David Byrne


Schon Rotkäppchen konnte ein Lied von den Gefahren des Waldes singen. In der New Yorker Town Hall wagte sich das tapfere Schneiderlein Byrne mit seinem jüngsten Werk THE FOREST und dem 42-köpfigen „Orchestra of St. Luke’s“ auf die Bühne, ließ dann aber die 1500 Zuschauer den Wald vor lauter Bäumen nur schwer erkennen.

Daß ihm das konzeptionelle Korsett der Talking Heads zu eng war, ließ Byrne bereits vor zehn Jahren durchblicken, als er mit Brian Eno MY LIFE IN THE BUSH OF GHOSTS einspielte. Selbst wenn das Album aus heutiger Sicht wie multikulturelle Holzhackerei wirkt: Byrne hatte Blut geleckt und wollte mehr als nur Popmusik machen. Während er selbst die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Meredith Monk, Robert Wilson oder dem Kronos Quartett mehr zu schätzen schien als die mit den Talking Heads, entstand die populäre Theorie, daß Byrnes früheres Schaffen, wie das von Woody Allen, besser war.

Auch das neue Album THE FOREST trägt nicht dazu bei, die Musikgeschichtsbücher neu zu schreiben. Das vom Gilgamesch-Epos inspirierte konzertante Werk entstand in Zusammenarbeit mit Theaterregisseur Robert Wilson. Die knapp zweistündige Version erlebte 1988 in der Berliner Volksbühne ihre Premiere, während Byrne in der Town Hall die auf 62 Minuten gekürzte LP-Version präsentierte.

THE FOREST hat keine erkennbare Handlung, auch wenn die zehn Stücke mit

Titeln wie „Ur“, „Kish“, „Tula“, „Nineveh“ oder „Machu Picchu“ den großen Zusammenhang suggerieren. Es beginnt mit einem schlichten Trompetenruf in „Ur“, gefolgt von Flöten und Oboen. Byrne, der mit dem achtköpfigen Chor im Bühnenhintergrund steht, fällt ein mit klagendem Geheul, das zum leitmotivischen Fixpunkt wird. Die folgenden Stücke führen den Zuhörer durch eine Phantasiewelt, in der die interessanteren Passagen von perkussiver Rhythmik geprägt sind. Byrne taut merklich auf, wenn — etwa beim von Paukenschlägen angefüllten „Nineveh“ — die Schlaginstrumente den Ton angeben. All das hat ansprechende Momente, etwas das von der Zither getragene „Samara“ oder das energiegeladene Geigensolo von Eriko Sato in „Tula“. Gleichzeitig gibt es unfreiwillig komische Momente, wenn die Orchestermitglieder während des Gesanges zu „Asuka“, dem letzten Stück des Abends, ein ernstes Gesicht zu behalten versuchen.

Der Gesamteindruck ist der eines stilisierten Zirkus mit einem Häppchen Jazz, einigen Comic-Book-Märschen sowie Anklängen an Filmmusik von Hollywood-Schinken. War Byrnes erneuter Solotrip nun Kunst? Oder doch nur artsy fansy, wie der Ami so etwas nennt, hingefurzte Kunst?