Boom Box: Der Doktor kehrt zurück
Der Doktor ist da. Endlich, sagen die einen, war fad ohne ihn. Zu spät, sagen die anderen, braucht keiner mehr. Kleine Ewigkeiten sind mittlerweile vergangen seit Dr. Dres letztem Album 2001, beträchtliche Teile davon unter stetiger Ankündigung des Nachfolgers Detox.
Der Doktor ist da. Endlich, sagen die einen, war fad ohne ihn. Zu spät, sagen die anderen, braucht keiner mehr. Kleine Ewigkeiten sind mittlerweile vergangen seit Dr. Dres letztem Album 2001, beträchtliche Teile davon unter stetiger Ankündigung des Nachfolgers Detox. Acht Jahre, um genau zu sein: Im HipHop wird das nicht mit 8 abgekürzt, sondern mit ∞ . Damit hat Dre nicht nur jenes eherne Gesetz gebrochen, wonach er regelmäßig die gesamte Rapindustrie auf den Kopf zu stellen habe – sondern auch eine ganze Generation verpasst. Die heutigen Helden heißen Lil Wayne und Kanye West, Mac Miller und Nicki Minaj. Sie alle haben wenig am Hut mit dem beherzten Blut- und Bodenrap, den er einst mitgeprägt hat. Dafür umso mehr mit bunten Brillen, Hustensaft, MGMT und anderen Dingen, die einem Mittvierziger aus Compton eher verdächtig vorkommen dürften.
Schlechter Zeitpunkt für ein Comeback also? Möchte man meinen. Und doch zirkuliert seit Tagen als waschechte Weltsensation im Netz: der fixundfertige, chefetagenoffizielle, erste Leak aus Detox. „Kush“ heißt das knapp vierminütige Stück Musik. Es featured Snoop Dogg und die senegalesische Heliumtöle Akon. Und es versteht sich von selbst, dass Fans und Fachwelt darauf einprügeln wie Anhänger der Teepartei auf einen schwulen Kommunistennazi aus dem Gesundheitswesen. Die lange Zeit des Wartens hat aus einem „Konzeptalbum“ einen Treppenwitz gemacht, aus dem Treppenwitz einen Mythos, und aus dem Mythos eine riesige Blase aus Erwartungen. Die ist nun geplatzt: Mythen funktionieren nun mal nicht als MP3.
Der wackere Doktor ist dabei fast zu bedauern. Was hätte er auch tun sollen? Sich den Moden der Zeit anpassen? Seine strammen Schenkel passen leider nicht in Röhrenjeans, und fluffigen Elektro-Pop hat er schon Mitte der Achtziger gemacht. Also hält er sich an das, was er kennt und kann wie kein zweiter: Hardcore-Rap zum Mitsingen. Mit Pianos, Texten übers Kiffen, und genau jenen zwei Zeilen, die ab sofort alle für immer und ewig auswendig können. Beats machen kann schließlich jeder. Dr. Dre aber ist der Quincy Jones des HipHop: Er macht Hits, er macht Stars. Seit 50 Cent und hundert Jahren war ihm das nicht mehr gelungen. Aber „Kush“ knallt mit Nachdruck.
Eine Revolution ist das noch nicht. Aber die Übertragung hat begonnen.