Cat Stevens


MANCHESTER, OPERA HOUSE, 20 UHR. DAS ALTE, EHRWÜRDIGE GEBÄUDE ERLEBT AN DIESEM ABEND ETWAS, WAS IN EINER DEUTSCHEN OPER KAUM MÖGLICH WÄRE: EIN POPKONZERT. IM SAAL KNISTERT DIE SPANNUNG, FAST JEDER PLATZ IST BESETZT. DAS PUBLIKUM BESTEHT HEUTE NICHT AUS DAMEN IM ABENDKLEID UND HERREN IM SMOKING, SONDERN VORWIEGEND AUS JUNGEN MÄDCHEN. UM ZEHN NACH ACHT WIRD ES DUNKEL. EINZIGES LICHT SPENDEN DIE SCHEINWERFER, DIE SICH JETZT AUF DIE BÜHNE RICHTEN UND EIN PAAR GLIMMENDE ZIGARETTEN. (JA, IN DER OPER VON MANCHESTER IST SOGAR RAUCHEN ERLAUBT). IAIN UND GAVIN SUTHERLAND, DIE BRÜDER AUS SCHOTTLAND, STEHEN ALS 'ANHEIZER' AUF DER BÜHNE. SIE SPIELEN AMERIKANISCHEN COUNTRY-ROCK HAUPTSÄCHLICH EIGENE KOMPOSITIONEN UND EINE VON DEN EVERLY BROTHERS. DAS PUBLIKUM WIRD SOFORT WARM. MAN KLATSCHT, SINGT UND STAMPFT MIT - DA SOLL NOCH EINMAL EINER SAGEN, DIE ENGLÄNDER SEIEN BLASIERT UND ÜBERSÄTTIGT...

Weltstar

Nach den Sutherland Bros. gibt es eine kurze Pause, anschliessend geht es mit einem Film weiter. ‚Teaser And The Firecat‘ ist ein Zeichentrickfilm, dessen Story auf dem gleichnamigen Album von Cat Stevens basiert. Cat ist auch für die grafische Gestaltung des Films verantwortlich. Wie er mir später erzählt, hat er die zwölf Zeichnungen geliefert, nach denen der Film entstand.

Noch während der Teaser die Katze jagt und ‚Moonshadow‘ aus den Lautsprechern klingt, wird es auf der Bühne lebendig. Wenige Minuten später geht das Licht an. Stürmischer Beifall für Cat Stevens und seine Begleitmusiker: Alun Davies (Gitarre), Gerry Conway (Drums), Jean Russel (Keyboards) und Alan James (Bass).

Cat setzt sich und lächelt atemlos und etwas verlegen. „Hallo. Es ist gut, mal wieder hier zu sein. Wir kommen gerade von einer grossen Tournee durch Japan, Australien und die Staaten“. Und dann, ganz übergangslos, fängt er an zu singen. ‚Wild World‘ bekommt wilden Applaus, es folgen ‚Father &-Son‘, ‚Morning Has Broken‘, ’18th Avenue‘, ‚Tuesday’s Dead‘, ‚Lady D’Arbanville‘ und viele andere Stücke seiner vier LP’s. Zwischendurch erzählt er von Japan und Amerika. Er wirkt happy und geht mehr aus sich heraus, als üblich („aber ich bin nicht stoned… wirklich nicht!“) Die Leute sind begeistert. Hinter mir sitzt ein etwa dreizehnjähriges Mädchen, das ununterbrochen mitsingt. Nach jeder angekündigten Nummer ein andächtiges Seufzen aus dem Publikum. Eine herrliche Atmosphäre.

Hinter Cat ist inzwischen der Vorhang aufgegangen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man elf Streichmusiker. Mich stören sie irgendwie, denn sie geben Cat’s Show und seiner Musik eine zu perfekte Note.

Alles ist bis ins kleinste Detail durchkonstruiert. Ich vermisse die Spontanität. Cat, früher harmlos aber impulsiv, hat sich in einen Weltstar verwandelt.

Die Angst, verschaukelt zu werden

Er ist nicht mehr der Sänger/Songwriter/Gitarrist, der allein auf die Bühne geht und einfach singt, was er meint. Heute ist er ein Entertainer amerikanischer Prägung, ein Hitfabrikant mit gewaltigem Sound. Nach zwei Zugaben verschwindet er. Der Meister ist müde. Seine Energien sind verbraucht. Immerhin, er hat sein Bestes gegeben.

Ich sehe ihn erst am nächsten Morgen anlässlich einer kurzen Pressekonferenz wieder. Da ich aus Erfahrung weiss, das er sich nicht gerne ausfragen lässt, halte ich meinen Mund. Irgendjemand fängt ein Gespräch an. Cat antwortet zwar höflich, aber einsilbig und distanziert. Fragen, die ihm zu dumm erscheinen, wehrt er mit einer Handbewegung ab: „Frag was anderes“.

Er wird sauer, wenn man ihn Cat nennt („ich heisse Steve“) und lässt keinen Fotografen an sich heran. Irgendwie tut er mir leid. Gestern, auf der Bühne, war er eine Persönlichkeit, jetzt ist er unsicher und gehemmt. Nach seiner Pleite mit Deram ist er heute froh, sich selbst gefunden zu haben. Das betont er immer wieder. Dqoh dahinter ist Misstrauen und die Angst, noch einmal verschaukelt zu werden.