Der Fan-Fan


Markus Karg ist Arzte-Fan – und mehr als das: seit letztem Jahr macht er das beruflich. 1984 packte es den damals 17jährigen, und seitdem hat es „mich nicht mehr verlassen“, so Karg. Auch nicht, als die Ärzte sich 1988 auflösten. Karg (Foto links, im Live-Einsati) blieb dran, und als 1993 die Ärzte-Wiedervereinigung kam, fing der hauptberufliche Postzusteller an, in seiner Freizeit zusammen mit zwei Mitstreitern den Ärzte-Fanclub „Spackenfront“ und das dazugehörige Fanzine „Der Spacken“ zu schmeißen. Die Band selbst trug sich derweil mit Planungen für eine umfassende Ärzte-History in Buchform, und 1995 wandten sie sich damit an ihren umtriebigen Chronisten. „Ich dachte erstmal, das darf doch nicht wahr sein, dass meine Band mit so einem Angebot auf mich zukommt“, erzählt Karg, von dem es heißt, er wüsste mehr über die Ärzte als sie selbst. Seit 1999 fest angestellt bei der Ärzte-Firma Hot Action Records („Farin hat mir noch gesagt, ich sollte mir das gut überlegen, von wegen im öffentlichen Dienst sei ich gut abgesichert… aber als Postbote mit Abitur zu versauern, da hatte ich keinen Bock drauf“), besorgt Captain Karg (so sein Hot Actioninterner Einsatz-Name) dort die Fan-Betreuung, arbeitet aber in jeder freien Minute an seinem Opus Magnum, der Ärzte-Fan-Bibel. Vorbild für den Schinken in spe – noch ist alles im Projektstadium, ein Veröffentlichungsdatum ist nicht angesetzt – ist die opulente Kiss-Hochglanz-Bio „Kisstory“. „Wir wollen, dass es hochwertig wird, auf jeder Seite soll es was zu Gucken geben. Wir wollen komplett alles abbilden, was es an Merchandise gegeben hat, aus meiner Sammlung und von Belas und Farins Zeug.“ Grundlage für den Textteil sind endlose Interviews, in denen die Band Karg ihre Erinnerungen auf „Unmengen von DAT-Cassetten“ diktiert, Mitschnitte, die dieser dann auswertet. Und da soll es dann richtig ans Eingemachte gehen: Von den Farin Urlaubs ersten Gehversuchen als Profi-Musiker wird da zu lesen sein, als er, isjährig, Cassetten mit selbst aufgenommen Liedern auf dem Schulhof verscherbelte. Den Urzeiten, als Farin und Bela noch in der Band Soilent Grün spielten und der Auftritt des neu angeworbenen Gitarristen Farin bei einem kurzfristig angesetzten Gig daran scheiterte, dass niemand in der Band seine Telefonnummer und seinen Nachnamen wusste. Anekdoten aus Farins und Belas (kurzer) gemeinsamer WG-Zeit, als sie sich gegenseitig über eine im Bad installierte Box mit grauenvoller „Klomusik“ folterten, werden ausgebreitet werden. Von Gummi-Sexpuppen, die – zuvor im Miederwarengeschäft noch eigens eingekleidet – dann trotz Heliumfüllung einfach am Bühnenboden liegenblieben, wird die Rede sein. Geschichten, die mit nie gesehenem Bildmaterial belegt werden sollen, wie etwa der historische Moment, da Alkohol-Abstinenzler Farin Urlaub auf der Ärzte-Abschiedstour 1988 aufgrund einer verlorenen Wette sein erstes und einziges Glas Sekt zu sich nahm (Foto). „Da hast du dann drei Menschen“, erzählt Karg von seiner historisch-archäologischen Tätigkeit, „und drei komplett verschiedene Erinnerungen an ein und dieselbe Geschichte. Manchmal gibt’s dann halt zwei Wahrheiten, die dann auch beide gedruckt werden.“ Ärzte, Ärzte, Ärzte – gibt es eigentlich noch eine andere Band im Leben von Captain Karg? „Ja. The Cure. Und ich könnte jaulen! Die Bloodflowers-Tour geht in die dritte Runde nach Australien, und ich hab keine Zeit, da hinzufahren!“ Auch als Berufs-Fan hat man es halt nicht leicht.