Das Tier in mir!


Das Monster und die Mutti. Als sich Ozzy und Dr. Ruth zufällig in einem New Yorker Fernsehstudio trafen, waren sie sofort ein Herz und eine Seele. "Eine faszinierende Persönlichkeit", schwärmte Ozzy. "Ich liebe diesen Mann", gab Frau Doktor das Kompliment zurück. Bei soviel gegenseitiger Verehrung war es nur natürlich, daß sich aus einem beiläufigen Plausch gleich eine psychotherapeutische Seance entwickelte.

0zzy, soviel ich weiß, hat dein Leben eine radikale Wandlung erfuhren, früher warst du reichlich ausgeflippt; Drogen- und Alkohol-Exzesse standen auf der Tagesordnung. Laß uns ein bißchen darüber reden.

„Ausgeflippt war ich schon immer. Aber nachdem ich meine frühere Band Black Sabbath verlassen hatte, ging’s mit mir rapide den Bach runter. Ich habe gesoffen wie ein Loch und war drauf und dran, mich vorzeitig ins Grab zu bringen. Ich war kein Mensch mehr.“

War dir das zu dem Zeitpunkt bewußt?

„Nein, wenn man sowas durchmacht, bleibt kein Bewußtsein mehr übrig. Ich wurde in dem Glauben erzogen, daß man geboren wird, erwachsen wird, heiratet und schwupp —- sind alle Probleme gelöst! Aber bei mir hat dieses Rezept nicht funktioniert! Ich war verheiratet, hatte drei Kinder und konnte absolut nicht verstehen, warum es bei mir nicht klappen wollte.

Ich blickte überhaupt nicht mehr durch, ich fühlte mich wie eine wandelnde Müllhalde. Ich mußte mitten in der Nacht aufstehen, um zu saufen; vier, fünf Flaschen waren mein durchschnittliches Tagesquantum. Irgendwie hatte ich mich schon damit abgefunden, am Alkohol zu krepieren. Und dazu kamen noch die Drogen!

Warum ist dieser exzessive Drogengebrauch eigentlich gang und gäbe bei so vielen Stars?

„Weil Drogen im Showgeschäft das tägliche Brot sind. Dealer umschwärmen einen Rockstar wie die Motten das Licht. Das ganze ist eine gigantische Phantasiewelt, in der Drogen ein unvermeidlicher Bestandteil sind — also ordnest du einen Teil deines Lebens dieser Phantasie unter.“

Welche Drogen hast du genommen?

„Kokain in Unmengen.“

Und was ist mit dem anderen Zeug, Heroin?

„Hab“ ich nie angerührt. Ich hab‘ eine Heidenangst vor der Nadel. Aber ich hatte mich auch so seelisch vollkommen ruiniert. Ich wußte nicht mehr, in welche Richtung ich steuerte, warum ich all das tat. Ich war drauf und dran, die Welt zu hassen — und mich selbst.“

Was hat dich schließlich verändert?

„Zwei Dinge. Glücklicherweise dämmerte mir irgendwann, daß ich ein gewaltiges Problem hatte, gegen das ich schleunigst was tun mußte. Aber den Ausschlag gab die Begegnung mit Sharon, meiner Frau. Ich verliebte mich mit Haut und Haar in sie. Ich hatte sowas nie für möglich gehalten — es war wie im Märchen.

Sie ist meine Managerin, sie arbeitet mit mir, sie ist meine Frau — und

Habt ihr euch während deiner Krise kennengelernt?

„Ja.“

Aha! Also hat sie sich wirklich in dich verliebt — und nicht in den großen Rockstar Ozzy Osbourne.

„Sie unterstützte mich nicht nur in meiner Karriere, sie half mir auch weiter mit meiner Persönlichkeit, beriet mich in puncto Garderobe, Stil, einfach in jeder Hinsicht. Sie gab mir gute Ratschläge — und sie schrie mich in Grund und Boden, wenn’s nötig war.“

Sie hat dich richtig angeschrien, wenn du Mist gebaut hast?

„Und wie! Ich wußte anfänglich gar nicht, wie mir geschah. Das war eine völlig neue Situation für mich: Ich hatte immer alle erdenklichen Freiheiten genossen, ich war der Boß und hatte nie jemandem erlaubt, in dieses Territorium einzudringen — und dann das! Sharon ist mit einem eisernen Willen gesegnet.“

Wer traf die Entscheidung, daß du zum Entzug in eine Klinik gehen solltest?

„Sharon. Sie kann Berge versetzen. Hinter Ozzy, dem Madman, steckt eine sehr positive Person.“

Also Ozzy, ich als erfahrene Therapeutin sitze dir jetzt geraume Zeit gegenüber und kann dir versichern, daß du mir alles andere als verrückt vorkommst!

„Sie erleben jetzt halt den Entertainer in mir. Ozzy ist der Mann hinter der Maske des Clowns — und diese Maske bemalt meine Frau; sie ist die treibende Kraft in meinem Leben. Ohne sie würde ich im Bett liegen und Popcorn in mich reinstopfen. Ich bin ein faules Schwein. Aber ein guter Koch und Vater für meine drei Kinder. Diese Seite an mir kennt die Öffentlichkeit nicht!“

Wechselst du deinen Kindern auch die Windeln ?

„Ja.“

Auch mitten in der Nacht?

„Ähhh … nein!“ {Gelächter) „Dr. Ruth, ich habe eine Frage an Sie. Ich habe Ihre Sendung oft gehört; glauben Sie eigentlich, daß all diese Anrufe ernstgemeint sind?“

Nein. Manche Leute rufen natürlich an, weil sie sich mal im Radio hören wollen. Aber ich finde auch in der ungewöhnlichste Frage irgendwo einen Aspekt, auf den ich eingehen kann.

„Bringen Sie die Fragen nicht manchmal in Verlegenheit?“

Nein. Ich bin sehr altmodisch und spießig — und die Leute stellen mir eigentlich auch nur normale Fragen über Beziehungen, sexuelle Abläufe usw. Es rufen Männer an, die keine Erektion bekommen -— und Frauen, die im Sex keine Erfüllung finden.

„Phantastisch!“

Ozzy, Rockstars wie du werden doch permanent von Frauen angemacht, die Berge versetzen, nur um mit dir ins Bett gehen zu können. Wie gehst du damit um?

„Ich werde jetzt vollkommen ehrlich sein. Ich habe natürlich Wünsche und Phantasien als Mann, das ist ganz natürlich.“

Absolut.

„Mir begegnet schon mal ein Mädchen auf der Straße, bei deren Anblick ich denke: Mit der könnte ich ’ne Menge Spaß haben! Wenn jemand behauptet, das würde ihm nie passieren, dann stimmt für meine Begriffe was nicht ganz mit ihm. Oder er lügt.“

Genau.

„Also — ja, ich habe sexuelle Phantasien. Aber ich habe einen Großteil davon auch schon gründlichst ausgelebt. Ich habe alles gemacht, was einem Rockstar so nachgesagt wird.“

Also Groupies vernascht?

„Ja, klar. Aber sie sind abgrundtief langweilig!“

Weil sie dich so anhimmeln ?

„Sie befriedigen mich einfach nicht. Sie kamen mir vor wie ein Stück Fleisch, das sich einem beiläufig anbietet. Seit ich mit Sharon zusammen bin … Mit ihr kann ich reden. Wir haben ein sehr lebhaftes Sexleben, was unschwer zu erkennen sein dürfte: Schließlich haben wir’s in drei Jahren zu drei Kindern gebracht!“

Aber wie hast du das vorher gehandhabt mit den Groupies?

„Man nimmt sie mit, weil sie da sind. Man fühlt sich zu Anfang wie ein Kind in einer Konditorei, in der’s alles umsonst gibt. Jeder Musiker, der behauptet, er habe noch nie ein Groupie abgeschleppt, ist ein verdammter Lügner. Natürlich war ich kein Kostverächter, im Gegenteil! Ich habe zehn Jahre lang kräftig zugelangt.

Aber dann fing ich an, mich wie ein Objekt ihrer Befriedigung zu fühlen. Es hat mir nichts mehr gebracht. Hier ein Quickie, da ’ne Nummer —- und schon war’s wieder vorbei. Ich wollte keine mehr sehen, mit keiner mehr reden —- ich wollte sie alle nur raus aus meinem Bett.“

Ist es dir mal passiert, daß du aufgewacht bis und den Namen des Mädchens nicht mehr wußtest?

„Einmal? Fast immer! Ich wußte oft nicht mal, wo ich sie aufgegabelt hatte!“

Ozzy, erzähl mir was über deine Kindheit.

„Sie war nicht übermäßig glücklich. Wir waren sechs Kinder, mein Vater arbeitete in der Fabrik — und wir hatten nie Geld. Ich habe mich oft geschämt, weil es uns so schlecht ging. Meine Mutter hat oft geweint, weil sie uns dieses oder jenes nicht kaufen konnte. Ich hatte auch manchmal Angst, daß sie plötzlich nicht mehr nach Hause kommen würde.“

Daß sie dich verlassen würde?

„Ja, wahrscheinlich. Ich bin heute noch sehr unsicher und schüchtern, ob man’s glaubt oder nicht.“

Ich glaube das schon. Waren deine Eltern dann später stolz auf dich ?

„Ja. aber da, wo ich herkomme, ist es so üblich, daß derjenige, der es irgendwie schafft, den Rest der Familie finanziell unterstützt. Und das habe ich nicht mitgemacht. Ich glaube, daß jeder dieselbe Chance hat, was aus sich zu machen. Natürlich kümmere ich mich um meine Mutter. Aber es wäre schön, wenn sie mal sagen würde ,Wie geht’s dir, Ozzy? Schön dich zu sehen. Siehst müde aus, Junge‘.

Aber wir scheinen uns auseinandergelebt zu haben. Ich kann mit dem größten Teil meiner Familie nichts mehr anfangen.“

Haben sie das Gefühl, du hättest sie überflügelt ?

„Ich glaube nicht, daß sie das so sehen, aber ich tu’s. Ist das so falsch?“

Nichts ist falsch. So fühlst du einfach — und es kann durchaus passieren, daß man über seine ursprüngliche Herkunft hinauswächst. Ozzy, was versprichst du dir von der Zukunft?

„Eins sicher nicht: noch ’nen Schwung Kinder. Ich habe mich operieren lassen.“

Du meinst, du hattest eine Vasektomie? Wessen Idee war das?

„Meine, denn ich bin jetzt 37 und glaube, drei Kinder sind genug.“

Bist du froh darüber, daß du dir jetzt beim Sex keine Gedanken mehr über die Verhütung machen mußt?

„Ja, denn Sharon und ich haben ’ne Menge Spaß, wir passen ideal zusammen. Sie hat zwar nicht gerade die Figur einer Miß Welt, aber das ist mir egal. Sie hat ein sehr schönes Gesicht und sie ist ein wunderbarer Mensch.“

Das ist es auch, was zählt — und nicht die Kurven einer Miß Welt! Ozzy, was sind das eigentlich für Tätowierungen ?

„Möchten Sie mal einen Blick drauf werfen?“ {Er fangt an, sein Hemd auszuziehen.) Um Gottes willen, nicht ganz ausziehen! Oh, sowas hob’ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen! Kriegen da deine Kinder nicht einen Heidenschreck ?

„Nein, nein!“

Und was sollen die Tätowierungen alle bedeuten ?

„Nichts besonderes. Das sind einfach ein paar Bildchen auf meiner Wampe.“

Und deine langen Haare! Ich finde, du siehst zauberhaft damit aus, aber gibt es einen bestimmten Grund dafür.

„Ich fühle mich wohl damit. Sie unterstreichen meine Individualität.“

Ozzy, du hast vor kurzem eine neue Platte rausgebracht. Wirst du auch Konzerte geben ?

Ja, im Frühling spiele ich im Madison Square Garden. Möchten Sie kommen?“

Mit dem größten Vergnügen!

„Aber vergessen Sie nicht. Ohrenschützer mitzubringen!“