Bryan Adams: Das Streben des Bryan
Kann man noch normaler sein? Mit ergreifenden Balladen sang sich der Kanadier in die Herzen der Hausfrauen. Dabei wird Bryan Adams im Gespräch mit ME/Sounds nicht müde, den Eindruck zu erwecken, daß es ihm so richtig peinlich ist, 44 Millionen Platten zu verkaufen.
Gestern Hongkong, heute Hamburg, morgen London. Bryan Adams kommt viel herum in der Welt. Zwischen zwei Flügen muß der 36jährige Kanadier heute eine Pflicht erfüllen, die er auf den Tod nicht ausstehen kann: Interviews geben. In einer der vier Suiten, die seine Plattenfirma im Hamburger Nobelhotel ‚Atlantic‘ angemietet hat, läßt der Künstler bitten. Dem Weltreisenden in eigener Sache steht der Jetlag in die kleinen Pupillen geschrieben. Trotzdem: Bryan Adams ist ebenso freundlich wie distanziert.
ME/S: Für manche Leute giltst Du als Saubermann….
…das ist eine Schublade, die die Journalisten erfunden haben. Das ist einfach dumm.
ME/S:…versuchst Du diese Schublade mit Songtiteln wie ‚(I Wanna Be Your) Underwear‘ auf Deinem neuen Album zu schließen?
Nein, das ist nur mein Sinn für Humor.
ME/S: Hat Dich dabei Prince Charles‘ berühmtes „Ich möchte Dein Tampon sein“-Zitat inspiriert?
Nein. Aber ich möchte auch nicht so nahe dran sein, wie Prince Charles. Ich bin schon zufrieden damit, nur die Unterwäsche zu sein… (lacht)
ME/S: Du warst zwar nie der Inbegriff des Rock’n’Rollers, aber mit Alben wie ‚Waking Up The Neighbours‘ hast Du straighten, soliden Mainstream-Rock abgeliefert. Mittlerweile denkt man beim Namen Bryan Adams aber doch eher an Schnulzen der Marke ‚Have You Ever Really Loved A Woman’…
Hey, Mann, was soll die ganze Aufregung? Es ist doch egal, ob man Rocksongs, Balladen oder sonstwas aufnimmt. Hauptsache ist doch, daß die Songs gut sind. Ich bringe die besten Songs raus die ich habe, und wenn es sich ergibt, daß es eine Ballade ist, ist’s eine Ballade und wenn’s ein Rocker ist, wird’s eben ein Rocker, okay?
ME/S: Wo würdest Du Dich selber musikalisch einordnen?
Über sowas mach‘ ich mir keine Gedanken, ich bin auch nicht daran interessiert, ein Teil des Musikgeschehens zu sein.
ME/S: Aber Du kannst doch nicht abstreiten, daß Du ein Teil des Rock’n’Roll-Business bist, oder?
Ja, vielleicht. Aber in Wirklichkeit will ich mit dem Business nichts zu tun haben. Ich hab auch keine Lust dazu, mich in irgendeiner Form kategorisieren zu lassen. Ich mache einfach das, was ich machen will.
ME/S: Das klingt sehr schön, aber Du tust doch ganz offensichtlich die Dinge, die das Business von Dir verlangt…
Was zum Beispiel?
ME/S: Du gibst Interviews, obwohl Du eigentlich keine Interviews magst.
Stimmt, ich mag keine Interviews. Ich laß mich nur interviewen, um die Leute bei meiner Plattenfirma glücklich zu machen. Du kannst mir glauben, wenn es nach mir ginge, würde ich nicht hier sitzen.
ME/S: Wo würdest Du denn lieber sitzen?
Zu Hause. Ja, ich würde wahrscheinlich zu Hause sitzen und mich langsam auf meine Tour vorbereiten.
ME/S: Was sagst Du den Leuten, die Deine Songtitel zu klischeehaft finden, sowas wie ‚Straight From The Heart‘, ‚Please Forgive Me‘ oder ‚Heat Of The Night?
Beim Songschreiben geht es doch darum, ein Gefühl zum Ausdruck zu bringen, das die Leute in sich selber spüren können. Ich benütze Phrasen aus dem täglichen Leben, die die Leute auch verstehen können. Ich schreibe Songs um Phrasen herum, die allgemeinverständlich und gebräuchlich sind.
ME/S: Und welches Publikum willst Du damit erreichen?
Ich spiele in erster Linie für mich selber und wenn es dabei noch einigen Leuten gefällt, ist das toll.
ME/S: Deine Musik scheint aber einer ganzen Menge Leuten zu gefallen. Immerhin hast Du 44 Millionen Platten verkauft.
Ich hab‘ sie nicht gezählt.
ME/S: In der Biographie Deiner Plattenfirma ist öfters von Deiner „musical message“ die Rede. Kannst Du die näher erklären?
Du darfst überhaupt nichts glauben, was Dir meine Plattenfirma erzählt. Ich möchte nicht, daß andere Leute in meinem Namen sprechen.
ME/S: Hast Du denn überhaupt keinen Einfluß darauf, was Deine Plattenfirma über Dich verbreitet?
Sieht fast so aus. Normalerweise habe ich schon die Gelegenheit, meine Bio gegenzuchecken, bevor sie veröffentlicht wird. Aber ich tue das nicht in jedem Fall.
ME/S: Glaubst Du, daß Musiker heutzutage noch etwas verändern können auf der Welt?
Ich glaube nicht, daß durch Musik jemals etwas verändert wurde, auch nicht in den 60ern. Damals haben die Studenten ein neues Bewußtsein geschaffen. Die Musiker haben die Botschaft lediglich aufgenommen und weiterverbreitet. Aber die Leute haben auch ohne die Musik darüber gesprochen. Die Sixties und die ganze Flower-Power-Bewegung hat sich aus einer Massenbewegeung heraus entwickelt. Und die Schrifsteller und Musiker haben das dann zum Thema gemacht. Sie haben zwar die Lorbeeren geerntet, aber ursprünglich ist die Bewegung von der Straße gekommen.
ME/S: Wenn Du persönlich etwas verändern könntest, was wäre das?
Ich kann nichts verändern. Das ist eine total theoretische Frage. Ich habe in den vergangenen Jahren soviele Länder gesehen und dabei ist mir manchmal der Gedanke gekommen, daß Musiker vielleicht doch etwas verändern können, irgendeinen positiven Einfluß ausüben. Du kannst sicher überall erzählen, wie schlecht die Welt ist, aber niemand wird Dir dabei zuhören. Natürlich kommt’s dabei auch mal vor, daß jemand denkt: „Oh, ‚Live Aid‘, was für eine gute Idee“. Aber hat es den Menschen in Afrika wirklich geholfen?
ME/S: Ich glaube nicht.
Sicher, Du kannst die Leute für bestimmte Dinge sensibilisieren. Aber kein Mensch kann Dir garantieren, daß dadurch irgendetwas geändert wird. Man kann die Leute auf jeden Fall beeinflussen. Aber es gibt nichts Schlimmeres, als Leute, die predigen. Ich hasse Prediger.
ME/S: Was sind Prediger für Dich? Die Songwriter aus den 60ern?
Nein, das ist was anderes. Die Dylan-Songs waren hervorragend, die Songs der Doors waren hervorragend.
ME/S: Die deutschen Kollegen, die mit Dir auf die „Rock in werweißwo“-Tour gehen, neigen bisweilen zum Predigen. Sie geben Dir so wichtige Hinweise wie „Macht keinen Krieg, denn Krieg ist schlecht“.
Dazu kann ich nichts sagen, ich weiß nicht viel über die deutsche Musikszene. Aber daß Krieg schlecht ist, sollte eigentlich jeder wissen.
ME/S: Abgesehen von Deinem Engagement für Greenpeace, würdest Du Dich als politischen Menschen bezeichnen?
Nein, ich bin nicht politisch. Außerdem bin ich auch kein Mitglied von Greenpeace.
ME/S: Aber Du unterstützt Greenpeace.
Ja, ich unterstütze viele Organisationen. Aber dabei beschränke ich mich auf ein spezielles Gebiet. Ich betrachte mein persönliches Engagement für die Umwelt nicht als jedermanns Angelegenheit. Es ist sicherlich okay, darüber zu sprechen, aber ich möchte nicht darüber predigen. Das sind persönliche Gefühle, wirklich etwas ganz persönliches.
ME/S: Aber es ist doch auch politisch, oder nicht?
Es ist nur eine politische Angelegenheit, wenn Du sie dazu machst. Ich glaube nicht, daß die Umwelt eine politische Angelegenheit ist. Politik ist ein Geschäft. Politik ist nur ein anderes Wort für Business. Politik ist das Geschäft, Menschen zu führen. Und die meisten Politiker sind doch sowieso in irgendwelche Skandale verwickelt. Kennst Du irgendjemanden, der heutzutage noch allen Ernstes Politiker werden möchte?
ME/S: Nein, weil das Wort Politiker zum Schimpfwort geworden ist.
Ja, aber nur weil sie uns jahrelang belogen haben, jeder muß Steuern zahlen bis zum Abwinken. Und man fragt sich, für was tue ich das eigentlich? Denn in der Endkonsequenz bleibt ja alles doch beim alten.
ME/S: Wenn man mit der Musik soviel Kohle macht wie Du, wird es da nicht schwierig, das ganze Geld auch auszugeben bzw. es so anzulegen, daß der Staat nicht die Hälfte kassiert?
Ich unterstütze meine Eltern, meine Großeltern, meine Freunde. Das ist für mich eine nette Art, etwas davon zurückzugeben, sie an meinem Erfolg teilhaben zu lassen. Ich habe keine Probleme damit, Geld auszugeben. Und ich zahle Steuern wie jeder andere auch.
ME/S: Ich persönlich kann mir schönere Varianten des Geldausgebens vorstellen als Steuern zu zahlen.
Aber es ist notwendig. Und die Steuern sind überall sehr hoch. Nenn‘ mir ein Land, das keine hohen Steuern hat.
ME/S: Monaco.
(lacht) Vielleicht ziehe ich ja dahin. Ich rufe Prinz Monaco an und sage ihm, daß ich ein Zimmer mieten will. Vielleicht als Nachbar von Claudia Schiffer.
ME/S: Oder als Nachbar von Michael Schumacher?
Dann schon lieber von Claudia Schiffer, (lacht) Laß‘ uns wieder über Musik reden.
ME/S: Okay: Fühlst Du Dich wohl dabei, auf all diesen „Rock Over Germany“-etc.-Mega-Festivals zusammen mit Kollegen aufzutreten, die – vorsichtig formuliert – schon ein paar Jahre im Geschäft sind? Elton John, Tina Turner, Joe Cocker und wie sie alle heißen?
Ich fühle mich in guter Gesellschaft, privilegiert.
ME/S: Bei Deinen Auftritten, füllst Du die größten Arenen der Welt, Du verkaufst Millionen Platten. Du bist 36 Jahre alt, was willst Du als Künstler noch erreichen?
Ich bin nie mit der Absicht in dieses Business eingestiegen, um „im Business“ zu sein. Ich wollte einfach nur Musik machen, ich wollte Platten aufnehmen, hinter denen ich auch stehen kann. Ich versuche Platten zu machen, die ich auch selber anhören würde. Deshalb habe ich auch immer meine Platten selber produziert und die Songs selber geschrieben. Es spielt keine Rolle, ob du 10.000 Platten oder 10 Millionen verkaufst. Ich würde auch dann noch Musik für mich selber machen, auch wenn ich nicht erfolgreich wäre. Ich würde nie in meine Bio schreiben, wieviele Platten ich verkauft habe, das ist typisch Plattenfirma. Mich interessiert nur, ob die Songs gut sind und ob die Musik gut ist. Manche Leute mögen dich, andere nicht. So ist das eben.
ME/S: Ein Künstler mit Deinem Status ist leicht in Gefahr, den Sinn für die Realität zu verlieren, kauft sich 24 Häuser und 30 Limousinen.
24 Häuser? Das wäre mir zuviel Verantwortung. Ich kenne Leute, auf die das Bild zutrifft. Aber ich bin nicht an materiellen Dingen interessiert. Ich habe ein Haus, ein Auto, ein paar Gitarren, das war’s schon. Was ist normal? Wenn Du Dich nur wohlfühlen kannst, wenn Du 24 Häuser in aller Welt besitzt – okay, dann ist das normal. Was ist Realität?
ME/S: Realität ist zum Beispiel, in einen Supermarkt zu gehen und eine Tüte Milch zu kaufen.
Hör zu, ich kann die Straße runtergehen und die meisten Leute würden mich nicht erkennen. Die würden mich nicht mal erkennen, wenn ich vom Himmel fallen würde.
ME/S: Was ist für Dich die angenehmste Seite Deines Berufs?
Aus dem Nichts etwas erschaffen: einen Song
ME/S: Und was regt Dich am meisten auf?
Wahrscheinlich von Interviewern ins Kreuzverhör genommen zu werden. Niemand mag gerne ins Kreuzverhör genommen werden.
ME/S: Mick Hucknall von Simply Red hat die Offizielle Hymne zur EM geschrieben. Bist Du als Fußball-Fan nicht ein bißchen neidisch, daß der Song nicht von Dir ist?
Hey, aber wir haben den besseren geschrieben. ‚We’re Gonna Win‘ auf unserem Album, aber wir haben leider den Einsendeschluß verpaßt. Und deshalb haben sie den vom Simply Red-Album genommen. Unser Song heißt ‚We’re Gonna Win‘, das klingt wenigstens wie ein Fußball-Song, oder?
Kurzinfo
Bryan Adams wird am 5. November 1959 in Kingston/Ontario (Kanada) geboren. Anfang der 70er jähre steigt er als Leadsänger und Gitarrist bei der kanadischen Band Sweeney Todd ein. 1976 tut sich Adams mit dem Schlagzeuger Jim Vallance zusammen. Gemeinsam schreiben die beiden eine Reihe von Hit-Singles für Bands und Interpreten wie Bachman-Turner Overdrive, Kiss, Loverboy und Bonnie Tyler. 1979 unterschreibt Adams einen Vertrag als Solo-Künstler beim Polydor-Label A&M. Mit seinem ’83er Album ‚Cuts Like A Knife‘ schafft Adams den Durchbruch beim gemeinen Rockpublikum, das ihm bis heute 44 Millionen Schallplatten abgekauft hat. Einen nicht bekannten Teil des damit verdienten Geldes gibt Adams an Greenpeace weiter. Neben unverfänglichem Rock-Pop der Marke ‚Summer Of ’69‘ interpretiert Adams in den letzten Jahren mit Vorliebe süßliche Kitschballaden (‚Please Forgive Me‘, ‚Everything I Do I Do It For You‘).