der COWBOY von nebenan
Als legitimen Nachfolger von Gary Cooper und Henry Fonda feiert ihn bereits die US-Presse. Doch wird die Welt den Mythos vom heilen Amerika schlucken?
Alle echte Männer wissen, wann es Zeit ist zu handeln. Dann tun sie, was sie tun müssen. Vor 14 Jahren fühlte Kevin Costner. daß die Zeit reif war. Es war Januar, der Monat, den viele mit dem Vorsatz beginnen, ihr Leben zu ändern. Costner hatte gerade sein Marketing-Studium an der California State University abgeschlossen und arbeitete seit ein paar Wochen in seinem ersten Job. Er wohnte mit seiner jungen Ehefrau Cindy zusammen, die als Schneewittchen in Disneyland jobbte. Als nun Cindy eines nachmittags nach Hause kam, saß Costner an der Schreibmaschine und eröffnete ihr, daß er ab sofort Autor und Schauspieler sei. Seinen Job hatte er bereits gekündigt.
Costner kann die Anekdote heute souverän zum besten geben. Er kann hinzufügen, wie Cindy ausrastete, seine Papiere zu Boden feuerte und ihm vorhielt, er könne noch nicht mal richtig tippen, geschweige denn schreiben. Costners Liebe zum Film war zwar nicht neu — er war begeistertes Mitglied einer Theatergruppe. Allerdings war diese Liebe bislang unerwidert geblieben. Unter den vielen Casting-Terminen, die Costner damals wahrnahm, war auch einer für ,“Flashdance“. Regisseur Adrian Lyne engagierte Costner nicht, hatte aber andere Verwendung für das junge Talent: Er ließ ihn einen Werbespot für Apple-Computer vorsprechen. Costner, der sich für den Job zu schade vorkam, erschien unrasiert und sprach seinen Text absichtlich falsch. Dennoch wurde der Spot mit ihm gedreht. Es folgten kleine und kleinste Rollen in noch kleineren Filmen. Seine Miete verdiente Costner als Bühnen-Manager im Raleigh-Studio in Hollywood, wo ausschließlich Werbefilme hergestellt wurden.
Heute sitzt Costner noch immer dort. Er hat die Firma zwar nicht gekauft (was er sich mittlerweile ohne weiteres leisten könnte), er hai aber aus alter Verbundenheit hier das Büro seiner Produktionsfirma T1G eingerichtet. Nach seinem Durchbruch im Thriller „No Way Out“ und im Mafia-Krimi „The Untouchables“ und seinem Doppel-Erfolg mit den Baseball-Filmen“.Feld der Träume“ und „Annies Männer“ war es fast unvermeidlich, auch als Co-Produzent Einfluß zu nehmen. Alle Kollegen machen das so.
Costner aber gab sich mit der Rolle des Co-Produzenten nicht zufrieden. Nach einem mißglückten, übereilt abgekurbelten ersten Streich („Revenge“) ließ sich Costner auf keine Kompromisse mehr ein. Er verwirklichte einen Film, der so sehr gegen alle Hollywood-Regeln verstieß, daß er sich die Finanzierung dafür aus dem Ausland holen mußte. „Dances With Wolves“ ist ein über drei Stunden langer Western, der einen wunden Punkt in der Geschichte Amerikas behandelt und teilweise mit Untertiteln arbeitet. Beides gilt in den USA als reinstes Kassengift. Costner produzierte, führte Regie und spielt selbst die Hauptrolle: Lieutenant John Dunbar, der während des Bürgerkriegs angetreten ist, Indianer aus ihrer Heimat zu vertreiben. Dunbar wandelt sich von Saulus zu Paulus: Er wird zum einsamen Kämpfer gegen seine eigene Truppe, und sein bester Freund wird ein Wolf. Die Indianer verpassen ihm daraufhin einen Namen: Dances With Wolves — Der mil den Wölfen tanzt.
Fünf Monate dauerten die Dreharbeiten, die Hälfte davon während des Winters in South Dakota. Als sich abzeichnete, daß der Film teurer werden würde als geplant, warf Costner knapp die Hälfte seiner kombinierten Star/Regie-Gage von fünf Millionen Dollar in die Waagschale.
Nach den ersten Vorführungen schrieben Amerikas Filmkritiker wahre Lobeshymnen, seit drei Monaten strömen die Besucher in den Film.
Wenn Costner“.Dances With Wolves“ in diesen Wochen auf der Berlinale vorstellt (Kinostart: 14. 2. 91). hat er seinen nächsten Film bereits abgedreht. Und wenn der Edelmut seiner Figur aus“.Dances With Wolves“ überhaupt noch zu übertreffen war, dann als Robin Hood! Costner drehte in England eine Neuversion des legendären Rächers der Enterbten. Zuhause in Los Angeles warten derweil mehrere neue Projekte. Eines davon, nach einem Drehbuch von Lawrence Kasdan, paart Costner als“.Bodyguard“ mil Whitney Houston, die mehr oder weniger sieh selbst spielen soll.
„He’s smart, he’s sexy and he can ad“, hieß die Titelgeschichte des TI-ME-Magazine über Kevin Costner. Und die „New York Times“ sieht in Costner den legitimen Nachfolger von Gary Cooper und Henry Fonda. Für viele verkörpert er wohl so etwas wie den domestizierten Marlboro-Mann. Kurzum: Er ist Amerikas Star für die 90er.