Der Country-König leidet an einer schweren Krankheit. Trotzdem ist Johnny Cash ungebrochen. Und unter jungen Leuten populärer als je zuvor.


Johnny Cash (68) ist eine amerikanische Ikone. Als einer der einflussreichsten Musiker der Neuzeit war er nicht nur an der Erfindung des Rock’n’Roll beteiligter prägte auch über vier Jahrzehnte hinweg den Country-Sound. 1959 erschien mit „Greatest!“ seine erste Best-Of-Sammlung. Bis heute folgten ungezählte weitere Veröffentlichungen. Wurde Cash bisweilen auch zum Spielball der ihm zugewiesenen Produzenten, so entwickelte und bewahrte er doch stets seinen eigenen, authentischen Stil. Von Drogen und Alkohol hat der legendäre Musiker sich befreit. Den schwersten Kampf seines wechselvollen Lebens hat Cash jedoch erst jetzt zu bestehen: Seit einiger Zeit leidet er unter einer schweren Störung des Nervensystems. Trotzdem beginnt Cash in diesen Wochen mit den Aufnahmen zu seinem vierten Album unter der Regie von Star-Produzent Rick Rubin.

Mister Cash, wie geht es Ihnen?

Es geht mir gut. Ich bin auf Jamaika, und es ist wunderschön hier. Tut mir leid, dass ich das Interview mit Ihnen gestern absagen musste. Ich war in Montego Bay, als ein Unwetter aufgezogen ist und die Straßen in einen reißenden Fluss verwandelt hat. Ich saß anderthalb Stunden fest. Deshalb kam ich zu spät zu unserem Gesprächstermin.

Ihr letztes Album „Solitary Man“ wurde auf der ganzen Welt und quer durch alle Generationen mit großem Beifall aufgenommen. 45 Jahre nach dem Beginn Ihrer Karriere erreichen Sie noch immer die Herzen der Menschen.

Wissen Sie (hustet), das hat verschiedene Gründe. Gott hat mir seinen Segen gegeben, so dass ich mit 68 Jahren noch immer die Kraft habe, Musik zu machen. Außerdem hat er mir Leute wie Rick Rubin und das Team von American Recordings gesandt. Es ist wirklich ein unglaublich gutes Gefühl, dass ich nun – nach 45 Jahren – einen Plattenvertrag auf Lebenszeit habe. Ich habe weder ein bestimmtes Budget zu beachten noch ist mir ein zeitliches Limit gesetzt. Ich mache alles in meinem eigenen Tempo.

Sind Sie ein Perfektionist?

Ich lasse mir mit allen Details Zeit, ich bin schon ein bisschen eitel. Und ich bin froh, dass ich mir diesen Luxus gönnen kann, nachdem ich viele Jahre bei CBS und Mercury Polygram so eingeschränkt war. Für mein nächstes Album, mit dem wir schon angefangen haben, nehmen wir uns die Zeit, sehr intensiv an der Songauswahl und der Aufnahmetechnik zu arbeiten.

Sie sprechen schon von Ihrem nächsten Album. Ein Zeichen von momentan besonders ausgeprägter Kreativität?

Nun, wissen Sie, ich bin ziemlich gesund. Ich stehe um fünf Uhr morgens auf und gehe nicht vor neun oder zehn ins Bett. Morgens lese und schreibe ich oder ich höre mir Musik an. Manchmal schau ich auch Satelliten-Fernsehen, aber gewöhnlich lese und schreibe ich nur in diesen ruhigen Stunden. Und wenn mir die Welt klar vor Augen steht, dann denke ich auch nach und plane und organisiere.

Menschen, die sich berufen fühlen, Ihre Texte zu interpretieren, machen sich Sorgen. Auf „Solitary Man“ singen Sie viel über den Tod. Spiegeln diese Songs wirklich die Themen wider, die Sie privat bewegen?

Nein, nicht notwendigerweise. Ich habe früh gelernt.einen Künstler nicht zu fragen, was seine Texte bedeuten. In den 60er Jahren, als Bob Dylan und ich viel Zeit zusammen verbracht haben, da wollte ich etwas zu einem seiner Songs wissen.’Was bedeutet der Text?‘, fragte ich. Und er hat gelächelt und gesagt: ‚Er bedeutet genau das, was du dir wünschst.‘ So soll es sein.

Werden Sie oft genötigt, sich zu erklären?

Das passiert ständig. Ich bin wirklich von „Folsom Prison Blues“ beeindruckt. Damals sind plötzlich Leute zu mir gekommen und haben gesagt:’Mann, ich wusste gar nicht, dass du eingesessen hast. Wie lange warst du in Folsom?‘ Und ich sagte dann immer: ‚Ich war nicht in Folsom.‘ Das sagt viel über die Glaubwürdigkeit des Textes aus. Weil ich den Song aus der Perspektive eines inhaftierten Kriminellen geschrieben habe, haben das viele auch für wahr gehalten. Und das ist okay.

Viele Menschen, die Ihr aktuelles Album „Solitary Man hören, befürchten, dass Sie sich auf den Tod vorbereiten.

Nein, nein, nein. Es gibt eine ganze Menge Tod und Sterben auf all meinen Platten. Ich bereite mich überhaupt nicht auf den Tod vor. Ich danke Gott jeden Morgen für das Leben. Und dann gehe ich meinen täglichen Geschäften nach. In letzter Zeit mit besonderer Begeisterung, weil ich seit einem Monat wieder auf Jamaika bin. Ich fühle mich großartig.

Als Sie vor drei Jahren Ihre Autobiographie „Cash“ vervollständigt haben, war es für Sie noch schwer vorstellbar, nicht mehr live auftreten zu können. Sie befürchteten damals, dass Sie dann lediglich vor dem Fernseher sitzen würden, um auf den Tod zu warten.

Wissen Sie, ich bereue jetzt, dass ich das vor drei Jahren gesagt habe. Wirklich. Weil es nicht wahr ist. Ich sitze nicht vor dem Fernseher und werde fett und warte auf das Sterben. Ich habe in den letzten zwei Monaten 20 Pfund verloren, und ich fühle mich fantastisch. Ich bin gut auf den Beinen. Ich esse auch sehr wenig – ich habe gelernt, mit genau der Menge Essen auszukommen, die ich brauche, um auszukommen und mich dabei wohl zu fühlen. Ich nutze meine Energien für die kreative Arbeit – zum Beispiel für das Komponieren und die Arbeit im Studio.

Ihr Leben kam mit dem Beginn der Zusammenarbeit mit Rick Rubin 1993 nochmals an einen Wendepunkt. Viele Menschen würden gerne mehr über Ihre Zusammenarbeit mit dem Star-Produzenten erfahren.

Ich habe ein paar Songs aufgenommen, bevor ich hier rüber (nach Jamaika, Anm. d. Red.) gekommen bin. Keine Vocals,aber ich habe versucht, ein paar Tracks fertig zu machen. Ich habe Rick alles geschickt und er hat mir zu jedem einzelnen eine Kritik gegeben. Ein paar fand er nicht so toll. Also hab ich sie fallen gelassen. So funktioniert unsere Zusammenarbeit, wissen Sie? Wenn ich sage: ‚Rick, ich mag den Song nicht, den du mir vorgeschlagen hast‘, dann sagt er: ‚Dann nimm ihn nicht auf. Vergiss ihn.‘ Und umgekehrt. Wenn Rick meint, dass ein Song nichts für mich ist, dann bohr‘ ich da nicht lange rum. Außer es ist etwas, von dem ich mit ganzem Herzen überzeugt bin. Über das ich nachgedacht habe, das ich studiert habe. Dann sage ich ihm: ‚Lass mich das versuchen, vielleicht gefällt es dir dann besser.‘ So werden wir immer zusammen funktionieren.

Im Laufe Ihrer langen Karriere hatten Sie viel Pech mit Produzenten, die behauptet haben, genau zu wissen, was für Sie das Richtige ist. Es war also möglicherweise nicht ganz einfach, dennoch Vertrauen in den bärtigen Gentleman namens Rick Rubin zu fassen.

Doch, ich habe dem bärtigen Gentleman von dem Tag an vertraut, als ich ihn das erste Mal traf. Ich hab ihn sofort gemocht. Wir haben die gleiche Sprache gesprochen. Er hat Sachen gesagt, die ich seit Jahren hören wollte. Zum Beispiel: ‚Da draußen gibt es – neben deinen Gleichaltrigen – noch ein anderes Publikum, das über Jahre deine Platten gekauft hat. Es gibt Anzeichen, dass dieses Publikum mehr von dir hören will.’Als Beispiel nannte er den Song „The Wanderer“ auf der U2-LP „Zooropa“. Und ich habe gesagt:’Ich war schon stolz, dass Bonoden Song für mich geschrieben hat, und er hat gute Kritiken bekommen.‘ Das habe ich gebraucht, um meiner Kreativität wieder einen neuen Anstoß zu geben.

Waren Sie nach den künstlerisch unbefriedigenden, überproduzierten Alben der 80er Jahre froh, dass nur Ihre Stimme und Ihre Gitarre aufgenommen wurde?

Das erste Treffen mit Rick Rubin fand in den Büros seiner Firma statt. Ich hatte meine Gitarre aus dem Koffer genommen. Dann habe ich mich vor die Angestellten hingesetzt und einen Song gespielt, den ich gerne aufnehmen wollte. Mir war das damals noch nicht klar, aber Rick wollte die Lieder später genau so aufnehmen, wie er sie an diesem Tag gehört hatte. Und so ist meine erste LP für die Firma American entstanden.

In den ersten Gesprächen mit Rick Rubin haben Sie klar Stellung bezogen. Sie hatten keine Lust, „zu so einer Art Rock-Act umgeformt“ zu werden und „Platten (…) mit einem Haufen Rock’n’Roll-Musikern aufzunehmen, nur um so zu tun, als würde Ich dazugehören“, wie in Ihrer Autobiographie nachzulesen ist. Dennoch spielten Sie 1996 auf „Unchained“, dem zweiten Album für American Recordings, Songs von Beck und Soundgarden. Bei einem Titel begleitet Sie sogar Flea von den Red Hot Chili Peppers am Bass.

Ich habe Rick schon am Anfang gesagt, dass ich nicht junge Rockstars auf meine Platten nehmen will, damit die Leute denken: ‚Wow, er ist einer von uns.‘ Ich brauche das nicht und will das nicht. Eigentlich habe ich schon Sachen für die erste LP mit den Red Hot Chili Peppers aufgenommen. Aber das hat nicht funktioniert. Wir haben die Aufnahmen nicht benutzt.

Sind Sie trotzdem mit „Unchained“ zufrieden?

Ja. Ich habe mit American Recordings viel Aufmerksamkeit erregt. Und so haben sich einige der Künstler.die ich kennen gelernt habe, plötzlich für mich interessiert. So wie ich mich plötzlich auch für sie interessiert habe. Ich hab eine Menge Talent gesehen, das ich vorher nicht bemerkt hatte. Und somit war das bei „Unchained“ eine natürliche Entwicklung. Nur als mir Rick den Soundgarden-Song vorgespielt hat, hatte ich zunächst sofort abgelehnt.’Ich kann das auf keinen Fall aufnehmen. Das ist nichts für mich‘, hab ich gesagt. Und das ist wieder ein Beispiel, wie wir zusammenarbeiten: Rick bat mich, dem Song eine Chance zu geben. Er wollte eine einzelne Gitarrenspur aufnehmen, zu der ich singen sollte. Er sagte: ‚Vergiss den Lärm und die wilden Gitarren.‘ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so arbeiten kann. Aber wir haben dann gebastelt, bis das Ergebnis unseren Vorstellungen entsprochen hat. Und ich war dann auch zufrieden damit. Ich freue mich über alle Beiträge zu der LP.

Auch an den Aufnahmen zu „Solitary Man“ waren Gäste beteiligt.

Wenn es funktioniert, dann ist es schön – wie das Duett mit Will Oldham. Als er hörte, dass ich seinen Song aufnehmen würde, kam er ins Studio. Ich bat ihn, den Tenor-Part mit mir zu singen. In ein paar Minuten waren wir fertig. Wissen Sie, wer könnte das besser singen, als der Komponist selbst? Sheryl Crow hat auch gehört, dass ich eine Platte machen würde. Ich bat sie, ein paar Zeilen zu singen. Ich mag sie, ich hab mit ihr in New York zusammengearbeitet. Sie hat dann mit meiner Frau auf ein paar Songs gesungen…

…zum Beispiel auf „Field Of Diamonds“, das Sie bereits 1986 auf der LP „Heroes“ veröffentlicht hatten. Warum wurde der Song wieder aufgetaut?

Ich weiß nicht. Ich wollte ihn immer so aufnehmen, wie es meinem Gefühl entsprach. Diesmal hat es geklappt.

„The Mercy Seat“ ist ziemlich emotional. Wie finden Sie im Studio zu derartiger Intensität?

Ich mache das, was Schauspieler tun. Ich wurde der Mann im elektrischen Stuhl, im Mercy Seat also. Ich hab mich in die Situation versetzt. Das hat sich angefühlt wie beim „Folsom Prison Blues“. Ich muss bei jedem Song das Gefühl haben, dass ich ihn zu einem meiner eigenen machen kann, auch

wenn ich ihn nicht selbst geschrieben habe. Dann nehme ich ihn auf, höre ihn mir in aller Ruhe an und muss dann sagen können: ‚Ich bin wirklich froh, dass ich diesen Song geschrieben habe.'(lacht)

Ihre erste Single, „Cry Cry Cry mussten Sie 1955 ganze 35 Mal aufnehmen, bis alle zufrieden waren. Ist die Arbeit heute leichter?

Manche Songs erfordern viel Geduld. Die meisten hatten wir aber nach fünf Takes fertig. Den U2-Song „One“ hatte ich schon beim dritten Mal. Rick hat sofort gesagt: ‚Das war’s. Den haben wir im Kasten.‘

Wie geht es mit dem nächsten Album voran?

Ich habe hier auf Jamaika eine Session einberufen. Mein Sohn kommt mit dem ganzen Equipment rüber, und er bringt zwei oder drei supergute Musiker mit. Wir werden in meinem Haus aufnehmen. Ich glaube auch, dass Rick Rubin rüberkommt Er hat gesagt, dass er es versuchen wird. Mein Sohn John Carter ist Associate Producer der Alben. Er macht den Job sehr gut. Wir arbeiten eng zusammen. Aber natürlich hat Rick das letzte Wort, wenn er die Sachen hört,die wir aufgenommen haben.

Sie träumen seit langem davon, Spirituals in einer Kirche aufzunehmen.

Ich will einen oder zwei auf die nächste Platte nehmen. Rick und ich haben eine Kathedrale in Pasadena, Kalifornien, ins Auge gefasst. Ich war aber noch nicht dort. Ich muss erst hören, wie die Orgel klingt, bevor ich weiß, ob ich dort aufnehmen will. Wenn das Feeling nicht stimmt, mache ich die Sache im Studio. Aber erst check‘ ich mal die Kathedrale aus.

Sie arbeiten auch an einem Song von 1847: „Hard Times“ von Steven Foster.

(hustet) Den Song haben wir schon aufgenommen. Aber wir sind noch nicht glücklich damit. Wahrscheinlich machen wir’s noch mal. Ich bin nicht sicher, ob er auf dem nächsten Album sein wird. Aber was erstaunlich ist: Steven Foster bewegten im 19. Jahrhundert die gleichen Dinge, die mich heute bewegen. Liebe ist Liebe, egal wann. Die Geschichten sind die gleichen, lediglich die Namen ändern sich.

Als Sie 1951 in Landsberg am Lech stationiert waren, kam Ihnen die Melodie von „I Walk The Line“ in den Sinn – eine sonderbare Geschichte.

Nun, ich hatte ein Wilcox-Gay-Aufnahmegerät. Und eines Abends, als ich ziemlich beschäftigt war, hat jemand daran rumgespielt und eine Gitarre aufgenommen. Ewige Wiederholungen, Läufe von einem Akkord zum nächsten. Als ich das Gerät das nächste Mal einschaltete, lief es aus irgendeinem Grund rückwärts. Und ich hörte etwas, das klang wie (beginnt die Bassline von „I Walk The Line“ zu singen) „dodo do do-do, do-do do do do do“. Das war wie eine Heimsuchung. Ich wette, dass ich das über die nächsten vier,fünf Monate 500 Mal gespielt habe. Ich hab es nicht aus dem Kopf bekommen, bis ich wieder zu Hause war. An einem Abend begann ich dann in Gladewater, Texas, mit dem Komponieren. „Because you’re mine, I walk the line.“ In dieser Nacht hab ich den Song geschrieben. Als ich halbfertig war, kam Carl Perkins dazu. Ich erklärte ihm, dass ich gerade dabei sei, einen Song namens „Because You’re Mine“ zu komponieren. Er hörte eine Weile zu und sagte dann, dass „I Walk The Line“ ein besserer Titel sei. Er hatte Recht.

Bedeutet Kreativität also unter anderem, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten?

Genau das ist bei diesem Song passiert.

Woher nehmen Sie heute Ihre Kreativität? Betrachten Sie die Dinge noch immer aus einem rückwärtigen Blickwinkel?

Nein, nein, nein. Ich lebe nicht in der Vergangenheit.

Aber Sie wurden doch inspiriert, weil das Band seinerzeit rückwärts lief.

Ich wusste damals nicht, dass es rückwärts lief. Ich dachte, dass irgendjemand das so aufgenommen hatte. Am Anfang des Tapes, das eigentlich das Ende war, sagte jemand: ‚Turn it off.“ Und wenn man „turn it off“ schnell rückwärts spricht, klingt es wie „Father“. Ich hab mir das immer wieder angehört, all die seltsamen Akkordverbindungen. Und plötzlich murmelt da jemand „Father“. Ich hab das einem katholischen Freund vorgespielt und ihn gefragt: ‚Hörst du so was in der Messe?‘ Und der sagte: ‚Nein, nie.’Als ich es dann richtig rum hörte, sagte jemand am Ende einfach: ‚Turn it off.‘

Sie scheinen von bestimmten Ideen manchmal wie besessen zu sein. Für Konzeptalben wie „Bitter Tears“ haben Sie monatelang recherchiert.

Das kommt bei mir ganz plötzlich. Ich habe den Film „Gladiator“ gesehen. Vier Mal. Und ich weiß, dass da irgendwo ein Song über das antike Rom versteckt ist. Ich weiß nur noch nicht, um was es da gehen wird (lacht). Ich weiß nur, dass da ein Song sein muss, denn es war über einen so langen Zeitraum eine so fabelhafte Gesellschaft.

Interessieren Sie sich für Geschichte?

Ja, das ist mein Ding, ich studiere… Nun, ich will nicht sagen, dass ich eifrig die römische Geschichte studiere. Ich drücke es so aus: Ich studiere eifrig Bücher über römische Geschichte.

Waren Sie schon in Rom?

Klar, ich war dort. Hab alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Ich sammle antike römische Münzen. Seit 20 Jahren. Meine Sammlung ist ziemlich groß.

Die Aussetzer vermissen Sie diese Begeisterungsfähigkeit bei anderen Künstlern?

Ja. Wissen Sie, es gibt kaum mehr Konzeptalben, von diesen Compilations mit verschiedenen Künstlern zu einem bestimmten Thema mal abgesehen. Aber thematisch produzierte LPs wie mein „Ride This Train“, „Bitter Tears“ oder „Ballads Of The True West“ hört man nicht mehr. Ich bin auch stolz auf „The Rambler“.

In welchem Zustand befindet sich Country-Musik? Haben Sie dazu beigetragen, ihren Ruf zu verbessern?

Nein (amüsiert). Darauf lasse ich mich gar nicht erst ein. Tex Ridder („The Nashville Rebel“, Country-Musik-Legende, Anm. d. Red.) hat mich gewarnt, als ich noch jung war. Ich sagte damals: ‚Ich liebe Country-Musik. Ich werde dafür alles tun, was ich kann.‘ Tex antwortete: ‚Verschreibe dich niemals irgendeiner verdammten Sache so voll und ganz.‘ (lacht) Ich lege keinen Wert darauf, die Country-Musik zu reformieren oder das Genre aufzuwerten. Das ist nicht meine Art. Ich höre mir natürlich viele Sachen an, aber neue Country-Musik? Nein, vieles davon kann ich nicht auflegen. Geht einfach nicht. Das interessiert mich keinen Deut.

Immerhin haben Ihre letzten Alben alle Auszeichnungen bekommen. Ehrlichkeit und künstlerischer Anspruch werden offenbar doch noch gewürdigt.

Darüber freue ich mich auch, das ist fantastisch. Ich bin wirklich stolz darauf. Sollte ich nie wieder einen Grammy oder eine andere Auszeichnung bekommen, dann geht das in Ordnung. Ich hatte meinen großen Tag. Aber ich werde in jedem Falle weitermachen. Weil ich liebe, was ich tue. Und das ist ein großer Segen. Mein Leben ist so reich gewesen, ich hatte ungefähr drei Karrieren. Und diese jetzt, das ist die beste von allen. So gut wie in den soern. Das ist einer der Gründe, warum ich so früh aufstehe. Damit ich wach sein kann, um mir dessen bewusst zu sein. Ich liebe es. Und ich rede hier keine heiße Luft, ich meine das ernst. Ich bin sehr glücklich zu arbeiten.

Und Sie tragen noch immer Schwarz. Welche Bedeutung hat das heute für Sie?

Ich weißes nicht (lacht). Gestern Abend haben wir Freunde zu einem Dinner eingeladen. Ich hatte ein schwarzes Shirt und schwarze Hosen an, genau wie auf der Bühne, das letzte Mal in Deutschland. Im Augenblick trage ich kein Schwarz. Ich trage Jeans, weil es kühler ist. Aber unter Leuten fühle ich mich in Schwarz wohler. Ich konnte es nie erklären. Ich hab das mal in einem Song versucht („Man In Black“, Anm.d.Red.), aber das hat nicht funktioniert. Ich trage Schwarz, weil es mir gefällt.

Keine wie auch immer geartete Rebellion also?

Na ja. Vielleicht doch.

1986 haben Sie gegen CBS Records rebelliert. Um Ihren Vertrag zu erfüllen, nahmen Sie die absichtlich alberne Single „Chicken In Black“ auf.

Lassen Sie mich mal erzählen, wie es dazu kam: Ich hab das getan, als CBS meinen Vertrag nicht erneuert hat. Ich wusste, dass das mein Schwanengesang werden würde. Und es hat Spaß gemacht. Ich bin froh, dass ich das getan habe und dass diese Lebensphase damit abgeschlossen war. Man hat meine Aufnahmen damals nicht veröffentlicht. Ich musste alles selbst bezahlen und durfte eigene Ideen nicht verwirklichen. Und niemand, niemand hat mich beraten oder versucht, mir zu helfen. Die haben mir nur Statistiken vorgelegt. Bis es mir zu den Ohren herauskam. Und dann kam Rick Rubin, und ich hatte plötzlich ein neues Leben…

…und ironischerweise werden Ihre Platten für American Recordings nun wieder über CBS vertrieben.

Ich spreche aber mit niemandem bei Sony oder CBS über meine Arbeit. Nur mit John Jackson bei (der Sony Tochter-Firma) Legacy Recordings. Die haben ein paar Sachen veröffentlicht. Darüber bin ich ganz froh. Zum Beispiel half ich dem CBS-Projekt „Love, God, Murder“ bei der Songauswahl.

Warum hat Bono von U2 für das Booklet zu „God einen Beitrag geschrieben?

Ich glaube, dass ihn mein Produzent gefragt hat.

Ist Bono sehr spirituell?

Ich weiß es nicht. Aber ich glaub schon. Um so was zu schreiben, muss er es sein.

Mister Cash, vielen Dank für dieses Gespräch.

Gott segne Sie.

www.maninblack.net