Der Soulpunk muß unter die Leute
Die Zutons, die im Pub rumsitzen, können sich manchmal selbst nicht leiden. Höchste Zeit für neue Abenteuer!
Ein freundlicher Hinweis bezüglich potentieller Sprachschwierigkeiten gleich zu Beginn: „Du wirst nachher dein Band abhören und merken, daß du nur die Hälfte verstehst. Bsonnerswnichsoschetlsprechwietz.“ Äh, wie bitte? „Wenn. Ich. Sehr. Schnell. Spreche.“ David McCabe lacht. Klappt doch. Die Rede ist von Scouse, dem Dialekt Liverpools, der aus „lads“ oft „lahs“ und hin und wieder sogar „La’s“ macht. „Eine Mischung aus Englisch, Schottisch und Irisch“, erklärt Dave, bemüht, sein Tempo zu drosseln. „Liverpool ist eine Hafenstadt, es gab immer viele Einwanderer. Das merkt man am Dialekt, aber auch am Charakter. Scouser sind hart im Nehmen, sehr stolz und starrsinnig. Aber sie können sich auch gut über sich selbst lustig machen.“
Früher Nachmittag in einem schicken Kölner Hotel. Die Vorhänge sind zugezogen, die Betten gemacht, und das Zimmer sieht so aus, wie unbenutzte Hotelzimmer eben aussehen. Hell, kühl, bißchen steril. Doch wenn man mit Zutons-Sänger Dave und Saxophonistin Abi Harding redet, kann man sich schnell so fühlen, als wäre die Suite ein gemütlicher Pub. Wo man sich den wirklich wichtigen Fragen zuwendet wie der, ob das da im Tourbus nun „the smell of willies “ (Abi) gewesen sei oder „just the smell ofmen “ (Dave). Oder warum es so ist, daß einem manchmal Bands von ganz früher näher sind als solche von mittelfrüher: „Joy Division zum Beispiel. Es war bestimmt toll, die damals zu hören“, findet Dave. „Aber ich kann damit wenig anfangen. Es war nicht meine Zeit. Die Beatles „Und da hieß es dann: ‚die schlechteren Coral‘.
Das war wirklich nicht fair‘ Abi Harding dagegen mag ich sehr, obwohl das noch viel weniger meine Zeit war.“
Womit wir in der Abteilung unvermeidlicher Scouser-Klischees angekommen wären. Erstens, klar, die Fab Four. „Wenn ich so was lese wie in dieser dämlichen amerikanischen Kritik, in der stand ‚Kann eine Band mehr nach den Beatles klingen?‘, frage ich mich, was die Leute mit ihren Ohren gemacht haben. “ Oder, Klischee Nummer zwei, oft zitiert, wenn über die jungen „Cosmic Scousers“ aus Liverpool geschrieben wird: nach Captain Beefheart? „Es gibt dieses Vorurteil, daß die Scouser nichts anderes hören als Beefheart. Ich habe schon Platten von ihm“, sagt Abi. „Aber wenn du aus Liverpool kommst, versuchst du eher, gerade nicht so zu klingen, weil du nicht dieses ‚Cosmic Scouser Psychedelic‘-Ding reingereicht kriegen willst. „Kriegt man natürlich trotzdem. Genauso wie, Klischee Nummer drei, den Coral-Vergleich: „Okay, unsere erste Platte klangetwas nach ihnen“, räumt Dave ein. „Aber so stark waren diese Ähnlichkeiten nun auch nicht. Aber wir kommen aus derselben Stadt, sind beim selben Label, hatten denselben Produzenten. Und dahieß es dann: ‚die schlechteren Coral‘. Das war wirklich nicht fair.“
Der Produzent des Debüts Who Killed The Zutons? war kein Geringerer als Ex-Lightning-Seeds-Chef Ian Broudie, der als Deltasonic-Hausproduzent neben The Coral und den Zutons auch die Dead 60s unter seine Fittiche nahm. „Ian kam schon früh zu unseren Gigs, und irgendwann stand er plötzlich im Proberaum und sagte, er würde gern mit uns arbeiten.“ Groß einmischen brauchte sich Broudie nicht. „Uns war es wichtig, daß wir die Arrangements im Wesentlichen schon vordem Aufnehmen fertig haben“, erzählt Abi, deren trockenes Saxophon den Sound der Band mitbestimmt. „Es klingt ein bißchen so wie bei Madness oder den Dexy’s Midnight Runners, weil es fast wie eine weitere Gitarre eingesetzt wird“, findet Dave. „Die Dexy’s haben ja eine Art Soul-Punk gemacht. Ich finde, das ist auch für uns eine ganz gute Bezeichnung.“
Oder Soul-Punk-Funk, um die deutlichen Spuren ausgiebigen Sly-Stone-Genusses einzubeziehen. Auf der zweiten, von Stephen Street (u.a. Blur, Kaiser Chiefs) produzierten Platte wird ihr Sound noch „etwas muskulöser“ ausgelegt, wie Abi es formuliert.
„Es war uns wichtig, daß die Platte mehr nach den Live-Zutons klingt.“ Dave nickt. Nicht umsonst heißt das Album Tired Of Hanging Around. „Es könnte aber auch ‚Tired Of Being Dave‘ heißen. Ich bin im Moment ein bißchen genervt von dem Dave, der zu Hause hockt, abends in die Kneipe geht und sich besäuft. Wenn ich mit der Band unterwegs bin, bin ich ein ganz anderer Dave. Und der ist mir viel sympathischer.“ Selbst wenn der nach Meinung gewisser Leute vielleicht nach „willies“ riecht. Aber das ist ja eh Ansichtssache.
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