Der Scheidungsgrund


Alle haben sie gewarnt. "Macht bloß keinen Film zusammen!" mahnten ihre Freunde. "Wenn ihr das wirklich tut, seid ihr danach geschiedene Leute." Aber Madonna und Noch-Ehemann Sean Penn wollten nicht hören und drehten mit Regisseur Jim Goddard und dem Geld von Ex-Beatle George Harrison SHANGHAI SURPRISE, eine Leinwand-Geschichte von Krieg, Liebe und Rauschgift. Als der Film vor einem guten halben Jahr in die amerikanischen Kinos kam, wollte ihn keiner sehen. Jetzt wollen sich Madonna und Sean Penn nicht mehr sehen.

Dabei hatte alles so malerisch angefangen, als das prominente Ehepaar im frostigen Januar 1986 in der chinesischen Hafenstadt Shanghai eintraf. „Wir kamen mitten in der Nacht an und verloren gleich einen ganzen Tag“, erinnert sich Madonna. „Eigentlich sollten wir schlafen gehen, konnten aber nicht und gingen schließlich durch die eiskalten Straßen spazieren. Draußen war es noch dunkel, aber die – Straßen waren voller Leine, die Tai Chi machten. Absolut traumhaft — man sah nur die Bewegungen der Arme. Sie hängten ihre Wasche raus — steckten einen Stab aus dem Fenster, hängten ihre Sachen drüber, und als sie sie wieder reinholten, waren sie gefroren. Als es hell wurde, liefen die Leute alle mit Kübeln durch die Gegend — da drin lagen ein großes Stück Fleisch und ein Kohlkopf, ihr Essen fiir diesen Tag. „

Das Shanghai von 1986 war natürlich nicht mehr die sündige Hafenstadt aus „Shanghai Express“ von 1932 (mit Marlene Dietrich als Shanghai-Lily). Die Pekinger Bürokratie hat dem Ort jeden Charme genommen und alles zubetoniert, so daß er nie und nimmer als Opium-Metropole von 1938, voller Huren und Rikschas durchgehen würde. Sean und Madonna tankten so viel Lokalkolorit wie möglich und fuhren dann planmäßig weiter, nach Hongkong, mitten in den kapitalistischen Wahnsinn.

In Hongkong hatten sie nicht halb so viel Ruhe, wie sie sich vorgestellt hatten, als sie ihre Verträge aushandelten (die ihnen im übrigen uneingeschränktes Mitspracherecht in sämtlichen kreativen Fragen garantierten). Horden von Fotografen und Reportern der englischsprachigen Hongkonger Tageszeitungen — und jede Menge aus England importierte Journalisten — bevölkerten die Straßen rund um die Drehorte für die Außenaufnahmen und sangen: „Wir wollen Madonna!“

Doch damit nicht genug: Die einzigen Ecken

der Stadt, die als belebtes Shanghai von 1938 herhalten konnten, waren die von chinesischen Gangstern kontrollierten Slums. Und mit den Chinesen war weder zu reden, noch konnte man ihnen drohen — sie schnitten dem Team einfach in jeder Kurve den Weg ab und verlangten immer höhere Summen, bevor sie die Wagen durchließen, Wegezoll sozusagen.

Die ungewöhnlichen Drehorte machten die Film-Crew zu leichten Opfern für Erpresser aller Art. „Einmal waren wir 18 Stunden draußen“, erzählt Madonna, „und zu unserer Locaiion führte nur eine einzige kleine Straße. Die sperrten die Chinesen natürlich ab. Es ist zwei Uhr morgens, es ist kalt, wir sind müde und müssen um sechs schon wieder aufstehen, aber wir kommen nicht weg, weil so ein Kerl im Weg parkt und 50.0tK) Dollar will. So ging das jeden Tag, und geholfen hat uns keiner.

Unter unseren Wohnwagen waren große, schwarze Ratten … ich hab die ganze Zeit gesagt: ,Ich kann’s gar nicht erwarten, bis das hier vorbei ist’… Das war ein Überlebens-Test. Ich weiß jetzt, daß mich nichts mehr schocken kann, weil so gut wie alles gegen uns gearbeitet hat.

Zuallererstmal glaube ich, daß Scan und ich das als Herausforderung gesehen haben: verheiratet sein und zusammen arbeiten. Eine Menge Leute meinten, das wäre der sicherste Weg, eine Beziehung zu beenden, und daß wir uns danach bestimmt scheiden lassen würden. Das war erst mein zweiter Film, und ich ßhlte mich ständig unsicher und daneben — ,kh bin eine schreckliche Schauspielerin, er wird mich bestimmt nicht mehr lieben‘ — all so’n’Zeug.

Ich hab aber Sean schon mit anderen Leuten arbeiten sehen, und — das haben schon viele gesagt — er ist ein Schauspieler, der viel zu geben hat. Er würde dir nie das Gefiihl geben, daß du zu einer Szene nichts beizutragen hast. Wenn er einen Film macht, ist er hauptsächlich damit beschäftigt, die Arbeit von allen anderen, die mit ihm in der Szene sind, noch mitzuerledigen.

Komischerweise sind wir noch nie so gut klargekommen. Wir bemühten uns nach Kriiflen. stark zu bleiben und uns nicht unterkriegen zu hissen. Es gab Zeiten, da war ich völlig fertig, heulte, und er sagte: .Mach dir keine Sorgen. Baby, wir machen das schon — wir schaffen das, trotz aller Probleme.‘ Dann, zwei Wochen später, war er am Boden, konnte es nicht mehr aushalten und ich mußte ihn in den Arm nehmen: , Wir kommen da schon durch, du machst das echt gut. und das ist alles, was zählt. „

Mit runden 20 Millionen Mark Produktionskosten ist „Shanghai Surprise“ das teuerste Projekt, auf das sich George Harrison Hand Made Films je eingelassen haben. Sean Penn spielt Mr. Wasey, einen fliegenden Händler, der durch den Orient zieht, und Madonnas Gloria Tatlock ist ein biederes Mädchen aus Massachusetts, das vor der Aussicht auf den sicheren Hafen der Ehe geflohen und Missionarin geworden ist. Er wird ihr praktisch vor die Füße geworfen, und die beiden beginnen zögernd, sich den Hof zu machen.

Daß die Dreharbeiten keine reine Freude waren, lag durchaus nicht an mangelnder Erfahrung seitens der Macher. Die schlimmsten Aufregungen verursachte die unersättliche Presse. Besonders übel war es auf der Insel Macao, als unser Paar in seine Suite im Hotel Oriental gebracht werden sollte: Man hatte ihnen versichert, daß sämtliche Pressefritzen aus dem Haus entfernt worden seien, „trotzdem lauerte gleich einer im Eingang unseres Hotelzimmers“.

Die dicke Luft, die der wagemutige Gentleman (es handelte sich um den Chef einer englischsprachigen Tageszeitung) der Produktion bescherte, löste allerdings so große Bestürzung aus, daß Co-Produzent George Harrison eingeflogen wurde, um die Wogen zu glätten.

Zum nächsten unschönen Zwischenfall kam es, als die Produktion nach London verlagert wurde. Kaum hatte Madonna den Flughafen verlassen, als ein Fotograf vorn auf ihren Wagen kletterte, herunterfiel und sich verletzte. Weil der Unfall im allgemeinen Trubel völlig untergegangen war, informierte der Unglücksrabe schnell ein paar Kollegen, warf sich nochmal vors Auto und produzierte fotogene Schmerzensschreie.

Inzwischen war die allgemeine Stimmung so mies („Verzogenes Blag beherrscht Madonna“, plärrte das Boulevard-Blatt The Sun), daß eine Pressekonferenz einberufen werden mußte, um die Situation wieder zu entwirren. Madonna und der 43jährige Ex-Beatle („der könnte keiner Fliege was zuleide tun“) stellten sich der Presse. Ein Reporter des New Musical Express fand Madonna „genauso schlagfertig, überlegen und schön wie ich gehofft halte“, mußte aber feststellen, daß die Revolverblätter sie wieder bloß als „alte Ä’raß6i7«/c“darstellten.

„Es gibt nichts, wofiir ich mich entschuldigen müßte“, äußerte sie — bloß um am nächsten Morgen hören zu müssen, daß eine Londoner Radiostation daraus eine Endlos-Schleife gemacht hatte und den Satz pausenlos in den Äther schickte.

Dabei war der gestreßte Superstar mit „Shanghai Surprise“ eigentlich schon genug gestraft: Am 29. August lief der Film in den Staaten an, und schon drei Wochen später stand fest, daß er seine Kosten nie und nimmer einspielen würde. Die Kritiker waren entsetzt („schrecklich“,“.unbeholfen“,“.blöd“, „banal“, „unglaublich langsam“…) und das Publikum blieb zu Hause. Die amerikanische Verleihfirma war sogar so pfiffig gewesen, „Shanghai Surprise“ erst nur in mittelgroßen Städten zu zeigen, damit die vorhersehbar schlechten Rezensionen aus Medien-Metropolen wie L.A. oder New York das Geschäft nicht gänzlich ruinierten — trotzdem war nichts mehr zu retten. „Ich habe selten einen mieseren Filmstartgesehen“, kommentierte James Greenberg vom Showbiz-Magazin „Variety“.

Während Madonnas Erfolgskurve den Flop relativ gut verkraftete (im Herbst war ihr TRUE BLUE-Album fast weltweit Nummer eins), hing der private Haussegen täglich schiefer. Die gegenseitigen Treueschwiire und Durchhalteparolen aus den Hongkonger Slums waren längst vergessen — Sean soff und prügelte wie eh und je und ging Madonna mit seinen „Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Alliiren“ zunehmend auf den Wecker.

Und nachdem Mrs. Penn inzwischen schon den nächsten Film im Kasten hat (eine wüste Krimi-Story aus New York), versucht sie jetzt auch ihr Privatleben in den Griff zu kriegen. Letzten Korrespondentenberichten zufolge hat Madonna das gemeinsame Domizil in Malibu verlassen und sich von einem Makler ein sündteures Haus in Beverly Hills besorgen lassen – „Shanghai Surprise'“ geht besser aus …