Bob Geldof
Wenn Mutter Teresa in „Top Of The Pops“ auftreten würde, hätte das die gleiche Wirkung: Für die naiveren Jünger kommt es einem Wunder gleich, Bob Geldof live zu erleben; für die akademischen Fans, die in ihm trotz seiner weltlichen Vergangenheit einen unbefleckten Heiligen sehen, grenzt diese Show an Ketzerei.
Im ausverkauften Town & Country tropfen die Wände vom Kondenswasser der 2000 Besucher, die Geldofs Live-Comeback miterleben wollen. Fünf Jahre nach Live Aid erinnert er alle, deren Gedächtnis womöglich verblaßt ist, daran, daß er trotz des damaligen Rummels vor allem ein inspirierter Sänger und Songschreiber ist. Seinen Pilgerstab, die Gitarre, fest in der Hand, präsentiert er die Songs seines zweiten Albums THE VEGETARIANS OF LOVE. Mit „The Great Song Of Indifference“ beschwört er schnell auch live die traditionelle Aura dieses Albums. Geldof ist sichtlich glücklich, wieder vor Publikum zu spielen. Trotzdem verbirgt sich hinter der äußeren Gefaßtheit auch eine gewisse Nervosität. Er stakst auf der Bühne hin und her wie ein Raubtier im Käfig, das auf seine tägliche Fütterung wartet.
Seine Musiker kommen, mit Ausnahme des Bassisten Pete Briquette, der schon bei den Boomtown Rats spielte, vom Penguin Cafe Orchestra. In den rockigsten Momenten erinnert Geldof mit dieser Truppe an einen irischen Springsteen, dann wieder wirkt er in den Balladen wie ein Bruder von Van Morrison und manchmal auch wie ein verschnupfter Bob Dylan. Wenn er seinen Hemdkraeen aus weißen Spitzen streichelt, trägt er das glückliche Lächeln eines nostalgischen Heranwachsenden zur Schau. Und wenn er sich mit der Hand durchs Haar streicht, stöhnt er wie ein echter Pop-Star: „Uff, was für eine Hitze hier drin!“ Er zeigt seinen Finger her, den er sich an einer rebellischen Gitarrensaite verletzt hat, und kommentiert mit schmerzverzerrtem Grinsen: „Scheiße, Keith Richards hätte wegen eines solchen Malheurs die ganze Stones-Tour abgesagt.“
Nach zwei Stunden beendet er den Set mit einer neuen Version des „Great Song“, aber das Publikum läßt ihn noch lange nicht geben. Mit einem Handtuch um den Nacken serviert er dann endlich die Boomtown-Klassiker, auf die alle Veteranen gewartet haben: „I Don’t Like Mondays“. „Looking After Number One“ und „Rap Trap“. Nach der dritten Zugabe will man ihn noch immer nicht gehen lassen, obwohl er gesteht, er habe keinen weiteren Titel im Programm. Aber dann improvisiert er doch noch ein bißchen – mit dem passenden Stück „Everybody’s Got A Hole To Fill“.
Bob Geldof hat wieder zum artistischen Feuer zurückgefunden, das vom humanitären Engagement bisweilen ausgelöscht zu werden drohte. Aber er wird nie wieder ein einfacher Rockmusiker sein – dafür strahlt seine Persönlichkeit einfach zu stark. Er hat eben doch ein bißchen Ähnlichkeit mit Mutter Teresa.