Christine Westermann und Edin Hasanović im Interview: „In einer Kneipe hätten wir uns nicht kennengelernt“
Wir haben mit Christine Westermann und Edin Hasanović über ihren neuen Podcast „Jung und Jünger“ gesprochen und wurden in ihre Dynamik eingebunden, die sie auch während intensiver Gespräche an den Tag legen. Neben tiefsinnigen Reflexionen verpacken sie Themen gekonnt mit Charme und Witz.
Am 25. Februar 2021 startete ein weiteres Projekt in den Weiten der Podcast-Landschaft. „JUNG UND JÜNGER“ heißt das neue Audible-Format, dessen Gerüst daraus besteht, die 72-jährige Journalistin und Moderatorin Christine Westermann – unter anderem bekannt aus dem Format „Zimmer Frei“ mit Götz Alsmann – mit dem 28-jährigen deutschen Schauspieler Edin Hasanović zusammenzubringen.
Der Podcast konfrontiert Westermann und Hasanović mit verschiedenen Themen, die in beiden Leben sehr präsent sind. Und das trotz des Fakts, dass zwischen ihnen 44 Jahre Altersunterschied liegen. So geraten sie in Gespräche „über Zweifel, über Lüge und über Festhalten und Loslassen und über die großen und kleinen Dramen im Leben.“ Ebenso zeigen die beiden Podcaster*innen mit ihrem neuen Projekt, dass Authentizität und Öffentlichkeit Hand in Hand gehen und auch ernste Themen mit Charme und Witz diskutiert werden können.
Wir hatten das Vergnügen, mit den beiden über ihren Podcast zu sprechen. Unter anderem fanden wir heraus, was sie aus dem Format für sich mitgenommen haben. Zudem verrieten sie, wie es ist ebendiese Themen so intensiv zu besprechen und ob Westermann und Hasanović auch privat ohne den Podcast zusammengefunden hätten.
„Man redet doch über Zweifel, über Lüge und über Festhalten und Loslassen und über die großen und kleinen Dramen im Leben.“
Musikexpress.de: Für dieses Podcast-Format wurdet Ihr von Audible zusammengebracht. Kanntet Ihr Euch vorab?
Christine Westermann: Ich kannte Edin natürlich aus Film und Fernsehen und wir haben uns bei einer Talkshow kennengelernt. Da fand ich ihn richtig gut und als es dann darum ging junge und jüngere Menschen zusammenzubringen ist er mir sofort eingefallen. Für uns beide war es ein richtiger Glücksfall.
Edin Hasanović: Die Geschichte kann ich so unterschreiben. Natürlich kannte ich sie und habe „Zimmer Frei“ Jahre lang geguckt und gehofft, dass ich eines Tages so berühmt werde, dass sie mich dort einladen. Als ich Christine dann beim „Kölner Treff“ gesehen habe, bin ich völlig durchgedreht, weil ich die Frau meiner Träume kennenlernen durfte. Als die Anfrage kam, musste ich keine Sekunde nachdenken und habe sofort zugesagt.
Seid Ihr auch im Privaten Personen, die in diesem Ausmaß mit ihrem näheren Umfeld kommunizieren?
Hasanović: Ich bin privat schon jemand, der gerne tiefgründige Gespräche führt, wobei ich nach unserem Podcast gemerkt habe, warum ich sie nicht so oft führe. Weil sie unfassbar an die Substanz gehen. Nach einem Aufnahmetag konnte ich zu Hause nicht mehr reden, wollte nicht mehr reden, wollte nicht mehr nachdenken, weil wir so reflektieren müssen und uns mit uns und mit der anderen Person so stark auseinandersetzen müssen.
Westermann: Ich glaube, dass wir beide das in unserem Freundeskreis machen. Man redet doch über Zweifel, über Lüge und über Festhalten und Loslassen und über die großen und kleinen Dramen im Leben. Edin hat absolut recht, es ist weniger intensiv, wenn man es außerhalb des Mikrofons macht. Ich war auch richtig erschöpft. Es war alles gesagt und ich war leer. An einem Aufnahmetag ging es um Zweifel; da bin ich nach Hause gekommen, habe einfach nur dagesessen und die Wand angeguckt. Was sehr sehr angenehm war.
„Es gibt Bereiche, die mich – jetzt kommt es ganz pathetisch – ein Stück weit zu einem besseren Menschen gemacht haben.“
Gab es ein Thema, bei dem Ihr im Nachhinein nochmal das Bedürfnis hattet mit dem Gegenüber zu diskutieren?
Hasanović: Was ich gemerkt habe ist, dass die Gespräche mich wirklich mitgenommen haben, dass ich die Gespräche auch ins Privatleben mitgenommen habe. Es gab Gespräche, da haben wir über Streit geredet und ich bin da mit mir auch sehr ehrlich und hart ins Gericht gegangen. Da wusste ich, als ich zurück in mein Privatleben kam: Ah okay, darüber habe ich gesprochen, so möchte ich jetzt nicht mehr sein. Das habe ich Christine nochmal auf privater Ebene gesagt: Es gibt Bereiche, die mich – jetzt kommt es ganz pathetisch – ein Stück weit zu einem besseren Menschen gemacht haben.
Westermann: Ich erinnere mich, dass wir einmal zwei Folgen an einem Tag aufgenommen haben. In der ersten ging es um Zweifel und da waren wir uns wirklich so nah und wir waren so tief drin, es war wirklich auf eine gute Art bewegend. Danach haben wir eine Pause gemacht und sollten anschließend über Glück und Unglück reden und es hat nicht funktioniert. Du kannst einfach, wenn etwas so so heftig war, nicht einfach mit der Leichtigkeit des Glücks kommen. Ich erzähle es deswegen, weil das bezeichnend dafür ist, wie intensiv wir miteinander geredet haben.
Gab es auch Themen, bei denen Ihr Euch gar nicht einig wart?
Westermann: Edin, du erzählst das jetzt! (lacht)
Hasanović (lacht): Also, es gibt die Folge „Loslassen Festhalten“. Da hat Christine einleitend eine Geschichte erzählt, in der sie ihren damaligen Freund – ich sage das jetzt mal so, wie ich das empfinde – für einen kurzen Flirt, für eine kurze spannende Energie verlassen hat. Und da sprang mein moralischer Kompass an. Dafür habe ich sie, glaube ich, auch schon verurteilt. Auch dafür, dass Christine einfach sehr leicht loslassen kann. Auch Freundschaften und so. Da bin ich total anders.
Westermann: Und ich hätte nie damit gerechnet. Wenn ich mir das jetzt so überlege: Ich dachte, da kriege ich einen stillen Applaus von Edin. Das Gegenteil ist der Fall!
Hasanović (lacht): Ich kann nur hoffen, Christine, dass du daraus etwas gelernt hast und das nicht mehr so tun wirst.
Westermann: Ja, Papa! (beide lachen)
„72 ist eine Zahl, aber innendrin sind all die Jahre – da sind auch noch die jungen Jahre drin.“
Fragst Du Dich oft, ob manche Aussagen, die Edin während Eurer Gespräche getroffen hat, Du mit 28 auch genau so gesehen hättest, Christine?
Westermann: Ich habe mich eine große Spanne dieser Zeit wie 28 gefühlt. 72 ist eine Zahl, aber innendrin sind all die Jahre – da sind auch noch die jungen Jahre drin, die sind auch noch ganz nah. Wir haben ja eben über den moralischen Kompass gesprochen. Dass jemand, der jünger ist als ich, diesen Kompass hat. Das fand ich toll und das hat mich ein bisschen beschämt. Ich habe mir hinterher überlegt: Wo wäre ich eigentlich hingekommen, wenn ich Edins moralischen Kompass hätte? Und habe mich in den zwölf Folgen dann damit getröstet, dass der Kompass manchmal bei Edin auch nicht anschlägt beziehungsweise anschlagen sollte, obwohl er bei mir anschlägt.
Und andersherum, Edin? Denkst Du bei manchen Deiner Ansichten, dass sie sich später ändern könnten?
Hasanović: Ich habe gehofft, dass ich immer wieder etwas von Christine lernen kann. Und dachte, sie könnte mir erzählen und zeigen, wie man zur Ruhe kommt. Aber dem ist nicht so – was total toll war.
Wieso hattest Du diese Erwartung?
Hasanović: Aus meiner Generation heraus kann ich sagen, dass da schon eine gewisse Mauer zwischen unseren Generationen ist, dass man nicht so oft ins Gespräch kommt. Ich hätte auch niemals gedacht, dass sich so viele Themen, mit einem doch so viel älteren Menschen, überschneiden und wir wirklich so viel zu reden haben. Wir, in meiner Generation, denken wahrscheinlich: „Worüber kann man mit so einem…“
Westermann: Vorsicht! (lacht)
Hasanović (lacht): „… mit so einem jungen Menschen sprechen, wenn nicht über den Krieg, Schmerzen und körperliche Gebrechen“. Aber das ist nicht so. Wenn ich mit einer 72-jährigen Frau über Zweifel, Mut, Schönheit, Träume und so weiter reden kann, dann ist es das Beste, was ich aus dem ganzen Abenteuer für mich rausziehen konnte.
„Was es verändert hat, ist eben der Blick auf diese andere Generation.“
Wäre es anders verlaufen, wenn Ihr im gleichen Alter sein würdet?
Hasanović: Dadurch, dass ich der Jüngere bin und Christine jung, bin ich auch manchmal ziemlich frech. Ich glaube, das ist die Rolle, die ich da einnehme. Ich muss der sein, der vielleicht auch über die Stränge schlagen darf. Es kann gut sein, dass es, wenn wir gleich alt wären, nicht so wäre.
Westermann: Ich musste gerade daran denken, weil Du gesagt hast, Du hättest mit einer 72-Jährigen niemals über sowas gesprochen. Es gab eine Stelle, wo Du das wunderbar formuliert hast: „Im normalen Leben hätten wir uns höchsten kennengelernt, wenn Christine meine Oma gewesen wäre oder ich ihr Pfleger im Altenheim.“
Was hat diese Aussage mit Dir gemacht?
Westermann: Da zuckte ich kurz zusammen. Natürlich sehe ich mich noch nicht im Altenheim. Dass Du das aber damit assoziierst, hat mich auf der einen Seite ein bisschen erschreckt und auf der anderen Seite hat es mir auch eine ganz gute Klarheit gegeben. Also wie wichtig es ist, dass man diese Distanz überbrückt. Wir sind eben gar nicht so weit voneinander entfernt – im Herzen, im Kopf und in den Jahren natürlich.
Haben diese vielen intensiven Gespräche Eure Kommunikationsweise verändert?
Hasanović: Was es verändert hat, ist eben der Blick auf diese andere Generation. Dass sie gar nicht so weit weg ist und es doch gemeinsame Themen gibt. Dass diese Menschen auch mal jung waren (Christine lacht) und sie auch ihre Zweifel und Ängste haben. Wann käme ich denn sonst mit einer 44 Jahre älteren Frau so tief über solche Themen ins Gespräch, wenn nicht in diesem Rahmen?
Westermann: Aber soll ich Dir mal sagen, wenn wir uns in einer Kneipe kennengelernt hätten…
Hasanović: Das ist es ja, wir würden uns nicht kennenlernen in einer Kneipe.
Westermann: Ach komm. Wenn ich ganz nett aussehen würde. Ich könnte mit Dir flirten und vielleicht würde es funktionieren.
Hasanović: Mich flirtet da gerade eine 72-jährige Frau an, was denkst Du denn, was ich als 28-jähriger denke? „Ja sofort – Jackpot – kralle ich mir“?
Westermann: Nein, aber vielleicht würde ich wie 69 aussehen – vielleicht hätte ich da eine größere Chance! (beide lachen)
Würdet Ihr Euch auch außerhalb der Podcast-Aufnahmen treffen wollen?
Westermann: Wir haben uns versprochen, dass wir uns bestimmte Sachen auch bei einem Bier erzählen.
Hasanović: Ja, es gab ein paar Dinge, da war uns klar, da hört uns die Öffentlichkeit zu, das würden wir gerne unter vier Augen bei einem Bier besprechen. Das steht auf jeden Fall aus, sobald Corona vorbei ist. Dann treffen wir uns an irgendeiner Raststätte zwischen Berlin und Köln.
„JUNG UND JÜNGER“ mit Christine Westermann und Edin Hasanović ist seit dem 25. Februar 2021 auf der Podcast- und Hörbuch-Plattform Audible im Stream verfügbar.