Der körperlose Körper


iTunes-Charts vom 12.12.2012, Platz 3: will.i.am Feat. Britney Spears, „Scream & Shout“

Ist vermutlich ein Fehler, die Leben von Popstars immer als Erzählung verstehen zu wollen. Weil die Biografie eines Popstars nach dem Moment des Berühmtwerdens einfach keine klassische Erzählung mehr ergibt. Das ewige Rauf und Runter, die endlose Abfolge von Höhe- und Tiefpunkten, von Abstürzen, Skandalen und Comebacks strebt keinem Ziel entgegen, keiner Auflösung. Selbst der Tod ergäbe keinen Schluss, nicht mal dann würde aus der Prosa ein Drama, eine klassische Tragödie. Weil der Tod bei Popstars keine kathartische Wirkung aufs Publikum hat: Die Anhimmelung des Fans und die Abscheu der Hater erfährt im physischen Verschwinden des Objekts dieser Emotionen ja keine Seelenläuterung. Die Anhimmelung und der Hass gehen einfach weiter, bis sie schwächer werden, sich alles in Vergessen auflöst.

Britney also. Bei der sich einfach keine Erzählung ergeben will. Obwohl sie doch eigentlich ein Traum sein müsste als Popstar: Britney ist nie etwas anderes gewesen als Oberfläche; als eine pure Behauptung, hinter der nie irgendwas steckte. Ihre erste Arbeitshypothese als Popstar war doch schon total unlogisch: eine vorgebliche Jungfrau, die über Sex singt, nicht erträumten, sondern vollzogenen. Britney war ja sozusagen zur Umkehrung der biblisch unbefleckten Empfängnis Marias fähig – Britney war die unentjungferte Erotomanin.

Jetzt, viele Abstürze, Skandale und Comebacks später, nennt sie sich als Gast von will.i.am eine „bitch“. So als spräche sie endlich aus, was alle Welt schon lange von ihr denkt. Und doch: Man glaubt ihr wieder nicht. Weil Britneys Leben als Popstar nicht nur keine Erzählung ergibt. Sondern weil sie von Anfang nicht nur der Popstar der totalen Oberfläche war, sondern auch der Popstar der totalen inneren Leere. Vielleicht existiert Britney Spears ja gar nicht. Vielleicht war sie immer nur eine 3-D-Animation, ein Hologramm aus buntem Licht, der körperloseste Körper des Pop.