Bundestagswahl 2017: Culcha Candela bemühen sich um „Hits und Haltung“
Zur Bundestagswahl wollten wir wissen: Was sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wir haben Fragebögen an 150 deutsche Künstler verschickt. Hier die Antworten von Culcha Candela.
Zur Bundestagswahl 2017 wollten wir wissen: Wie viel sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wie politisch ist deutscher Pop kurz vor der Bundestagswahl und zwei Jahre nach „Wir schaffen das“? In einer Zeit, die geprägt ist von einer Rückkehr in nationalstaatliches Denken, von Europakrise, islamistischem Terror, Klimawandel und zunehmender gesellschaftlicher Spaltung.
Also haben wir Fragebögen an 150 deutsche Künstler und Künstlerinnen verschickt. 29 Antworten kamen zurück, eine davon von Culcha Candela, die im vergangenen August ihr Album FEEL ERFOLG veröffentlicht haben.ME: Versteht Ihr Euch als Band als politisch? Schreibt Ihr politische Songs?
Culcha Candela: Ja. Noch bevor uns fünf Leute hörten, war unsere Gründungsphilosophie der Kampf gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und für ein buntes Miteinander. Als der Erfolg kam, wurde daraus dann „Hits und Haltung“. Für uns ist es kein Widerspruch, Message und tanzbare Gute-Laune-Songs zu kombinieren – siehe „Schöne Neue Welt“. Aber wenn, dann mit Humor und ohne Zeigefinger.
Warum schreibt Ihr politische Songs oder warum verzichtet Ihr darauf?
Weil Musiker normale Menschen sind, die das Glück haben, das als Lebensunterhalt tun zu dürfen, wovon sie geträumt haben. Abgesehen davon weinen, lachen, essen und kacken wir auch. Daher gehen uns Sachen, die die Gesellschaft bewegen, genauso an!
Politische Songs machen wir nicht als Konzept. Wenn was kommt und sich gut verbinden lässt mit Reimen und Melodie, dann machen wir’s. Wenn nicht, wird nix über’s Knie gebrochen. Unser absoluter Hasskommi im Internet ist übrigens „Haltet Euch da mal raus und macht weiter Musik!“ Wenn Leute unsere Musik nicht mögen oder unsere Mütter beleidigen, lässt uns das kalt. Aber das treibt uns absolut auf die Palme! Anscheinend ist man in den Augen solcher Web-Rambos als Musiker eine Art Alien ohne Lebensexpertise.
Können politische Inhalte in Songs tatsächlich etwas beeinflussen? Welche Wirkung können sie haben?
Wissen wir nicht. Fakt ist aber: Es gibt uns Seelenfrieden, weil es uns wichtig ist in diesem Moment, uns hören Leute zu, die uns ernst nehmen oder halt den Humor teilen und genug Beispiele für Musik als Katalysator für historische Ereignisse mit politischer Brisanz gibt es auch.
Fühlt Ihr Euch durch die politischen Entwicklungen der letzten Zeit (Flüchtlingsentwicklung, erstarkender Nationalismus, Autokraten in politischen Führungen, Klimawandel usw.) herausgefordert, Euch künstlerisch und als Personen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, politisch zu äußern?
Das haben wir immer getan und werden es auch bis ans Ende unsere Tage weiterhin machen. Überhaupt: Nicht nur reden, sondern Taten folgen lassen. Das ist immer besser! Wir beziehen immer klar Stellung, aber wir engagieren uns auch sozial an vielen Fronten. Wünschenswert wäre es, wenn es auch andere erfolgreiche Kollegen von der jungen Garde machen könnten, nicht nur immer die alten Haudegen Udo L., Campino und Herbert G.!
Nebenbei bemerkt: „Schöne Neue Welt“ ist vom 2009. Was wir da als augenzwinkernde Warnhinweise aufgezählt haben, ist leider alles eingetreten! Wir hätten uns gewünscht, dass unsere prophetischen Fähigkeiten nicht so akkurat gewesen wären…
Status: Es ist kompliziert – der deutsche Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft
Eine ausführliche Analyse darüber, wie es um den deutschen Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft steht, findet Ihr im Essay von Torsten Groß im Musikexpress 10/2017, der am 14. September erschienen ist. Der komplette Text ist jetzt auch online nachzulesen:
Die weiteren Antworten auf unsere Fragen:
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- Milky Chance vor der Bundestagswahl 2017: „Politik inspiriert uns nicht dazu, Lieder zu schreiben“
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