Deutschrock zum Anziehen
Eine von Die Ärzte gegründete Firma liefert weltweit Fanartikelware.
In puncto Merchandising ist die US-Band Kiss wegweisend. Von der Brotbüchse bis zur Kreditkarte mit Logo reicht ihr Angebot. Merch-Ware gibt’s mittlerweile auch in Deutschland reichlich,am reichlichsten ausdem Hause Deutschrock. Hinter der Berliner Firma stehen bekennende Kiss-Fans: Die Ärzte! Die Musiker waren nicht nur der erste Lizenzgeber der 1993 gegründeten GmbH,sondern sind auch ihre Gesellschafter. Im Zuge ihrer Reunion hatten Die Ärzte ihre Geschäftsfelder neu geordnet, woraufhin sich plötzlich Jens-Uwe Köhler, ein Politologiestudent und langjähriger Freund der Band, zum Verantwortlichen fürs Merchandising ernannt sah. Sein Partner wurde kurz darauf Erik Schunder. Die Firma wuchs schnell, weil sie zunehmend auch Auftrage von anderen Bands bekam. Mittlerweile ist sie hierzulande Marktführer und hat so bis 60 Festangestellte plus einige Azubis. Während in der Produktionshalle oft laute Rockmusik die Maschinengeräusche überdröhnt, entwerfen in den darübergelegenen Büroräumen die Kreativen Fanartikelkollektionen. Was dabei herauskommt, hängt vereinzelt an den Wänden: T-Shirts („Es gibt nur einen Gott-Bela.Farin und Rod“),diewie Goldene Schallplatten eingerahmt sind. Es ist ein bisschen wie in einer Plattenfirma, und genauso soll es sein.
Dass die Geschäfte so gut laufen, hat vor allem mit dem Boom der Livemusik zu tun.So ist die Firma auf Festivals wie Hurricane für das komplette Merchandising verantwortlich. Wer dort nie zusammenfände, ist auf der Verkaufsbühne im hauseigenen Merch-Katalog brav vereint: Tokio Hotel, Die Ärzte, Metallica, Nirvana, Dieter Thomas Kuhn, Franz Ferdinand und auch Die Toten Hosen.
Dass ein Musikfreund die Tokio-Hotel -Handysocke, das Die-Ärzte-Alzheimory-Spiel und die Ramones-Geldbörse auf einmal ordert, ist eher unwahrscheinlich, aber möglich.
Weil die Firma für sich inzwischen einen gewissen Kultstatus in Anspruch nehmen kann, drangen viele Künstler von sich aus ins Deutschrock-Umfeld. Zumal in der Datenbank über 200.000 Kunden lungern, darunter Amerikaner, Japaner, Finnen. Kein Wunder, dass sich der bisherige Kooperationspartner Universal Records Ende 2OO7 direkt am Unternehmen beteiligte.
Die Ärzte geben keinen Kommentar zur Firma ab, reden aber auch ihren Geschäftsführern nicht ins Tagesgeschäft hinein. Die wiederum achten auch von sich aus auf bestimmte Grundregeln: dass zum Beispiel keine T-Shirts bezogen werden, die in Kinderarbeitsfabriken in Bangladesh produziert wurden. Für den Absatz von Merch gilt heute Ähnliches wie für das Livekonzert: Es ist eine besondere Erinnerung, die man sich offenbar gern etwas kosten lässt. „Ein T-Shirt oder eine Tasse kannst du nun mal nicht downloaden oder brennen“, sagt Jens-Uwe Köhler. Der größte Deutschrock-Verkaufshit ist übrigens ein grün-orange gestreiftes „Planet Punk“-Shirt. Natürlich von Die Ärzte.