Das letzte Jahr lief nicht gerade gut für Puff Daddy. Jetzt startet Sean Combs wieder durch. Mit neuer Kraft, neuem Album und sogar mit neuem Namen.


Dein 99er-Album „Forever lag wie Blei in den Regalen. Hast du eine Erklärung dafür?

Nein, aber ich habe nie irgendwelche Erwartungen, was die Verkäufe meiner Platten angeht. Die Leute tun immer so, als hätte es gerade mal für Gold gereicht, dabei hat sich das Teil mehr als vier Millionen Mal verkauft. Natürlich wären mir zehn Millionen lieber gewesen. Aber das Album lag damals einfach nicht im Trend. Es ging ein wenig am Zeitgeist vorbei. Das erste schlug ein wie eine Bombe, und alle liebten es. Dagegen hat „Forever“ den Leuten halt nicht so gefallen. Aber davon geht die Welt nicht unter.

Das klingt sehr selbstbewusst. Wie schaffst du es, einfach immer weiterzumachen?

Ich bin eben so, ich bin der Muhammad Ali des HipHop. Ich weiß, was ich kann, und habe auch kein Problem damit, es allen zu zeigen. Andererseits bin ich nicht größenwahnsinnig. Ich weiß.ob ein Album gut ist oder nicht, und wenn es schlecht ist, wird es halt nicht veröffentlicht. So einfach ist das.

Musikalisch gesehen ist dein neues Werk, „The Saga Continues…“, von klassischem Rhythm’n’Blues und Funk beeinflusst. Wie kommt’s?

Gerade als Entertainer musst du das tun, was du fühlst, sonst kommt es nicht ehrlich rüber. Das ist genau wie bei guten Schauspielern vom Schlage eines Robert de Niro. Die spielen eine Rolle nicht, sie leben sie.Genauso habe ich’s beim neuen Album gemacht. Funk und R’n’B sind genau das Richtige, wenn du die ganze Nacht durchtanzen möchtest. Wenn du in einen Club gehst, willst du schließlich auch kein depressives Zeug hören, sondern Marvin Gaye oder George Clinton, groovige Songs, die die Stimmung anheizen

Demnach ist das neue Album eher ein Schritt zurück?

(lacht) Manchmal muss man halt einen Schritt zurück machen, um vorwärts zu kommen. Du schaust dir deine alten Sachen an und fragst dich, was gut und was nicht so gut gelaufen ist, und dann orientierst du dich am Positiven. Wenn dein Zeug beim Publikum nicht angekommen ist, hältst du dich in Zukunft eben davon fern.

Und was erwarten die Leute von dir?

Sie wollen eine gute Zeit mit mir verbringen, schließlich bin ich der Party-Man, der Typ von nebenan,zu dem man seine Kinder schicken kann. Der wütende Puffy, der manchmal zum Vorschein kommt, ist dagegen weniger beliebt. Deshalb ist mir diese Schießerei in dem New Yorker Nightclub auch so peinlich. Ich habe mich und meine Fans enttäuscht. Wer würde seine Kinder schon einem Typen anvertrauen, der rumläuft und Leute verprügelt… Nein, meine aggressive Seite kommt bei den Fans nicht so gut an, das sieht man auch an den Verkaufszahlen von „Forever“, wo ich mal richtig die Sau rausgelassen habe. Ich habe dort meinen ganz privaten Frust abgelassen, und das ist Gift für das Geschäft. Da bei predige ich jedem Künstler, dass private Probleme nach meiner Meinung nichts auf einem Album zu suchen haben. Da hätte ich wohl besser auf mich selbst hören sollen.

2001 ist nicht gerade das beste Jahr deiner Karriere.

Das kommt drauf an. Ich habe eine neue Platte am Start, wurde für den CFDA-Award (Council Of Fashion Designers Of America-, Anm. der Red.) nominiert, meine Modefirma ist die am schnellsten wachsende in Amerika, ich werde Platten von Dream und 112 veröffentlichen und bin ein freier Mann. Was will ich mehr? Also wenn du mich fragst, ist dieses Jahr weitaus besser für mich gelaufen als das letzte.

Ist der Song „I Need A Girl“ deine persönliche Abrechnung mit deiner ehemaligen Freundin Jennifer Lopez?

Nein, der Song ist ihr zwar gewidmet, hat mit unserer Beziehung aber eigentlich nichts zu tun. Ich hoffe, dass nicht allzu viel in den Text hineininterpretiert wird. Einige Sachen sind zwar tatsächlich so passiert, aber das Meiste habe ich erfunden. Es geht im Prinzip nur darum, was ein Mann von einer Beziehung erwartet. Der Typ in dem Song baut Scheiße, sieht seine Fehler ein, und das war’s. Ende der Geschichte.

Der Hauptprotagonist des Songs wünscht sich, dass seine Frau im Gerichtsaal um ihn weint. Das klingt sehr autobiografisch.

Na und? Das ist doch eine Sache, mit der sich jeder Mann identifizieren kann. Jeder möchte ein Mädchen haben, das weint, wenn sein Geliebter in den Knast muss. Sicherlich ist das autobiografisch, aber auch für alle verständlich. Wenn dich eine Frau liebt, muss sie immer an deiner Seite sein und die tiefsten Tiefen mit dir durchstehen. Es ist keine direkte Erfahrung, die ich gemacht hätte, sondern einfach nur eine Beschreibung, was ich von einem Mädchen erwarte, das sein Leben mit mir verbringen will.

Wenn ein Mädchen wissen will, wie du bist und was du von ihm erwartest, sollte es also deine Songs hören?

Oder in der Presse die Geschichte von mir und meiner Ex-Freundin nachlesen und sich hinter die Ohren schreiben, dass dieser ewige Streit bestimmt nicht das ist, was ich erwarte. Ich bin ein Romantiker, und in erster Linie möchte ich meine Frau verwöhnen. Ich brauche Harmonie. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das in meinen Songs auch rüberkommt.

Du hast gesagt, dass du gerne der nette Nachbar wärest. Inwiefern haben sich bestimmte Schlagzeilen negativ auf dein Image ausgewirkt?

Um eins klarzustellen: Ich habe nicht vor, mit irgendwelchen Kindern von irgendwelchen Leuten in meinem Garten zu spielen. Okay? Das war nur ein Vergleich. Was ich meinte war, dass ich eigentlich in Ordnung bin, ein good guy, den die Leute mögen. Aber alles hat seine Kehrseite, und deshalb kann auch ich manchmal extrem wütend werden. Bei mir gibt es keinen Durchschnitt, ich bin immer extrem, meistens extrem freundlich, aber gelegentlich leider auch extrem aggressiv. Es tut mir Leid, dass die Öffentlichkeit diese Seite an mir kennen gelernt hat. aber so bin ich nun mal.

Eine Zeit lang haben die Medien ein sehr einseitiges Bild von dir gezeichnet.

Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, werden nur selten als Menschen wahrgenommen und müssen viele unschöne Dinge von Seiten der Medien über sich ergehen lassen. So ist das nun mal, und das werde auch ich nicht ändern können. Verglichen mit der Scheiße.durch die sich andere Menschen jeden Tag quälen müssen, ist mein Alltag aber ein Kinderspiel. Ich meine, ich führe ein Leben, von dem andere nur träumen. Also sollte ich mich nicht über unfaire Berichterstattung beschweren. Es gibt wirklich Schlimmeres. Außerdem musst du lernen, mit den Schlägen fertig zu werden. Was willst du tun? Bist du ein echter Mann und kannst einstecken, teilst aber auch ordentlich aus, oder bist du ein kleines Mädchen und verziehst dich heulend in die Ecke? Als Star bist du automatisch Zielscheibe für den Frust und Neid deiner Mitmenschen, du musst nur damit umzugehen wissen.

In deinem neuen Video treten viele Prominente auf. Eine Art Dankeschön für die Unterstützung, die sie dir zukommen ließen?

Als ich diesen Mist erlebte (im Zuge der Schießerei in New York; Anm. der Red.), haben so viele Leute zu mir gehalten – es war einfach unglaublich. Snoop und Ice Cube haben mir ständig geschrieben, Mike Tyson hat mich besucht und sagte. – „Weißt du was? Ich bin verdammt sauer auf dich. Hast du denn nichts aus dem Scheiß gelernt, durch den ich musste?“ Shaq und Ben Stiller waren sofort bereit, in meinem Video mitzuspielen. Selbst Blink 182 oder Dave Navarro, die nie in einem HipHop-Video zu sehen waren, machten mit. Das ist die große Stärke von P. Diddy & The Bad Boy Family: Wir bringen Kulturen zusammen und reißen Schranken ein. HipHop hat die Kraft, alle Leute zu vereinen, und das wollte ich mit diesem Video zeigen.

Und welches Ziel verfolgst du mit der Namensänderung von Puff Daddy in P. Diddy?

Ich möchte mit der Vergangenheit brechen. Ich bin jetzt ein anderer Mensch, und durch den Namenswechsel wird es den Leuten am ehesten bewusst. Natürlich ist das kein radikaler Bruch, schließlich bin ich tief in mir noch immer derselbe. Außerdem hat es praktische Gründe. Es hat mich tierisch genervt, wenn mich die Leute Puffy nannten, also die Namen Sean oder Mr. Combs gefallen mir da wesentlich besser. Und nach der Änderung wird mich ja wohl kaum jemand mit P. anreden, sondern mit meinem richtigen Vornamen.

Was ist bei der großen HipHop-Konferenz rausgekommen, die Def Jam-Boss Russel Simmons unlängst in New York abhielt? Warst du daran beteiligt?

Das war ein überfälliger Erfahrungsaustausch unter den Größen dieses Genres. Die HipHop-Community ist eine sehr große Familie, und in einer Familie hilft man sich gegenseitig. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sehr sich die Strukturen geändert haben. Als ich anfing, hattest du nicht mal die Möglichkeit, so etwas wie ein Praktikum zu machen, um dich mit den Studiotechniken anzufreunden. Bei den Bürohengsten ging das vielleicht, aber was die Musik angeht, war da niemand, der dir zeigen konnte, wie eine Produktion abläuft. Ich war diesbezüglich der Erste, und darauf bin ich stolz. Obwohl ich damals sehr naiv an die ganze Sache herangegangen bin. Als ich mit dem College fertig war.erzählten mir meine Kumpels.dass sie sich einen Praktikumsplatz in einem Krankenhaus oder so besorgen wollten. Und ich dachte mir: „Gute Idee. Du willst Produzent werden.alsofragdoch mal bei einer Plattenfirma.“ Aber die Labelbosse wussten gar nicht, wovon ich redete, die dachten bloß: „Was will der denn? Mittlerweile ist das ganz normal, und ich habe einen großen Teil dazu beigetragen.

Von den Verkaufszahlen her hat HipHop in Amerika den Rock’n’Roll längst überholt. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Zum einen liegt es am Publikum, das ich für absolut loyal halte. Zum anderen ist HipHop weit mehr als eine Musikrichtung. Es ist ein Lifestyle, eine eigenständige Kultur. Die Fans sehen uns nicht nur als Künstler, sie kennen uns persönlich und verehren uns wie Propheten. HipHop ist die Stimme Amerikas, und er ist auf vielen Ebenen unserer Kultur einfach sehr wichtig geworden. Rock’n’Roll war der erste gesellschaftlich relevante Musikstil, weil er die Leute durch seine Radikalität angezogen hat. Nun ist es halt HipHop, der das Bild dieser Gesellschaft wiedergibt. Und damit können sich viele identifizieren. Außerdem besitzt HipHop die Kraft, alle Volksgruppen zu einen. Jay Z, Eminem oder Dr Dre ziehen gleichermaßen Weiße, Schwarze wie Asiaten an.

Gerüchten zufolge willst du deine Plattenfirma Bad Boy verkaufen. Stimmt das?

Das sind keine Gerüchte. Ich denke einfach, dass es Zeit für etwas Neues ist. Das letzte Jahr lief wie gesagt nicht gerade gut für mich, und ich habe so einiges einsehen müssen. Das ganze Ding mit der Plattenfirma ödet mich mittlerweile an. Weißt du, ich habe alles gesehen und erlebt-die ganze Palette. Das bringt mir nichts mehr. Außerdem machen mich diese ganzen Speichellecker und Ja-Sagereinfach krank. Diese Leute geben sich als meine Freunde aus, aber im Endeffekt wollen sie sich dann doch nur in meinem Ruhm sonnen. Außerdem musst du als Chef überall dabei sein, und damit meine ich nicht die Interna, sondern das ganze Drumherum: Ausgehen, Leuten in den Arsch kriechen und für irgendwelche beschissenen Fotos posieren. Nein danke, das brauche ich wirklich nicht. Ich bin Künstler und möchte auch als solcher wahrgenommen werden. Deshalb suche ich nach einem geeigneten Käufer, aber bis jetzt hat sich noch keiner gefunden. Aber das belastet mich nicht, ich habe da keinen Druck. Ich weiß, was mein Baby wert ist, und wenn keiner bereit ist, einen angemessenen Preis zu zahlen, behalte ich es eben.

Du machst in Gastronomie, Mode und Musik. Ist Letztere nur ein Geschäftsbereich unter vielen? Wo liegt die Priorität?

Absolute Priorität hat meine Familie, das war schon immer so, und daran wird sich auch nichts ändern. Aber rein geschäftlich gesehen muss ich sagen.dass mirdie Musikden größten Spaß macht. Natürlich habe ich auch Interesse an Mode und all den anderen Dingen, aber in erster Linie sehe ich mich als Musiker.

Und wie bekommst du so viele Rollen unter einen Hut?

Es ist ein verdammt harter Job, das kann ich dir sagen, sehr nervenaufreibend. Außerdem braucht man die richtigen Leute, an die man Aufgaben delegieren kann. Ich erzähle ihnen, wie ich den Laden führe, und überlasse ihnen nach und nach das Geschäft. Sie arbeiten dann selbstständig, denn wenn ich ihnen den ganzen Tag hinterhertelefonieren müsste, würde ich ja paranoid. Es wirkt sich auch gut auf die Atmosphäre aus, wenn sich deine Angestellten nicht als bloße Handlanger fühlen, die ständig überwacht werden.

Wie steht es um deine Ambitionen als Schauspieler?

Ich denke, ich mache Fortschritte. Zwar stehe ich erst am Anfang, aber wer weiß, was noch kommt. Meine Lehrerin ist wirklich hervorragend, sehr praktisch orientiert. Sie lässt mich keine Theorie lernen oder Bücher pauken, sondern bringt mich dazu, Menschen zu beobachten und mich in sie hineinzuversetzen. Dadurch wirkt alles viel natürlicher,denn ich denke, es gibt nichts Schlimmeres, als einem Schauspieler anzumerken, dass er seinen Text abliest.

Momentan bist du in der Gaunerkomödie „Made (bislang steht noch kein Starttermin für Deutschland fest; Anm. d. Red.) zu sehen. Wie geht es weiter?

(lacht) Nun, ich habe fest vor, irgendwann den Oscar zu gewinnen. Obwohl: Jetzt,da ich das gesagt habe, werden sie mir bestimmt keinen mehr geben, weil sie denken, dass ich ein Großmaul bin.

Was hältst du von US-Präsident George W. Bush?

Der Typ hat einen Knall und sollte sich mal Gedanken machen, was wirklich wichtig ist. Selbst die Weißen fangen schon an, ihn zu hassen, also wird er über kurz oder lang umdenken müssen. Ich verstehe die Leute, die sich Clinton zurückwünschen, schließlich war er so etwas wie der Party-Präsident. Okay, er hat sich einen blasen lassen, aber immerhin hat er dafür gesorgt, dass es mit Amerika weiter bergauf gegangen ist. Und außerdem – wer würde schon zu einem Blowjob nein sagen? Glaub‘ mir, selbst eine Präsidentin würde ihre Macht ausnutzen, wenn sie einen knackigen Praktikanten ins Bett kriegen könnte. Aber Bush hat überhaupt kein Interesse an der Jugend, er will sie noch nicht mal ins Bett zerren. Als Präsident musst du die Weichen für die Zukunft stellen. Der Typ braucht unbedingt einen besseren Berater. Ich könnte ihm zeigen, wie man wieder ein bisschen Spaß in diese Welt bringt.

www.p-diddy.com