan Bangs: Natürlich – und ich finde das BMG-Pro-VIVA-Konzept genau richtig. Wenn man ganz junge Leute ansprechen will, muß man auch ganz junge Moderatoren haben. Und wenn sie so jung sind, können sie auch noch nicht die ganz große Ahnung haben. Sollen sie auch nicht. Aber bei VH-i und VIVA 2 ist das anders. Da geht es nicht ohne die inhaltliche Glaubwürdigkeit der Moderatoren. Wenn zum Beispiel auf MTV ein junger Moderator über T.Rex spricht, denken die Leute aus der älteren Zielgruppe doch nur: „„Was weiß der schon davon, der war ja noch nicht mal geboren, als Marc Bolan damals dieses Stück aufnahm.“
ME/S: Hältst du diese ältere Zielgruppe wirklich bei der Stange, wenn du in einem nicht ganz neuen Sendekonzept wie dem „“Musikalischen Quintett“ eine Stunde lang mit Heinz Rudolf Kunze und anderen Fachleuten über die neue Bowie-Platte diskutierst?
Alan Bangs: So eine Sendung wollte ich schon immer mal machen. Ich wollte wissen, ob man so lange nur über Musik reden kann. Dem Publikum, das dabei war, wurde es jedenfalls nicht langweilig, obwohl kein einziger die Platten kannte, über die wir gesprochen haben.
ME/S: Hörst du zu Hause bereits heimlich Deutschrock-Pop-Platten?
Alan Bangs: Ich habe neulich 5000 Platten verkauft. Die deutschen Sachen, die ich behalten habe, waren die, die ich immer schon für richtig deutsch gehalten habe. Nicht im Sinne deutscher Texte, sondern Sachen wie Can, Tangerine Dream, DAF, Kraftwerk. In England oder Amerika gab es nichts vergleichbares. Eine Musik wie die von BAP oder Westernhagen gibt es – musikalisch gesehen – woanders genauso. Eine Musik wie die von Grönemeyer habe ich von keiner US-Band bislang gehört. Ich habe in Köln fünf Jahre in der Wohnung unter Grönemeyer gewohnt. Das war teilweise sehr anstrengend, denn ich mochte seine Stimme nie besonders. Ich mag ihn sehr als Mensch, aber sein Arbeitszimmer war genau über meinem Arbeitszimmer, und er hat jeden Tag stundenlang geübt. Er hat die Musik über Kopfhörer gehört und dazu gesungen. Ich habe also nur seine Stimme gehört und bei Grönemeyer habe ich immer das Gefühl, er singt, als würde er auf dem Klo sitzen und pressen und es geht trotzdem nicht.
ME/S: Trotz zweier neuer Platten hat sich Grönemeyer in den Medien dieses Jahr ziemlich rar gemacht.
Alan Bangs: Was ich an Herbert mag: Er hält sich raus, wenn er nichts zu sagen hat. Es gibt andere Leute, die müssen immer ihre Meinung zu allem abgeben.
ME/S: Das hängt immer auch davon ab, ob sie von den Medien gefragt werden.
Alan Bangs: Naja, es gibt Leute, die schaffen es eben immer wieder, dafür zu sorgen, daß sie gefragt werden.
ME/S: Heinz Rudolf Kunze schafft das stets.
Alan Bangs: Als Journalist weiß man auch, wen man fragt, wenn man ein Statement braucht: Campino, Heinz Rudolf Kunze. Aber ein Kunze ist durchaus in der Lage, über sich selbst zu lachen. Roger Willemsen hatte in seiner Sendung neulich Grace Jones gefragt, wie sie sich einen typischen deutschen Rockstar vorstelle. Sie antwortete: „„Lange Haare, groß, gut gebaut.“ In dem Moment kam Kunze rein und Grace Jones bekam einen hysterischen Lachanfall. Am Ende saßen beide auf dem Sofa und lachten.
ME/S: Dennoch verkaufen im LP-Markt fast nur noch deutschsprachige Produktionen richtig gut. Pur, Die Ärzte, Die Böhsen Onkelz, Die Fantastischen Vier, Die Doofen, Westernhagen, Grönemeyer – das waren die Top Ten-Themen des Jahres. Wie empfindest du als Mensch mit englischem Reisepaß diese Rückbesinnung auf deutsche Sprache in der Popmusik?
Alan Bangs: Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Sicher – man hat auch gelernt, die deutschen Sachen besser zu vermarkten. Wenn etwas eine gewisse Qualität hat, kannst du alles vermarkten. Das einzige, womit ich als Engländer Probleme habe, ist dieses Gefühl, daß da musikalisch doch viel abgekuckt und jetzt einfach auf deutsch gemacht wurde. Ich habe immer Probleme mit angloamerikanischer Rock- oder R&B-Musik gehabt, zu der man einfach nur deutsch singt. Bei der Neuen Deutschen Welle war das anders. Da fand die deutsche Sprache das erste Mal eine eigene Grammatik, die wirklich zu der Musik paßte. Beim Rap ist das viel einfacher, rappen kannst du in jeder Sprache. Es gibt auch Sachen von den Fantastischen Vier, die ich fantastisch finde.
ME/S: Wenn es für dich so abgekupfert klingt – wie erklärst du dir den immensen Erfolg von Westernhagen? Sprich: Die ausverkauften Stadien, den Platin-Regen für ‚Affentheater‘, den Star-Kult?
Alan Bangs: Ich hab‘ mich oft gefragt, woher das kommt. Wenn ich mir diese Art von Musik anhören möchte, lege ich lieber Rod Stewart, die Rolling Stones oder Joe Cocker auf. Was mir in Deutschland meistens fehlt, ist ein wirklich hervorragender Sänger. Grönemeyer ist eine Persönlichkeit, aber wie Bob Dylan oder Tom Waits nicht gerade ein toller Sänger. Es gibt eben sehr viele angloamerikanische Sänger und Sängerinnen, die wirklich Klasse singen können. Das ist bei Westernhagen nicht der Fall, bei Niedecken nicht, und auch bei Maffay nicht. Und noch etwas, auch wenn es altmodisch klingt – die große Kunst besteht eben darin, eine gute Melodie zu schreiben, einen großartigen Pop-Song.
ME/S: Irgendwie scheinen diese Acts aber dennoch den Nerv des deutschen Publikums zu treffen.
Alan Bangs: Als ich Rundfunksendungen gemacht habe, überlegte ich mir immer: Ich bin in Köln – was ist der passende Soundtrack für diese Stadt? Bei Städten wie New York oder L.A. gibt es Musik, die zu dem Leben dort paßt. Es war aber immer sehr, sehr schwer für mich, herauszufinden, welche Musik das Leben in Deutschland widerspiegelt. Und ich glaube, daß es Leute wie Westernhagen oder die Fantastischen Vier mittlerweile geschafft haben, genau dieses Leben in Deutschland musikalisch auszudrücken.
ME/S: Die Medienleute haben trotzdem in der Regel ihre Probleme mit deutschsprachigen Platten.
Alan Bangs: Auch das verändert sich. Bei ‚Eins Live‘ im WDR gibt es ja auch keinen Moderator mehr, der nicht aus Deutschland kommt. Mich haben sie rausgeworfen und Francis Gay moderiert auch nicht mehr. Man ist stolz darauf, inzwischen 40 Prozent deutsche Produktionen zu spielen. Meine Sendung, die ich 16 Jahre lang gemacht habe, wurde abgesetzt, statt dessen kommt zur gleichen Sendezeit jetzt ‚Heimatkult‘. Der Werbespruch dazu heißt „„Eins Live macht hörig“. Bei mir geht da schon ein Warnlicht an.
ME/S: In deiner letzten Radiosendung hast du Chopin, die Neubauten, Hendrix und Jaques Brel gespielt. Das stand – als Vorwurf – sogar in deinem Entlassungsbrief. Markiert dein Rauswurf nicht auch den Endsieg des Dudel-Formates im Hörfunk?
Alan Bangs: Gerhard Polt hat mal gesagt: „Das Maß aller Dinge ist das Mittelmaß.“ Und all diese mittelmäßigen Leute, diese Ja-Sager, kommen überall an die verantwortlichen Posten in den Sendern und können in ihrer Umgebung nichts weniger ertragen als Leute, die eine eigene Meinung haben. Sie brauchen Leute, die sagen „„Vielen Dank, daß ich für Sie arbeiten darf.“
ME/S: Die Massen erreicht man eben nur mit einem mittelmäßigen Programm.
Alan Bangs: Ich glaube nach wie vor daran, daß man mit einem interessanten, anspruchsvollen Programm viele Zuhörer erreichen kann. Leider ist „“anspruchsvoll“ mittlerweile zu einem Schimpfwort geworden.
ME/S: Zumindest konnte man im vergangenen Jahr mit einer großen Portion Doofheit eine Menge Geld verdienen.
Alan Bangs: Ich war zufällig einmal in einem Kölner Club und Helge Schneider kam auf die Bühne. Er sagte „„N’abend!“ und alle lachten sich kaputt. Ich verstehe das nicht – alles, was ich bislang von Helge Schneider gesehen und gehört habe, fand ich völlig belanglos, überhaupt nicht witzig. Ein Hype ohne Ende. Ich denke mir immer: Einer, der so aussieht wie er, muß stinken.
ME/S: Und vermarktet das als „„Mief“. Bei den Medien läuft das in die selbe Richtung: Häppchen statt Tiefgang. Oder erinnerst du dich noch an einen packenden Zeitschriften-Artikel im letzten Jahr?
Alan Bangs: Schon, aber die haben meist nichts mit Musik zu tun. Höchstens, wenn jemand über David Bowie oder Brian Eno schreibt – dabei kommt meistens eine gute Geschichte heraus. Was mir in Deutschland immer fehlt, ist die Möglichkeit, auch mal richtig lange Artikel wie zum Beispiel die 18-Seiter im amerikanischen ‚Vanity Fair‘ zu lesen.
ME/S: Stichwort Brian Eno: Was zum Teufel ist mit U2 los? Das hängt immer auch davon ab, ob sie von den Medien gefragt werden.
Alan Bangs: Das Passengers-Album finde ich wirklich gelungen. Gut, ich bin Eno-Fan, aber wie auf dem Stück ‚Elvis Ate America‘ Howie B. immer so gedehnt „Eeeeeelvis“ singt – das ist fantastisch. Vieles ist ein bißchen überflüssig und ich war nie der große U2-Fan. Ich fand es aber schon mutig, was sie mit Brian Eno ausprobiert haben. ‚The Fly‘ oder ‚Zooropa‘ – den Mut zur Dekonstruktion: Wir nehmen alles, was wir gemacht haben, auseinander und bauen es anders herum wieder zusammen. Für solche Experimente ist Eno sowieso immerzu haben.
ME/S: Wie rettet sich die Rockmusik über die Neunziger? Weiter nudeln wie Bon Jovi, Unplugged wie Rod Stewart, Metal-Rap-Crossover, Retro?
Alan Bangs: Heutzutage gibt es einfach mehr Vielfalt. Mittlerweile wird etwa mit Rhythmus ganz anders gearbeitet – was zum Beispiel Nelle Hooper mit Massive Attack – zuletzt für Madonna – macht. Techno-Rhythmen sind mir meistens viel zu schnell. Aber wenn du Techno runterfährst, verlangsamt abspielst, kommt immer geile Musik heraus. Wichtig ist nach da musikalisch doch viel abgekuckt und jetzt einfach auf deutsch wie vor eine eigenständige Idee. Über die neue Bowie kann man sehr geteilter Meinung sein, denn auf dieser Platte gibt es keine Songs mehr, keine Melodien. Dafür gibt es aber tolle Atmosphären, tolle Stimmungen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es immer weniger gute Songs gibt – weil viel mehr Gewicht auf Rhythmen und Atmosphären gelegt wird. Und das ist gut so, weil dadurch alles viel interessanter geworden ist.
ME/S: Gab es 1995 überhaupt noch etwas Neues? Erfolg von Westernhagen? Sprich: Die ausverkauften Stadien, den Platin-Regen…
Alan Bangs: Die letzte musikalische Neuerung war HipHop bzw. Rap – und das ist nun auch schon wieder über 15 Jahre alt. Dann gibt es noch Industrial – ebenfalls 10 Jahre alt. Techno ist das einzig Neue. Aber sonst gibt es eigentlich höchstens neue Tanzbewegungen – wie Acid House oder Jungle.
ME/S: Auch der Rock’n’Roll war ursprünglich eine Tanzbewegung.
Alan Bangs: Klar, aber irgendwann war dieser Rock’n’Roll vorbei. Außer Bands wie Bon Jovi oder Aerosmith spielt das ja keiner mehr.
ME/S: Crossover ist auch nicht mehr so aufregend, wie die neue Red Hot Chili Peppers gezeigt hat.
Alan Bangs: Das ist wie des Königs neue Kleider: Es gibt Gruppen, die eine bestimmte Zeit lang unantastbar sind. Die findet jeder gut, weil sie hip und angesagt sind, funky, erfolgreich. Wir hatten von der neuen Peppers in jedem Redaktionsraum eine Vorab-Cassette und alle waren begeistert. Aber ich hatte das Gefühl, daß keiner mehr genau hinzuhören braucht, wenn nur Red Hot Chili Peppers draufsteht. Ich fand die Platte zum Teil todlangweilig.
ME/S: Andersrum geht’s auch. Du findest eine neue Platte – sagen wir mal die von Portishead – richtig geil.
Alan Bangs: Auch das verändert sich. Bei Hören merkst du plötzlich, wie schlecht sie eigentlich ist. Es ist auch immer die Frage, wie weit man sich überhaupt reinhören sollte. Für mich ist der Inhalt von Portishead die Atmosphäre, die im ersten Moment entsteht. Klar, das war ein Hype. Jeder hat Portishead erwähnt, sogar Mick Jagger fand Portishead gut. Oft lege ich Musik auf, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Dafür ist Portishead gut. Musik muß auch nicht immer im absoluten Vordergrund stehen. Es sei denn, sie hat 180 BpM und dröhnt dir mit 120 Dezibel in den Ohren. Als ich aufgewachsen bin, wurde in den Diskotheken eine ganz andere Art von Musik gespielt. Man tanzte immer zu einzelnen Songs, von T. Rex und so. Aber setz‘ dich mal mit T. Rex auseinander „„I drive Rolls Royce because it’s good for my voice“. Ist das eine Aussage, oder ist es einfach Unsinn? Ich muß mich damit nicht auseinandersetzen, solange es funktioniert. Das Gleiche gilt für Techno. Die Bedeutung dieser Musik findet erst dann statt, wenn man sich dazu bewegt. Wenn du dazu tanzt, die Musik ist laut, du hast Speed genommen, das Stroboskob blitzt – dann ist das wie eine Droge. Dann funktioniert die Musik. Und es ist absolut sinnlos, hier rumzusitzen, eine Techno-Platte aufzulegen und diese Musik zu analysieren.
ME/S: Noch eine Sinnfrage: Warum klingt die neue Simlpy Red genauso wie die letzte Simply Red? Und warum klingt wieder jedes Stück gleich?
Alan Bangs: Wenn heute eine Gruppe mit einer Platte wie dem ‚White Album‘ von den Beatles ankäme – sie würde nur Kopfschütteln ernten. Das kann man nicht verkaufen, das hat kein Image. Aber was ist Musik letztlich? Ein Ausdruck menschlicher Gefühle. Und Menschen haben nun mal unterschiedliche Launen. Wie kommt es, daß die meisten Musiker als Menschen zwar unterschiedliche Launen haben, aber immer, wenn sie Musik machen, haben sie anscheinend nur eine dich noch an einen packeneinzige Laune, die sie ausdrücken.
ME/S: Und sie reiten ihre Masche, wenn sie mal erfolgreich war, bis zum bitteren Ende weiter. Im Moment tun zum Beispiel alle so, als seien sie Punk Bands.
Alan Bangs: Vorhin war Nina Hagen bei mir im Studio. Auf ihrer neuen Platte sind zwei Punk-Songs, die klingen wie vor 20 Jahren. Dee Dee Ramone hat mitgeholfen. Aber ich stehe sowieso nicht auf Revivals. Ich denke, das kommt vor allem von den Medien, die ständig irgendwelche Trends erfinden müssen.
ME/S: Lenny Kravitz zumindest scheint das angebliche Seventies-Revival ziemlich gut überlebt zu haben.
Alan Bangs: Vieles ist ein bißchen überflüssig und ich war nie der große Fan von Lenny Kravitz, weil die meisten seiner Texte unglaublich banal sind. Er hat Reime, bei denen ich mir denke: „„Tu mir den Gefallen und streng dich ein bißchen an!“. Bei ihm geht es um dieses geile musikalische Gefühl und leider muß man da auch irgendwas dazu singen. Was vielleicht aber doch noch erträglicher ist als diese Flut von Cover-Versionen und Tribut-Platten in den letzten Monaten. Ich brauche keine ‚Best Of John Lennon‘, gesungen von zehn langweiligen Bands. Keinen Hendrix-Tribut, keine zwei Leonard Cohen-Tributs. Zumal bei der noch nicht mal mein Lieblingscoversong drauf war: ‚Tower Of Song‘ von Jesus & Mary Chain. Ob Musik, Film oder Politik – es mangelt an echten Typen. Und wenn es dann doch mal einen gibt, schießt er sich mit dem Gewehr den Kopf weg. Immerhin mußte deshalb dieser Scharping gehen – weil er kein Typ ist. Im Film ist es viel schlimmer. Nimm Brad Pitt – wie grausam schlecht er in ‚Kalifornia‘ gespielt hat. So eine Art von Typ wird ganz schnell kreiert, weil man nicht mehr die Zeit hat, echte Typen aufzubauen. Das paßt aber gut zu unserer Gesellschaft, in der ja auch alles viel kurzlebiger geworden ist. Und langweiliger: Kein Nikita Chruschtschow haut mehr mit dem Schuh aufs Rednerpult. Man kann von Maggie Thatcher ja halten was man will – aber schau dir mal diesen John Major im Vergleich dazu an. Allein, wie schön es war, auf den Fotos von Gipfeltreffen zwischen all diesen Regierungschefs Thatcher mit ihren blöden Haaren und ihrer albernen Handtasche zu sehen. Allerdings muß ich auch sagen, daß es mehr und mehr interessante Platten von Frauen gibt. Sie sind viel experimentierfreudiger als Männer. Ich denke dabei an Jane Sibbery, Laurie Anderson, Kate Bush.
ME/S: Das Ausleben von Stimmungen ist eine weibliche Stärke. Liegt für dich also die Zukunft des Rock’n’Roll in Frauenhänden?
Alan Bangs: Das möchte ich so nicht sagen. Die Zukunft der Musik liegt in den Händen von Menschen, die tolle Ideen haben. Und die wird es immer geben.