Campino über die Arbeit mit Gerhard Polt und der Biermösl Blosn


„Treffpunkt dieser ominösen Session war das ‚Müllersche Studio‘ in einem kleinen bayerischen Dorf, eingebettet zwischen einem Möbel-Center und einem idyllischen Berg. Die Arbeit am Aufnahme-Tag wurde dann aber erheblich behindert – unvorhergesehenerweise – durch eine größere Anzahl verschiedener Obstler und anderer bayerischer Schnaps-Spezialitäten. Nach einem kurzen Begrüßungs-Cocktail ging es zum ‚Großen Peter‘ – dem bayerischen Volksmusik-Terroristen, der Gerüchten zu Folge seinen Lebensunterhalt als Wilderer bestreitet und eine eigene Hausschlachtung betreibt. Er spielt die Zither wie ein Gott. Eigentlich wollten wir bereits an diesem Abend mit den Aufnahmen beginnen, doch die Koordination ließ zunehmend nach. Die Biermösl Blosn fluchte über Karl Moik, wir über die Fast Food Pop-Scheiße, und auf Heino prügelten wir alle zusammen ein. Mit dem ersten Hahnenschrei wankten wir ins Bett und versuchten mit schwerem Kopf am Nachmittag den zweiten Anlauf.

Als erstes nahmen wir die Biermösl Blosn auf, wobei wir nie wußten, ob sie gerade ihre Instrumente stimmten, oder schon die Musik aufnahmen. Dafür hätten wir erst ein Examen in bayerischer Volksmusik ablegen müssen. Als sie schließlich gängigere Melodien anstimmten – wie ‚Alte Kameraden‘ oder ‚Schneeflöckchen‘ – hatten wir unsere gemeinsame Linie gefunden.

Dann nahm Gerhard seine Sachen auf. Ohne irgendwelche vorher überlegten Texte, sogar ganz ohne irgendwelche Stichworte, legte er los. Jeder Take war anders, aber immer wieder ein Treffer. Er hat ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir an gemeinen Betrachtungsweisen und sensiblen, genauen Beobachtungen seiner Umwelt auf Loger. Einige von uns wurden wegen permanenter Loch-Anfälle des Studios verwiesen. Die Figur des ‚Willi‘ hatten wir uns zwar gemeinsam ausgedacht, aber Gerhard hat ihr erst das Leben eingehaucht. Diese Tage in Bayern waren sicherlich ein Höhepunkt in unserer verschlissenen Geschichte.“