Jahresrückblick 2019

Die 50 besten Platten des Jahres 2019


Wir haben abgestimmt und die (subjektiv) einzig wahre Liste erstellt: Das sind die 50 Favoriten der ME-Redaktion und somit die besten Alben des Jahres 2019. Ha!

2. Solange – WHEN I GET HOME

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Columbia/Sony (VÖ: 1.3.)

Drei Jahre ist es her, dass eine Platte in mein Leben kam, wie ein wundersam leuchtendes Wesen, vom Himmel gefallen in jenen surrealen Wochen vor und nach dem Wahlsieg von Donald Trump. A SEAT AT THE TABLE. Eine Platte, so klug und politisch und warm und Sirup-artig fließend, dass ich damals schon wusste, dass sie die wichtigste sein würde, die diese Dekade hervorbringen wird. 2016 schien das vielleicht vermessen. Jetzt in den letzten Wochen des austropfenden Jahrzehnts glaube ich das immer noch. Obwohl – um zum Thema dieses Textes zu kommen – auch der Nachfolger gewaltig ist. In Sachen musikalischer Schönheit ist WHEN I GET HOME sogar noch eindrücklicher: Niemand beherrscht diesen Bewusstseinsstrom-Sound im Schnittwinkel von Soul, R’n’B, Jazz und HipHop so gut wie Solange Knowles. Diese bestimmte Art, die Tracks ruhig und kunstvoll schweben zu lassen, sie mit synkopierten Jazz-Akkorden und Fragmenten von Trap (zu Gast sind: Gucci Mane, Playboi Carti) zu verdichten, sie in experimentelle Richtungen ausufern zu lassen (denke: Rotary Connection, Sun Ra oder Stevie Wonders JOURNEY THROUGH ,THE SECRET LIFE OF PLANTS‘) und sie am Ende doch zu etwas Rundem, Ausgeformten zu machen.

Das ist das Besondere an dieser Platte: Sie ist gerade nicht wieder die große schwarze Protestgeste, als die sie viele sich vorgestellt und erhofft hatten. Sondern die Hinwendung zum Skizzenhaften und Imaginativen. Um die Frage, was schwarze Identität ausmacht, wie sie sich ausdrückt und abgrenzt, geht es immer noch. Die Antworten spiegeln sich aber nicht mehr in dem, was darüber gesagt und gesungen wird, sondern in den Stimmungen und musikalischen Details. Und um eine frei assoziierte Vorstellung ihrer Hometown Houston als prägende Sphäre afroamerikanischer Identität. Vergangenheit und Zukunft fließen dabei zusammen wie die Moog-Synthesizer und klappernden Drum-Patterns der Songs. Überhaupt ist die Welt von WHEN I GET HOME nur als interdisziplinärer Raum zu verstehen, der über die Grenzen des Albums hinausweist. Dieser Raum ist angefüllt mit Solanges ambitionierten Live-Shows, Performances in Kunstmuseen und surrealen Bilderwelten der Videos, mit den schwarzen Cowboys und wundersamen Tanzformationen.

All das ist weit entfernt von der gängigen Vorstellung, Popmusik müsse im Zeitalter von Spotify und YouTube schnell erfassbar sein. Aber es erzählt uns von einer Künstlerin mit einer starken, eigenständigen Vision. „I saw things I imagined”, singt Solange im Eröffnungsstück. Es braucht ein bisschen Zeit, ihr in ihre imaginäre Welt zu folgen. Umso tiefer man aber eindringt in dieses Land der schwarzen Utopien, desto länger will man verweilen. Und wie in  einem Luftschiff ins neue Jahrzehnt fliegen. Annett Scheffel

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Columbia